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Abwechslungsreicher Einstieg mit dem Aalto-Ensemble Von Thomas Molke / Fotos: © Matthias JungIm Aalto-Theater hat die neue Spielzeit begonnen, natürlich auch hier durch die COVID-19 Pandemie ganz anders, als es ursprünglich geplant war. Eigentlich sollte die Saison mit Richard Wagners Tannhäuser eröffnet werden, was unter den derzeitigen Bestimmungen aber genauso undenkbar ist wie die zweite ursprünglich angesetzte Premiere Lucrezia Borgia von Gaetano Donizetti. Aber aufgeschoben ist hoffentlich nicht aufgehoben, und nachdem es im Aalto-Theater vor der Spielzeitpause ab Juni "nur" Terrassenkonzerte gab, öffnet man nun erstmals wieder den großen Saal, in dem am 12. März 2020 mit der Generalprobe von Verdis Don Carlo der letzte Vorhang fiel. Einiges ist noch ungewohnt. Aufgrund der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln ist das Foyer in unterschiedliche farbige Bereiche unterteilt, die das Publikum zu der Tür führen, durch die der Saal betreten werden soll. Beim Verlassen des Zuschauerraums ruft das Aufsichtspersonal die Reihen einzeln auf, um Schlangenbildung am Ausgang zu vermeiden. Das Publikum folgt den Anweisungen geduldig. Schließlich ist man froh, endlich wieder ein Theater von innen zu sehen. Finale 2. Akt Le nozze di Figaro: von links: Susanna (Christina Clark), Marcellina (Marie-Helen Joël), Figaro (Baurzhan Anderzhanov), Bartolo (Christoph Seidl), Conte (Heiko Trinsinger) und Basilio (Rainer Maria Röhr) (am Flügel hinten links: Oliver Malitius, hinten rechts: Boris Gurevich) Wenn man schon nicht zu Beginn der Spielzeit den Sängerkrieg auf der Wartburg präsentieren kann, hat man sich zumindest für ein "Sängerfest" entschieden, in dem ein Großteil des Solistenensembles einen breiten Querschnitt durch die Opernliteratur zum Besten gibt. Als Reminiszenz an die ursprünglich geplante Premiere Tannhäuser hat man den Abend O du, mein holder Abendstern genannt. Boris Gurevich und Oliver Malitius begleiten die Solisten an zwei Flügeln, die im Hintergrund der Bühne aufgestellt sind. Der Orchestergraben ist hochgefahren und dient als Spielfläche. Chefdramaturg Christian Schröder führt informativ und wortgewandt durch den Abend. Mit verschiedenen Requisiten und Projektionen wird den einzelnen Nummern ein szenischer Anstrich gegeben. Die Musikauswahl nimmt teilweise Bezug auf das, was im Aalto ohne Corona zu erleben gewesen wäre. So startet der Abend mit dem Finale des 2. Aktes aus Mozarts Le nozze di Figaro. Diese Oper war eigentlich als letzte Premiere der vergangenen Spielzeit geplant. Dieses Finale soll bei der Uraufführung für große Begeisterung beim Publikum gesorgt haben, weil der versetzte Auftritt der einzelnen Figuren mit den darin ständig wechselnden Figurenkonstellationen damals ein Novum darstellte. Dass es am Anfang des Abends steht, begründet Schröder damit, dass man direkt zu Beginn einen Großteil des Ensembles auf der Bühne haben wolle. Dabei kann man Jessica Muirhead als Contessa, Christina Clark als Susanna, Heiko Trinsinger als Conte, Baurzhan Anderzhanov als Figaro, Karel Martin Ludvik als Antonio, Marie-Helen Joël als Marcellina, Christoph Seidl als Bartolo und Rainer Maria Röhr als Basilio die große Spielfreude regelrecht anmerken. Die kleinen auf der Bühne platzierten Bäumchen wirken zwar im Gemach der Contessa eher deplatziert, mögen für die Solisten aber als Orientierungshilfe dienen, um die erforderlichen Abstände einzuhalten. Auch Verdis Don Carlo darf an diesem Abend nicht fehlen. Schließlich war die Generalprobe dieser Oper im März die letzte Vorstellung, die auf der großen Bühne vor dem Lockdown stattgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt wusste man zwar bereits, dass die Premiere nicht mehr stattfinden könnte, hatte aber vielleicht die Hoffnung, dass spätere Veranstaltungen in der Spielzeit noch möglich seien. Aus Don Carlo ist das berühmte Duett zwischen dem Großinquisitor und Filippo, dem König von Spanien, zu erleben, in dem der Großinquisitor den König auffordert, auch Posa der Inquisition zu übergeben. Als Bühnenbild wird ein wuchtiger Schreibtisch auf die Bühne gefahren, an dem Almas Svilpa als Filippo Karl-Heinz Lehner als Großinquisitor empfängt. Mit dunkel gefärbtem Bass liefern sich Svilpa und Lehner einen Schlagabtausch, der unter die Haut geht. Lehner macht auch ohne Kostüm darstellerisch die Unbarmherzigkeit des Großinquisitors spürbar, und auch Svilpa gelingt in dieser kurzen Szene eine eindringliche Charakterstudie des Königs. Natürlich darf an einem Abend, der den Titel O du, mein holder Abendstern trägt auch Wolfram von Eschenbachs berühmtes Lied an den Abendstern nicht fehlen. Heiko Trinsinger interpretiert den Wolfram mit sanftem Bariton. Im Hintergrund ist dabei ein wunderschöner Sternenhimmel zu sehen. So romantisch und eindringlich dürfte man diese Szene in Zeiten des Regietheaters ansonsten eher selten auf der Bühne erleben. Deidre Angenent als Azucena und Carlos Cardoso als Manrico in Verdis Il trovatore (am Flügel hinten: Oliver Malitius) Von Gaetano Donizetti gibt es zwar keinen Auszug aus der Oper Lucrezia Borgia, die normalerweise für November geplant war, dafür aber eine der berühmtesten Tenorarien überhaupt, die wahrscheinlich jeder Tenor im Repertoire haben dürfte: "Una furtiva lagrima" aus L'elisir d'amore. Dmitry Ivanchey glänzt als Nemorino mit strahlendem Tenor und klar ausgesungenen Höhen. Der Abend bietet außerdem die Möglichkeit, mit Christoph Seidl und Giulia Montanari zwei neue Ensemble-Mitglieder vorzustellen. Seidl und Montanari schlüpfen in die Rollen des Osmin und der Blonde aus Mozarts Die Entführung aus dem Serail und liefern sich szenisch und musikalisch einen wunderbaren Schlagabtausch in dem Duett "Ich gehe, doch rate ich dir." Deidre Angenent gehört zwar eigentlich nicht zum festen Ensemble des Aalto-Theaters, ist dem Haus aber durch mehrere Gastverpflichtungen so verbunden, dass sie ebenfalls an diesem Abend auftritt und die ganze Bandbreite ihres dramatischen Soprans präsentiert. Zunächst ist sie als Santuzza in Mascagnis Cavalleria rusticana zu erleben und klagt der Mutter ihres Geliebten Turiddu ihr Leid, weil er ihr nicht treu ist. Anschließend präsentiert sie gemeinsam mit Carlos Cardoso das Duett "Madre! Non dormi?" aus Verdis Il trovatore, in dem Manrico und Azucena, die er für seine Mutter hält, auf die Hinrichtung warten. Wieso für die Kerkerszene ein Sofa als Bühnenbild hereingetragen wird, erschließt sich nicht. Angenent setzt Azucenas Erzählung mit großer Dramatik um, Cardoso punktet mit strahlendem Tenor. Jessica Muirhead als Mimì und Carlos Cardoso als Rodolfo in La bohème (am Flügel hinten links: Oliver Malitius, hinten rechts: Boris Gurevich) Zum Abschluss hat man sich dann für Giacomo Puccinis La bohème entschieden. Jessica Muirhead und Carlos Cardoso präsentieren als Mimì und Rodolfo das wunderbare Ende des ersten Aktes, in dem mit den berühmten Arien Rodolfos und Mimìs und dem anschließenden Duett drei absolute Höhepunkte aus Puccinis Oper dicht aufeinander folgen. Mit einem Bett, das Muirhead und Cardoso hineinfahren, wird die Mansarde angedeutet, in der Rodolfo lebt. Ein kleiner Leuchter an der Bühnenrampe steht für das Feuer, das Mimì bei Rodolfo für ihre Kerze holen möchte. Cardoso glänzt in "Che gelida manina" mit sauber ausgesungenen Höhen und tenoralem Schmelz. Muirhead gestaltet Mimì mit leuchtendem Sopran und unter die Haut gehenden Spitzentönen. Im Duett "O soave fanciulla" finden die beiden stimmlich zu einer betörenden Innigkeit. Das Publikum spendet großen Beifall. Gerne hätte man das Ensemble noch zu einer Zugabe überredet, aber nach dem offiziellen Programm ist Schluss. FAZIT Es ist schön, dass auch im Aalto-Theater der Spielbetrieb wieder beginnt. Der abwechslungsreiche Opernabend bietet eine gelungene Möglichkeit, das Ensemble wieder auf der Bühne zu erleben. Programm Wolfgang Amadeus Mozart: Finale 2. Akt "Esci ormai, garzon malnato" aus Le nozze di Figaro (Jessica Muirhead (Contessa), Heiko Trinsinger (Conte), Christina Clark (Susanna), Baurzhan Anderzhanov (Figaro), Marie-Helen Joël (Marcellina), Christoph Seidl (Bartolo), Rainer Maria Röhr (Basilio) und Karel Martin Ludvik (Antonio)) Pietro Mascagni: "Voi lo sapete, o mamma" aus Cavalleria rusticana (Deidre Angenent (Santuzza)) Giuseppe Verdi: "Il gran Inquisitore" aus Don Carlo (Almas Svilpa (Filippo), Karl-Heinz Lehner (Il Gran Inquisitore), Rainer-Maria Röhr (Conte di Lerma)) Giuseppe Verdi: "Madre! Non dormi?" aus Il trovatore (Carlos Cardoso (Manrico), Deidre Angenent (Azucena)) Richard Wagner: "Wie Todesahnung... O du, mein holder Abendstern" aus Tannhäuser (Heiko Trinsinger (Wolfram von Eschenbach)) Gaetano Donizetti: "Una furtiva lagrima" aus L'elisir d'amore (Dmitry Ivanchey (Nemorino)) Wolfgang Amadeus Mozart: "Ich gehe, doch rate ich dir" aus Die Entführung aus dem Serail (Christoph Seidl (Osmin), Giulia Montanari (Blonde)) Giacomo Puccini: "Che gelida manina", "Sì, mi chiamano Mimì", "O soave fanciulla" aus La bohème (Jessica Muirhead (Mimì), Carlos Cardoso (Rodolfo)) Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamModeration
Klavierbegleitung
SolistenSopran Mezzosopran Tenor Bariton Bassbariton Bass
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