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Der doppelte HoffmannVon Joachim Lange / Fotos: © Candy WelzNoch ein Jubiläum, das in die Spielpläne hineinregiert! Jacques Offenbach wurde vor 200 Jahren geboren. Glaubt man kaum, so frisch und frech kommt seine Musik daher. Zum Beispiel mit Orpheus auf dem Weg in die Unterwelt wie in diesem Festspielsommer in Salzburg bei Barrie Kosky. In dem Stück ist die Gaudi Programm. Das ist Operette, bei der die Fetzen fliegen. Und die Fliegen fetzen, wenn der Chefgott Jupiter ihre Gestalt annimmt, um seinem Hobby des Verführens nachzugehen. Da fliegen die Beine (und Beininnen) nur so beim Teufels-Cancan. Und lassen tief blicken… Muse (in der Mitte) vor expressionistischem Hintergrund
Bei Hoffmanns Erzählungen ist das normalerweise etwas anders. Da wollte der deutsch-französische Großmeister der Operette noch einmal ganz ernsthaft Oper machen. Hat sich sogar das musikalische Schmuckstück seiner frühen Rheinnixen ausgeborgt und damit das Schunkeln der Gondeln auf dem Canale Grande im Giulietta-Akt ausgeschmückt. Ganz fertig geworden ist er mit den Erzählungen nicht mehr. Er starb am 5. Oktober 1880 während einer Probe. Erst ein Jahr später wurde das Werk uraufgeführt. Die überlieferten Fassungen und der Streit darum sind Legion. Was eine gewisse Freiheit beim Umgang mit dem nur fast fertigen Erbstück erlaubt. Es geht der Nachwelt damit so ähnlich wie mit Wagners Tannhäuser. Aber in welcher Version auch immer - die Nummernrevue scheint durch. Ein großer Vorzug, der ziemlich schrägen Weimarer Neuinszenierung von Christian Weise ist das Gefühl für ein Timing, das keine Lücken lässt. Man bleibt bei der Sache. Der musikalische Faden reißt nicht, ist immer gespannt, hängt nie durch. Die gesprochenen Passagen kommen, leicht verfremdet, aus dem Off, bremsen nicht, sondern halten das Tempo. Das so hinzubekommen, das ist eine Glanzleistung. Und es passt zu der grell überzeichneten Ästhetik der Bühne (Paula Wellmann) und der Kostüme (Lane Schäfer). Olympia ist hier wirklich eine Puppe
Arthur Rimbauds berühmtes "Ich ist ein anderer" wird im Falle Hoffmanns personalisiert. Es gibt ihn zweimal. Als Sänger (Chris Lysack) und als Schauspieler (Jan Krauter). So kann - oder könnte - er im Grunde immer auf sich blicken, nach sich suchen. In Weimar verliert er sich bei dieser Suche nicht wie so oft an die Flasche. Das liegt auch daran, dass seine Muse Niklaus nicht nur der Kumpel (oder die Kumpelin) an seiner Seite ist. Als taffe Verlegerin hält sie ihren Starautor bei seinem Selbsterfahrungstripp an der kurzen Leine. Nach dem Motto: wenn schon nicht glücklich im Leben, dann wenigstens produktiv in der Kunst. Das bringt wenigstens was ein. Die Einleitung gibts vor dem noch geschlossenen Vorhang. Für jeden der nach den drei Teil-Traumfrauen Olympia, Antonia und Giulietta benannten Akten gibt es dann eine eigene, mit Lust ausformulierte und auf die Spitze getriebene Ästhetik. Bei Olympia liefern der exzellent von Jens Petereit einstudierte Chor im Stile expressionistischer Figuren den Hintergrund - die Puppe selbst ist tatsächlich die eines Kindes und wird von zwei Puppenspielern geführt. Doch auch ihr Erbauer und seine Hilfskraft stehen hier im Verdacht des mechanisch Puppenhaften. Antonia iin der Pop-Muschel
Antonia trällert sich in einer Art Pop-Muschel zu Tode. Mit einem Testbildvorhang vor einem Fenster mit Blick in eine TV-Klinik. Und Mama und Papa als lebende Bilder im Playmobillook an der Wand. Mit Antonia selbst, als einer künstlich aufgeblasenen Kugelfigur. Giulietta dann ist eine Songcontest-taugliche Kunstfigur im scharfen Glitzermini, mit Schnurrbart und was sonst noch so dazugehört. Selbst ein Schaustück zwischen einem halben Dutzend amüsanter Tableaux vivants im dekadenten SM-Salon. Die Schwänze der venezianischen Löwen wären im Sexshop unter den XXL-Dildos zu finden. Hier schafft eine sparsame aber gut gemachte Choreographie (Alan Barnes) zudem die Klarheit des Zusammenhangs zwischen den "Besuchern", der sich nicht immer von selbst erschließt. Im Ensemble überzeugen vor allem die drei Teil-Traumfrauen Ylva Stenberg als zerbrechliche Olympia Stimme zur Puppe, Emma Moore als kugelrunde Antonia und Heike Porstein als laszive Giulietta. Und natürlich die fantastische Mezzosopranistin Sayaka Shigeshima als Niklaus. Bei den Männern stemmt Oleksandr Pushniak alle Bösewichtrollen (Lindorf, Luther, Coppelius, Dapertutto, Mirakel) kraftvoll und mit schräg kostümierter Präsenz. Alexander Günther steht ihm dabei als Andreas und in den anderen assistierenden Rollen in nichts nach. Enttäuschend blieb (zumindest in der zweiten Vorstellung) ausgerechnet Chris Lysack als Hoffmann, der nur im Giulietta-Akt für Momente mit Höhensicherheit wirklich glänzte. Giulietta als Teil einer Ausstellung
Die Weimarer Staatskapelle und ihr erster Kapellmeister Stefan Lano hingegen sorgten für einen packenden Offenbachklang, integrierten die Playback-Passagen ebenso wie das gelegentliche Knistern des Grammophons. Am Ende fanden sich alle zu einem großartigen Finale zusammen, bei dem auch noch mal die Bühnentechnik zeigt, was sie kann.
FAZIT Am Deutschen Nationaltheater Weimar ist die Neuinszenierung von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen recht schrill. Von der partiellen Empörung, die es da bei der Premiere dem Vernehmen nach gegeben haben soll, war in der zweiten Vorstellung nichts zu bemerken. Die Altersempfehlung ab 16 Jahre wohl eher übervorsichtig….. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Sänger
Olympia
Giulietta / Stella
Antonia
Andreas / Cochenille / Pitichinaccio / Franz
Lindorf / Luther / Coppelius / Dapertutto / Mirakel
Niklaus / Muse
Stimme der Mutter
Hoffmann
Hoffmann Double
Spalanzani
Crespel
Nathanael
Schlemihl
Puppenspielerinnen
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