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Die Entführung aus dem Serail

Singspiel in drei Aufzügen
Libretto von Johann Gottlieb Stephanie der Jüngere, nach Christoph Friedrich Bretzner
in einer gekürzten Fassung von Paulus Hochgatterer und Nikolaus Habjan
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart (arrangiert von Motonori Kobayashi und Satomi Nishi)

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 15' (keine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 4. September 2020




Theater Dortmund
(Homepage)
Serail im Kinderzimmer

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

"Welche Wonne, welche Lust herrsch nunmehr in meiner Brust." Diese Worte singt Konstanzes Zofe Blonde im zweiten Aufzug aus Mozarts Die Entführung aus dem Serail, wenn sie von dem Diener Pedrillo erfährt, dass Belmonte angekommen ist, um sie alle aus dem Serail zu befreien. Die darin ausgedrückte Freude spricht auch, so Opernintendant Heribert Germeshausen, dem ganzen Team der Oper Dortmund aus dem Herzen. Dann nachdem das Opernhaus fast sechs Monate wegen der COVID-19 Pandemie geschlossen war, kann nun endlich der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden, zwar noch nicht so, wie es ursprünglich geplant war - die für die Eröffnung vorgesehene Premiere Carmen muss auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden -, aber man ist zu Kompromissen bereit. So gibt es Mozarts Singspiel auch nicht in voller Länge sondern in einer gekürzten und den derzeitigen Bedingungen für den Spielbetrieb angepassten Fassung. Motonori Kobayashi hat gemeinsam mit Satomi Nishi ein musikalisches Arrangement für etwas mehr als zehn Musiker*innen erstellt. Das klingt bei der Ouvertüre noch etwas ungewohnt kammermusikalisch in dem großen Haus, aber man gewöhnt sich im Laufe des Abends daran.

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Vater (Nikolaus Habjan) und Sohn (Puppe) tauchen vor dem Schlafengehen in Mozarts Entführung aus dem Serail ein.

Die Inszenierung hat Nikolaus Habjan übernommen, der ab dieser Spielzeit als Hausregisseur an der Oper Dortmund engagiert ist. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei Puppen, die Habjan selbst entworfen und gemeinsam mit seiner Kollegin Marianne Meinl gebaut hat. In der Bauart erinnern die Puppen an Marionetten. Allerdings haben sie keine Fäden. Jede Figur der Oper ist als etwa ein Meter große Tischfigur auf der Bühne zu sehen und agiert in einer Videoprojektion von schwarz gekleideten Puppenspielern bewegt. Des Weiteren gibt es eine Klappmaulpuppe, die in der Premiere von Habjan persönlich bewegt wird und eine Rahmenhandlung zur Oper erzählt. Bei der Klappmaulpuppe handelt es sich um einen kleinen Jungen, der von seinem Vater (Habjan) ins Bett gebracht wird, aber noch nicht schlafen möchte, da er gerade in eine sehr spannende Geschichte vertieft ist. Das große Himmelbett, in dem der Junge liegt und das die Bühne dominiert, kann gleichzeitig als Anspielung auf das Serail verstanden werden. Der Dialog zwischen Vater und Sohn, der zum einen zum Stück führt und im weiteren Verlauf die Handlung immer wieder kommentiert, wirkt wie eine "kindgerechte Bearbeitung" der Oper, die man so sicherlich auch einem recht jungen Publikum präsentieren könnte, um es erstmalig an die Gattung Oper heranzuführen.

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Belmonte (Sungho Kim, links), Konstanze (Irina Simmes, links), Blonde (Sooyeon Lee, rechts) und Pedrillo (Fritz Steinbacher, rechts) sollen hingerichtet werden (in der Mitte: Vater (Nikolaus Habjan) und Sohn).

Während die Tischfiguren die einzelnen Charaktere optisch nachvollziehbar zeichnen, treten die Sängerinnen und Sänger in Schwarz auf und verschmelzen größtenteils mit dem Hintergrund. Die Aktion geht von den projizierten Puppen aus, während die Sängerinnen und Sänger ihnen "nur" ihre Stimme leihen. So können auf ganz natürliche Weise die erforderlichen Abstandsregeln eingehalten werden, ohne dass man dabei zwangsweise an COVID-19 denken muss. Die einzige Figur, die nur als Puppe auftritt und von Habjan eingesprochen wird, ist Bassa Selim. Wenn er Konstanze bedrängt, spielen Projektion und Bühne Hand in Hand. So hat man den Eindruck, dass bei Konstanzes großer Arie im zweiten Akt, "Martern aller Arten", der harte Blick der Puppe aus der Projektion auf Irina Simmes als Konstanze haftet. Wenn der Fluchtversuch gescheitert ist, verschmelzen die Sängerinnen und Sänger im Hintergrund gewissermaßen mit den Puppen, indem die Puppen vor sie projiziert werden. An dieser Stelle wird auch nicht wirklich klar, ob Habjan in seiner gekürzten Fassung dem glücklichen Ende der Geschichte folgt. Am Schluss sieht man nämlich Konstanze, Belmonte, Blonde und Pedrillo als Puppen in der Projektion und ist nicht sicher, ob sie jetzt frei oder vielleicht doch vom Bassa hingerichtet worden sind.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Niveau. Als neue Ensemble-Mitglieder stellen sich Sooyeon Lee als Blonde und Sungho Kim als Belmonte vor. Lee überzeugt mit sauber angesetzten Höhen und klarer Diktion. Mit ihrer Arie "Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln", in der sie kokett Osmins Annäherungsversuche zurückweist, hat sie bereits im Auftaktkonzert drei Tage zuvor einen gelungenen Einstand in Dortmund gegeben. Auch den Jubel in ihrer zweiten Arie "Welche Wonne, welche Lust" setzt Lee mit leuchtenden Koloraturen um. Kim legt den Belmonte mit lyrischem Tenor an und gestaltet die Höhen, ohne dabei zu forcieren. Fritz Steinbacher übernimmt wie schon in der Inszenierung des damaligen Intendanten Jens-Daniel Herzog vor sechs Jahren die Partie des Pedrillo und punktet mit beweglichem Spieltenor. Irina Simmes glänzt als Konstanze mit glasklaren Koloraturen. Ihre erste große Arie "Ach ich liebte, war so glücklich" gestaltet sie mit beinahe zerbrechlich angesetzten Höhen, um Konstanzes Verzweiflung spürbar zu machen. In "Martern aller Arten" zeigt sie sich stimmlich entschlossen, den Drohungen des Bassa zu trotzen.

Star des Abends ist Denis Velev als Osmin. Mit dunkel gefärbtem Bass und wunderbar klarer Diktion gestaltet er den etwas einfältigen Aufseher über das Landhaus des Bassa, der bei aller Bedrohlichkeit doch immer noch eine gewisse Komik innehat. Mit trockener Ironie kommentieren Vater und Sohn dann auch in der Rahmenhandlung seine Einfältigkeit, wenn Osmin in seiner ersten Arie die Gefangenen "erst köpfen und dann hängen" lassen will. Mit Bravour meistert Velev auch die schnellen Läufe in seiner berühmten Arie "Ha, wie will ich triumphieren". Wie die Puppe in der Projektion hat auch Velev den Strick in der Hand, mit dem er die Gefangenen aufhängen will. Motonori Kobayashi lässt aus dem dünn besetzten Orchestergraben einen frischen Mozart-Klang ertönen, so dass es für alle Beteiligten am Ende großen Applaus gibt.

FAZIT

Das Regie-Team um Nikolaus Habjan wählt einen recht "kindgerechten" Ansatz für Mozarts Entführung, der auch sicherlich gut als Einstieg für junge Zuschauer in die Welt der Oper funktioniert.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Motonori Kobayashi /
Sebastian Engel

Regie
Nikolaus Habjan

Kostüme
Denise Heschl

Video und Bühne
Jakob Brossmann

Licht
Florian Franzen

 

Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Puppenspiel
*Nikolaus Habjan /
Manuela Linshalm

Konstanze, Geliebte Belmontes
Irina Simmes

Blonde, Mädchen Konstanzes
Sooyeon Lee

Belmonte
Sungho Kim

Pedrillo, Bedienter Belmontes
Fritz Steinbacher

Osmin, Aufseher über das Landhaus des Bassa
Denis Velev

 


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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