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Psycho-Thriller im Geiste Oscar Wildes
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte "Man töte dieses Weib": Nein, so einfach lässt sich diese Salome nicht aus der Welt schaffen nach allem, was gerade passiert ist. Und so ist es Stiefvater Herodes, der am Ende stirbt. Das allerdings ist der einzige nennenswerte Eingriff von Regisseur Anthony Pilavachi in das Libretto, während er ansonsten mit akribischer Genauigkeit die Geschichte nacherzählt. Wobei ziemlich viel Oscar Wilde, dessen Salome-Drama (in der deutschen Übersetzung von Hedwig Lachemann) Richard Strauss als Grundlage für sein Libretto diente, zu sehen ist - die Inszenierung besitzt eine Genauigkeit in der Personenführung, wie man sie eher vom Schauspiel als von der Oper kennt, formuliert beispielsweise auch die Nebenfiguren bis ins Detail aus und verlangt dem Ensemble bis in Gestik und Mimik allerhand ab - was bravourös umgesetzt wird. Das Ergebnis ist ein durch und durch fesselnder Opernabend. So sieht er aus, der geheimnisvolle Prophet - und nicht mehr lange kann Hauptmann Narraboth Salome zurückhalten
Pilavachi verschiebt dabei die Zeiten: Seine Geschichte spielt, ganz exakt lässt sich das nicht festlegen, um das Jahr der Uraufführung 1905 herum. Über einem doppelten Treppenaufgang, der einen Hof einschließt, erhebt sich ein vergoldeter Saal, der an die Wiener Secession denken lässt, auch an Gustav Klimt, und durch die geöffneten Türen sieht man Herodes' Gesellschaft speisen. Die Herren tragen Frack, die Damen Kleider, die auf die 1920er-Jahre hindeuten, die Soldaten zeitlos-moderne Uniformen und exotische Turbane, was zu einer leichten Verfremdung führt. Es bleibt also eine zeitliche Unschärfe. Der Page ist ein Dandy, was ebenso wie seine deutlich gezeigte Liebesbeziehung zum Hauptmann Narraboth darf man sicher als Hommage an Oscar Wilde verstehen. Die prachtvolle Ausstattung (Markus Meyer) erweist sich aber auch als sehr funktional; Pilavachi versteht es ausgezeichnet, seine Figuren zu platzieren, gleichzeitig Abstufungen zu schaffen: Wer gerade wichtig ist, der steht auch im Zentrum, und doch sind die anderen am Rande sichtbar. Man sieht beispielsweise das Entsetzen der beiden Nazarener, die in Jochanaan einen wahren Propheten erkennen, angesichts dessen Enthauptung, und so hält Pilavachi gleichzeitig mehrere Erzählstränge präsent. Natürlich das Drama der Prinzessin Salome um das Erwachsenwerden, aber eben auch das religiös-politische Drama, die widerstreitenden Parteien am Hof und die Fragilität des überkommenen Herrschaftssystems des Herodes. Der "Tanz der sieben Schleier" im Stil des Serpentinen-Tanzes von Loïe Fuller
Salome ist ein viel gespieltes Stück, und in jüngerer Zeit hat es an Rhein und Ruhr etliche Deutungen gegeben, die den offensichtlichen sexuellen Missbrauch Salomes durch Herodes ("Kann sein, ich hab' dich zu lieb gehabt", singt er) ins Zentrum stellen wie vielleicht am deutlichsten bei Tatjana Gürbaca an der Rheinoper. Anthony Pilavachi enthält sich solcher Deutungen, am ehesten ahnt man noch die Entwicklung Salomes. Aber er zeigt mit seiner Genauigkeit, wie genial Strauss' dramaturgisches Gespür in dieser Oper ist. Die Geschichte entwickelt soghafte Spannung auf das Ende hin. Heikel bleibt, wie immer, der "Tanz der sieben Schleier", denn Dorothea Herbert, die Darstellerin der Salome, ist weder vollschlankes Revue-Girl noch eine besonders gute Tänzerin. Pilavachi deutet dennoch ein wenig Striptease an, auch Modetänze der Varietés, schließlich den Serpentinen-Tanz, mit dem die amerikanische Tänzerin Loïe Fuller um 1900 zur Sensation in den Folies Bergère wurde, was insgesamt recht gut funktioniert. Eine Familientherapie wäre angebracht: Herodias, Salome und Herodes
Die Titelpartie singt die junge Dorothea Herbert, mit Beginn dieser Spielzeit Ensemblemitglied im Theater Krefeld-Mönchengladbach. Den von Strauss verlangten fast unmöglichen Spagat, mädchenhaft und hochdramatisch zugleich zu singen, bekommt sie noch nicht in allen Momenten hin, mitunter fehlt der immer kontrolliert geführten Stimme die Durchschlagkraft, aber der volle, durchaus dramatische, auch in den Spitzentönen noch klangschöne Sopran lässt aufhorchen - ein mitreißendes Debut an diesem Theater (die Rusalka wird in dieser Spielzeit folgen, darauf darf man sehr gespannt sein). Großartig ist der als Gast für diese Partie verpflichtete Markus Petsch als Herodes, den er mit pointiertem und schlagkräftigem, dabei nicht knalligem Tenor singt und mit ungeheurer Präsenz spielt. Stimmlich kann Eva Maria Günschmann als Herodias nicht ganz mithalten, dazu fehlt ihr das stimmliche Volumen, doch sie verleiht der Figur eine geheimnisvolle Würde. Johannes Schwärsky ist ein donnernder, kraftvoller Jochanaan, sehr vielschichtig gezeichnet. Und sehr beachtlich singt David Estaban mit schwärmerischem Tenor den zwischen Salome und dem Pagen (klangschön: Susanne Seefing) hin- und hergerissenen Hauptmann Narraboth. In dieser Silberschüssel möchte Salome von Herodes das Haupt des Propheten Jochanaan serviert bekommen
Auch in den kleineren Partien wird durchweg gut gesungen (kleine Pointe bei dieser Premiere: Weil Hayk Deinyan als erster Nazarener indisponiert war, spielte er nur; gesungen wurde eindrucksvoll von Matthias Wippich, der sowieso als erster Soldat auf der Bühne steht). Und GMD Mihkel Kütson am Pult der guten Niederrheinischen Sinfoniker findet einen überzeugenden Weg zwischen den Schroffheiten der Partitur, impressionistischen Klangfarben und süffiger Walzerseligkeit, ohne die Sänger zuzudecken. Großer Jubel für einen außerordentlich gelungenen Saisonauftakt.
Empfehlenswert: Anthony Pilavechi zeichnet die Salome als höchst spannenden Krimi zwischen fin de siecle und Moderne ganz nah am Libretto, und das ungemein spielfreudige Ensemble singt mit einer tollen Hauptdarstellerin auf ausgezeichnetem Niveau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Herodes
Herodias
Salome
Jochanaan
Narraboth
Ein Page / Sklave
1. Jude
2. Jude
3. Jude
4. Jude
5. Jude
1. Nazarener
2. Nazarener
1. Soldat
2. Soldat
Ein Cappadocier
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