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Don Carlos

Oper in fünf Akten
Libretto von Joseph Méry und Camille du Locle nach Friedrich Schiller
Musik von Giuseppe Verdi

In französischer Sprache mit französischen, niederländischen, deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 40' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 30. Januar 2020

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Große Oper in opulenter Ausstattung

Von Thomas Molke / Fotos: © Opéra Royale de Wallonie-Liège

Von den vier Schiller-Vertonungen, die Giuseppe Verdi komponiert hat, stellt Don Karlos, Infant von Spanien nicht nur die populärste und weltweit am meisten gespielte Oper dar. Verdi hat sich auch mit keinem anderen Werk länger auseinandergesetzt. Von 1866 (Paris) bis 1886 (Modena) entstanden insgesamt sieben Fassungen, teils in französischer, teils in italienischer Sprache, mal mit fünf Akten, mal nur mit vier, dann mit Balletteinlage oder ohne, so dass sich jedes Theater zunächst die Frage stellen muss, welche Version zur Aufführung gelangen soll. An der Opéra Royal de Wallonie in Liège ist dabei die Wahl auf eine französische Fassung gefallen, die Intendant und Regisseur Stefano Mazzonis di Pralafera als das "Original" betrachtet, da Verdi die Oper ja ursprünglich für Paris in französischer Sprache komponiert habe. Dabei greift Mazzonis di Pralafera allerdings nicht auf die sogenannte "Urfassung" von 1867 zurück, sondern geht noch ein Jahr weiter zurück. Bereits 1866 legte Verdi nämlich eine als "Version des répétitions" bezeichnete Fassung vor, aus der für die  Uraufführung am 11. März 1867 einige Arien gestrichen und durch das für die Grand opéra obligatorische Ballett ersetzt wurden. Mazzonis di Pralafera fügt diese Arien wieder ein und verzichtet stattdessen auf die Balletteinlage "La Pérégrina" zum Beginn des dritten Aktes. Heraus kommt ein Abend, der es in der Länge durchaus mit der Aufführung einer Wagner-Oper aufnehmen kann, wobei es allerdings, anders als bei Tristan, Parsifal und Co., nur eine Pause gibt. Immerhin hat man sich in Liège aus diesem Grund entschlossen, die Aufführung nicht erst um 20.00 Uhr sondern bereits um 19.00 Uhr beginnen zu lassen, damit das Publikum das Theater noch vor Mitternacht verlassen kann.

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Carlos (Gregory Kunde) und Elisabeth (Yolanda Auyanet) verlieben sich in Fontainebleau.

Wie schon bei Verdis Jérusalem, der französischen Fassung von I Lombardi alla prima crociata, vor drei Jahren (siehe auch unsere Rezension) setzt Mazzonis di Pralafera mit seinem Regieteam erneut auf eine sehr opulente Ausstattung, die die Oper mit aufwändig gestalteten Kostümen (Fernand Ruiz) und bombastischen Bühnenbildern (Gary Mc Cann) in der Zeit verorten, in der die Handlung angelegt ist. Mc Cann hat dabei drei hochragende Bühnenelemente entworfen, mit denen variabel eindrucksvolle unterschiedliche Tableaus in den einzelnen Akten geschaffen werden können. Das einzige Manko ist vielleicht, dass die erforderlichen Umbauten zwischen den einzelnen Szenen den Abend noch weiter zeitlich ausdehnen. Optisch lohnt sich der Aufwand in jeder Hinsicht. So formen die drei Bühnenelemente mal eine durchgehende Häuserfront in den Straßen Spaniens, durch die die Ketzer beim Autodafé getrieben werden. Dann bilden sie mit einem aus dem Schnürboden herabgelassenen Gitter die Zelle, in der Carlos anschließend eingesperrt ist. Mit der Rückseite lässt sich aus diesen Elemente ein Säulengang formen, in dem die Begleiterinnen der Königin flanieren oder Elisabeth mit Eboli bei den Feierlichkeiten im Garten ihre Masken tauscht. Angereichert werden diese großartigen Bilder noch durch nicht weniger opulente Details wie einen riesigen Springbrunnen oder sauber geschnittene Bäume. Eindrucksvoll gelingt auch das Kloster Saint-Just, in dem in der Mitte eine riesige Statuengruppe mit Karl V. thront. Hier wird auch am Ende der Oper nicht mit Magie gespart, wenn sich das Bühnenelement öffnet und Carlos in den aus dem Hintergrund aufsteigenden Nebel eintaucht und verschwindet.

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Freundschafts-Duett in Saint-Just: Carlos (Gregory Kunde, links) und Rodrigue (Lionel Lhote, rechts) (in der Mitte: ein Mönch (Patrick Bolleire) als Karl V.)

Mazzonis di Pralafera räumt der Figur des toten Königs Karl V. eine besondere Rolle in seiner Inszenierung ein, indem er von Anfang an den im Libretto auftretenden Mönch im ersten Bild des zweiten Aktes mit dem Geist des verstorbenen Königs gleichsetzt und ihn in zahlreichen Szenen als stillen Beobachter auftreten lässt. Hinter dem Vorhang, der als Prospekt eine Art Stillleben mit einem Totenkopf und einer Schriftrolle zeigt, sieht man schon zu Beginn der Oper den Mönch in einer braunen Kutte, der wie ein mahnendes Denkmal in die Handlung führt und sich mit seiner Krone unter der Kapuze und einem Zepter in der Hand als Karl V. zu erkennen gibt. Ansonsten wird eine ausgefeilte Personenregie allerdings häufig den opulenten Tableaus geopfert, so dass die Figuren oft nur an der Rampe stehen und singen. Besonders bei Gregory Kunde als Don Carlos hat man das Gefühl, dass er die Rolle des jungen Infanten gar nicht spielt, sondern nur auf das Treffen der richtigen Töne bedacht ist. In den Szenen mit Yolanda Auyanet als seiner Stiefmutter Elisabeth wirkt er häufig völlig unbeteiligt, vor allem im fünften Akt, wenn die beiden in ihrem großartigen Duett voneinander Abschied nehmen. Auch seine Freundschaft zu Rodrigue lässt im zweiten Akt im Kloster Saint-Just und im vierten Akt im Kerker eine gewisse Wärme in der Darstellung vermissen. Ebenso verpufft szenisch die Auseinandersetzung mit Eboli im dritten Akt.

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Intrigen am spanischen Hof: von links: Rodrigue (Lionel Lhote), Philippe II. (Ildebrando d'Arcangelo), Elisabeth (Yolanda Auyanet) und Eboli (Kate Aldrich)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf insgesamt gutem Niveau. Yolanda Auyanet wird vor der Vorstellung von Mazzonis di Pralafera als indisponiert angesagt, was sich auch nicht überhören lässt. Die hohen Töne setzt sie sehr diszipliniert an, so dass sie sauber erklingen, allerdings den Glanz vermissen lassen, den Auyanet der Elisabeth bei einer besseren Verfassung sicherlich verliehen hätte. So beginnt man schon im ersten Akt zu zittern, ob ihre Stimme bis zum Schluss durchhält. Aber Auyanet meistert auch ihre große Arie im fünften Akt noch beachtlich. Dass sie auch im Spiel etwas angestrengt wirkt, mag an der großen Anspannung liegen, mit der sie wirklich ihr Bestes gibt. Kate Aldrich legt die Prinzessin Eboli recht verführerisch an. Ihr Mezzosopran lässt in der Schleier-Arie im zweiten Akt allerdings die Leichtigkeit und den Witz vermissen, der eigentlich der Geschichte innewohnt. So klingen Aldrichs Koloraturen in den Läufen recht angestrengt und bisweilen gequetscht. Das große Terzett mit Carlos und Posa im dritten Akt legt sie mit dunklem Mezzo sehr bedrohlich an, allerdings verpufft die Wirkung durch die blasse Personenregie. Umso deutlicher macht sie ihre Liebe zu König Philippe II., dem sie durch den Verrat schließlich die Königin opfert. Mit großer Dramatik gestaltet sie ihre große Arie "Ô don fatal et détesté", wobei auch hier die hohen Töne ein wenig angestrengt klingen. Gregory Kunde verfügt in der Titelpartie über einen kräftigen Tenor, der nur im ersten Akt in den Höhen ein wenig forcieren muss, anschließend aber enorm Fahrt aufnimmt. Blass bleibt Kunde nur in der Darstellung.

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Abschied in Saint-Just mit fatalen Folgen: von links: Großinquisitor (Roberto Scandiuzzi), Philippe II. (Ildebrando d'Arcangelo), Mönch (Patrick Bolleire), Carlos (Gregory Kunde) und Elisabeth (Yolanda Auyanet) (im Hintergrund rechts: Chor)

Keine Wünsche offen lässt Lionel Lhote als Rodrigue. Mit markantem Bariton punktet er im berühmten Freundschafts-Duett mit Kunde im zweiten Akt und bewegt mit großartigem Ausdruck in seiner Todesszene im vierten Akt, wenn er von Carlos Abschied nimmt. Ildebrando d'Arcangelo wirkt als Philippe II. optisch fast jünger als sein Sohn Carlos, glänzt aber mit einem profunden Bass. Seine berühmte Arie "Elle ne m'aime pas" im vierten Akt avanciert in d'Arcangelos melancholischer Interpretation zu einem Glanzpunkt des Abends. Großartig gestaltet er auch die Szene mit Lhote im dritten Akt, wenn Philippe II. beschließt, Posa zu seinem Vertrauten zu machen. Einen weiteren Höhepunkt stellt seine Auseinandersetzung mit dem Großinquisitor dar, der von Roberto Scandiuzzi mit dunklem Bass angelegt wird. Auch darstellerisch strahlt Scandiuzzi mit seiner Größe und seiner Mimik eine enorme Autorität aus, die von seiner voluminösen Stimme noch unterstrichen wird. Wie ein Rächer thront er beim Autodafé neben dem König und lässt die Härte der Inquisition spürbar werden. Hier findet Mazzonis di Pralafera mit großen Tableaus eindrucksvolle Bilder. Gewaltiges leistet auch der von Pierre Iodice einstudierte Chor, der sich als vom Krieg geknechtetes französisches Volk im ersten Fontainebleau-Akt sehr zurücknimmt, beim Autodafé oder der Befreiung Carlos' stimmlich allerdings zu einem gefährlichen Mob anschwillt. In den kleineren Rollen überzeugen Patrick Bolleire als Mönch und Karl V., der der Figur mit dunklem Bass enorme Autorität verleiht, und Louise Foor, die mit leuchtendem Sopran beim Autodafé als Stimme aus dem Himmel zu hören ist. Paolo Arrivabeni führt das Orchester gewohnt souverän durch den langen, aber musikalisch nie langweiligen Abend. Das Publikum zeigt sich nach den mehr als viereinhalb Stunden sehr begeistert und spendet großen Beifall.

FAZIT

Wer traditionelle Operninszenierungen mag, wird in der opulenten Ausstattung in vollem Umfang auf seine Kosten kommen. Musikalisch ist vor allem die verwendete Version interessant, die man in dieser Vollständigkeit selten zu hören bekommt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung
Stefano Mazzonis di Pralafera

Bühnenbild
Gary Mc Cann

Kostüme
Fernand Ruiz

Licht
Franco Marri

Chorleitung
Pierre Iodice

 

Orchester und Chor
der Opéra Royal de Wallonie-Liège


Solisten

Don Carlos
Gregory Kunde

Philippe II
Ildebrando d'Arcangelo

Elisabeth de Valois
Yolanda Auyanet

La Princesse Eboli
Kate Aldrich

Rodrigue, Marquis de Posa
Lionel Lhote

Le Grand Inquisiteur
Roberto Scandiuzzi

Un Moine
Patrick Bolleire

Thibault
Caroline de Mahieu

Le Comte de Lerme / Un Héraut royal
Maxime Melnik

Une Voix d'en haut
Louise Foor

Députés flamands
Patrick Delcour
Roger Joakim
Emmanuel Junk
Jordan Lehane
Samuel Namotte
Arnaud Rouillon

Coryphée
Alexei Gorbatchev

La Comtesse d'Aremberg
Pauline Maréchal

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

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