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Wir wollen lachen und nicht denken Von Ursula Decker Bönniger / Fotos: © Oliver Berg
Als vorletzte Musiktheaterpremiere der Spielzeit 2018/19 zeigt das Theater Münster eine Neuinszenierung der Oper Die Liebe zu den drei Orangen von Sergej Prokofjew. Im Klassiker der Opernführer, Rudolf Kloiber’, Wulf Kobold’ und Robert Maschkas „Handbuch der Oper“ (12. Aufl. München/Kassel November 2007) findet man eine sehr ausführliche Inhaltsangabe, die die Vielschichtigkeit dieses komplexen, satirisch grotesk-surrealen Werkes in seiner Gänze darstellt. Die Länge der Auftragskomposition für die Chicago Opera Company, die 1921 aufgeführt wurde, wird dort mit drei Stunden angegeben. Münster hat sich für eine Fassung von zwei Stunden 20 Minuten inklusive Pause entschieden. „Enjoy the show“ heißt es zu Beginn. Aber viel mehr als eine peppig, klamaukig erzählte Handlung im Spielzeugland sollte man nicht erwarten. Ensemble Sebastian Ritschel, der auch für die aufwendige Kostümierung verantwortlich zeichnet, verortet das Märchen im Casino. Gleich zu Beginn wirft man einen Blick auf Spielautomaten in Glühbirnen gerahmten Guckkästen, die auf eine Extrabühne gestellt sind. Der Prinz sitzt in Rückenansicht, einsam am einarmigen Banditen, während der Vater die Spielsucht des Thronerben beweint. Weder medizinische Versuche noch die Unterhaltung bei Hofe vermögen es, den jungen Mann von seiner „hypochondrischen Depression“ zu heilen. Auch der mächtige Magier Tschelio und die Zauberin Fata Morgana verhandeln das Schicksal am bzw. auf dem Spieltisch. Der erste Minister Leander und die Nichte des Königs Prinzessin Clarisse sind zu mechanisch bewegten Puppen degradiert. Selbst die verschiedenen Chorgruppen bzw. das Ballett der Teufelchen – egal ob Lächerliche, Komische, Tragische, Lyrische, Hohlköpfe oder Hofgesellschaft – erscheinen als einheitlich kostümierte, Spielkarten und Geld werfende oder neckisch sich bewegende Spielfiguren. Orangenbar (3. Akt) mit Prinz (Garrie Davislim) und Köchin (Michael Zehe) Spaßmacher Truffaldino tritt als als glückloser Entertainer in blauem Glitzerkostüm auf. Als „grotesken“ Tanz präsentiert er Moon-Walk, Hiphop-Einlage oder eine an Otto Waalkes erinnernde Gangart. Die „Missgeburten“ sind ihrer kurvigen Figur beraubte Bikinigirls, die mit leicht anzüglichen Druckbewegungen den Orangen wohl bzw. eklig mundende Coctails entlocken. Hin und wieder laufen mechanische Ratten über die Bühne. Doch niemand lacht. Auch der Prinz im Märchen nicht. Es ist schließlich die Schadenfreude darüber, die große Zauberin Fata Morgana auf den Rücken fallen und ihre hoch in die Luft gereckten Beine zu sehen, die den Prinzen verwandelt und heilt. Als Rache verflucht Fata Morgana ihn, sich in drei Orangen zu verlieben. Kreontas Palast ist eine überdimensionale Orangenbar mit einer kurvigen Monroe-Transvestitenköchin. Ein Trio in neckischen Tütüs mit Orangenhäubchen bringt Mini-Dreirädern mit Anhängern Wasser für die schöne Ninetta. Auch der letzte Versuch, die Königsfamilie von einer glücklichen Zukunft abzuhalten scheitert. Ratte Ninetta verwandelt sich auf Intervention Tschelios zurück in die junge Schöne, sodass einer Zukunft mit dem Prinzen nichts mehr im Wege steht. Die Bösen fliehen. König und Hofstaat jubeln. Sieht man einmal vom Prolog, wo Chorgruppen aus Tragischen, Komischen, Lyrischen und Hohlköpfen über die Ausrichtung des Abends streiten und zumindest am Premierenabend das begleitende Orchester kaum zu hören war, ab, so gelingt den Gesangssolisten, dem Chor und Extrachor des Theater Münster sowie dem Sinfonieorchester Münster unter der Leitung Golo Bergs ein rhythmisch bewegtes, Klamauk akzentuierendes Spiel. Passend auch das kontrastierende Mouth-Drumming zur Tanzeinlage Truffaldinos. Besonderen Applaus erhielten Chor und Extrachor für ihre homogene, textverständliche, schauspielerisch aufgelockerte Darbietung. Ebenso Pascal Herington als Truffaldino. Er begeisterte das Premierenpublikum nicht nur gesanglich sondern auch mit Tanz und Entertainment. Stephan Klemm verleiht dem leidenden Vater den notwenigen ironischen Touch. An seiner Seite singt und spielt überzeugend Filippo Bettoschi den Vertrauten Pantalone. Garrie Davislim verleiht dem Prinzen jugendliche Frische. FAZIT Die Inszenierung verkürzt auf Märchenhandlung und Unterhaltung und vernachlässigt die Vielschichtigkeit des Werks.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne (nach Entwürfen von)
Kostüme
Mitarbeit Kostüme
Video
Choreinstudierung
Dramaturgie
Sinfonieorchester Münster
Solisten König
Treff Prinz Prinzessin
Clarice Leander / 2.
Arzt Truffaldino Pantalone /
Herold Celio,
Zauberer Fata Morgana, Zauberin Linetta Nicoletta Ninetta Köchin / Farfarello / 3.
Arzt Smeraldine Zeremonienmeister /
1. Arzt
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