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Große Oper als subtiles KammerspielVon Christoph Wurzel / Fotos: © Matthias BausFür die Neuinszenierung des Lohengrin an der Staatsoper Stuttgart braucht der Regisseur Árpád Schilling keine bunten Kulissen und seien sie von einem noch so berühmten Maler geschaffen. Es reicht ihm der vom Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt vollkommen schwarz ausgekleidete tiefe Bühnenraum. Denn Schilling erweist sich als ein Meister subtiler Personenführung, so kann er in diesem nahezu leeren Raum die große Oper gleichsam als psychologisches Kammerspiel inszenieren. Umso wirkungsvoller heben sich dazu im starken Kontrast die Chorszenen hervor und besonders die zwölf aufmarschierenden Trompeter im 3. Akt. Vor allem aber agieren die Sängerdarsteller darin in derart packender Intensität, dass Wagners "romantische Oper" spannend bis zur Beklemmung wird. "Der Rache Werk sei nun beschworen": Ortrud (Okka von der Damerau) und Telramund (Martin Gantner), 2. Akt, 1. Szene Als politische Parabel will Schilling die Oper verstanden wissen und hat in diesem Sinne den Autor auf seiner Seite, den vormärzlich oppositionellen Dichter und Komponisten Richard Wagner, der im Volkskönigtums sein Ideal sah als wahrhaft legitimer Repräsentation einer ersehnten neuen Ordnung. Ist aber der Retter aus der Not in Wagners frühem, romantisch schwärmerischen Opernwerk vom Gral gesandt, dadurch geheiligt, sakrosankt und per se rein, so stellt Schilling ihn nun als ganz und gar weltlichen Tribun dar, ohne Heiligenschein, mit nicht nur sympathischen Attributen der Macht. Lohengrin ist hier ein Mann aus dem Volke, kein Held, der souverän und strahlend aus der Ferne kommt. In dieser Inszenierung ist der "Retter von Brabant" das Produkt einer verunsicherten und vom König mit martialischen Worten über drohende Gefahren aus dem Osten verängstigten Gesellschaft, die einen Erlöser braucht, den sie quasi aus ihrer Mitte gebiert. Zum Zweikampf mit Telramund muss er erst gedrängt werden. Auch führt kein zauberhafter Schwan diesen Helden nach Brabant. Schüchtern streckt Lohengrin bei seiner Ankunft stattdessen der erwartungsvollen Elsa ein kleines Kuscheltier in Schwanengestalt entgegen. Nur noch als ironisches Symbol für den Wunderglauben des Volkes taugt bei Schilling der Schwan oder als kitschiges Accessoire bei der Hochzeitsfeier, wenn die Brabanter sechs Schwäne auf einem Band aus blauen Jacken drapieren. "Wer ist er, der ans Land geschwommen, geführt von einem wilden Schwan?": Lohengrin (Michael König), Elsa (Simone Schneider), König Heinrich (Goran Juric), Telramund (Martin Gantner) und Chor Mehr und mehr gewinnt Lohengrin an Selbstbewusstsein, hält die Macht fester in den Händen: ein Führer, zwar demokratisch bestimmt, aber autokratisch auftretend - wer dächte da nicht an die Situation in Ungarn, Schillings Heimatland? Das Volk macht's möglich: Elsa duldet das Frageverbot, die Mannen heben Lohengrin lautstark auf ihren Schild. Eine gesichtslose Masse ist dieses Volk von Brabant zuerst, in Einheitsgrau gekleidet. Erst nach und nach individualisiert es sich in bunter Kleidung, nachdem es in Lohengrin seines Retters sicher zu sein scheint. Nur Telramund und Ortrud verfolgen eigene Interessen. Großartig sind sie gezeichnet: er als grauer Apparatschik, sie als herrische Lady, der selbst die Macht verschlossen blieb. Der Dialog der beiden Intriganten zu Beginn des 2. Akts wird zur packendsten Szene dieser Inszenierung. Mit Martin Gantner und Okka von der Damerau stehen aber auch zwei exzellente Sängerdarsteller (beide als Gäste) auf der Stuttgarter Bühne, die den Intentionen der Regie höchst eindrucksvoll folgen. Nachdem Elsa das Frageverbot gebrochen hat, ist Lohengrins Macht dahin. Als Gescheiterter singt er die Gralserzählung, gleichsam als Klage über ein zerronnenes Ideal. "Seht da den Herzog von Brabant! Zum Führer sei er euch ernannt!": Elsa (Simone Schneider), Chor, Ortrud (Okka von der Damerau, auf dem Podest) Mit einem Coup endet die Oper. Das Volk hat sich drohend gegen Elsa gewandt, die es für Lohengrins Verschwinden verantwortlich macht. Und nicht wie bei Wagner wird ihr verschwundener Bruder Gottfried nun als legitimer Herrscher aus einem Schwan wiedergeboren, sondern Ortrud greift aus dem Volk willkürlich einen Mann heraus, den sie triumphierend präsentiert: Der nächste Führer ist geboren. Ein beklemmendes Ende! Das glänzende Gesangsensemble macht diese Produktion neben der überzeugenden Regie zu einem Ereignis. Zwar als indisponiert angesagt singt Simone Schneider die Partie der Elsa vielleicht etwas verschnupft, aber mit lyrischem Ausdruck und in absolut reiner Tongebung. Großes Format gewinnt die Titelfigur in der Gestaltung durch Michael König. Sein Tenor vereint Strahlkraft mit inniger Wärme. In der Gralserzählung beweist er seine überragende Legatokunst. Goran Juric gibt Heinrich dem Vogler (historisch König Heinrich I.) stimmliche Macht und herrische Festigkeit. Als Heerrufer bewährt sich aus dem Ensemble Shigeo Ishino mit voluminösem Bass. Nicht zuletzt aber ist zum wiederholten Male der Stuttgarter Chor ein Glanzpunkt des Abends, ein Kollektiv höchst nuanciert im Gesang und ebenso überzeugend im Spiel. Für Cornelius Meister ist diese erste Premiere der Spielzeit zugleich auch sein Einstieg als GMD in Stuttgart. Den hat er dem Jubel des Publikums nach glänzend bestanden. Entsprechend zur Szene gewinnt unter seinem Dirigat Wagners Lohengrin enorme Dramatik und innere Spannung. Er nutzt die ganze Breite dynamischer Möglichkeiten geschickt aus, den lyrisch empfindsamen Stellen gibt er mit subtiler Gestaltung ebenso Raum, wie er die wuchtige Klangpracht der großen Chortableaus herausstellt, jedoch nie zu Lasten der Textverständlichkeit. Das Stuttgarter Staatsorchester spielt eindrucksvoll klangschön: eine Wucht das Blech, farbenreich die Holzbläser und die Streicher präsent in Artikulation und Ausdruck. FAZIT
Bravi für
diesen gelungene Einstand der neuen Opernleitung in Stuttgart: Viktor
Schoner als Intendant für die exzellente Wahl des Regisseurs
dieser spannenden Produktion und Cornelius Meister für sein
dramatisches und zugleich filigranes Dirigat. |
ProduktionsteamMusikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Mitarbeit Kostüme
Licht
Dramaturgie
Chor
Solisten
Heinrich der Vogler
Lohengrin
Elsa von Brabant
Friedrich von Telramund
Ortrud
Der Heerrufer des Königs
Erster Edler
Zweiter Edler
Dritter Edler
Vierter Edler
Vier Edelknaben
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- Fine -