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Musiktheater
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Die Prinzessin von Trapezunt

Operette von Jacques Offenbach
In der kritischen Edition von Jean Christophe Keck
Libretto von Charles Nuitter und Etienne Tréfeu
Musikalische Einrichtung von Adam Benzwi
Texteinrichtung von Max Hopp unter der Verwendung der Fassungen von Julius Hopp und Harald Kunz

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden, 30 Minuten (1 Pause)

Premiere im Stadttheater Hildesheim des Theaters für Niedersachsen am 3. März 2019



Theater für Niedersachsen
(Homepage)

Haute Cuisine mit Ketchup und Majo

von Bernd Stopka / Fotos: Jochen Quast

Das Theater für Niedersachsen entwickelt sich weiter zum „Spezialitäten-Theater“. Nach Tschaikowskys Die Pantöffelchen steht in dieser Spielzeit eine weitere Ausgrabung auf dem Spielplan: Mit Die Prinzessin von Trapezunt feiert das Haus den 200. Geburtstag Jacques Offenbachs. Galt diese französische Operette zu Offenbachs Lebzeiten als eines seiner gelungensten Werke, war sie nach dem 1. Weltkrieg kaum mehr auf den Spielplänen zu finden. Dabei sprüht diese Musik nur so von Geist und Esprit, von Witz und Ironie – Offenbach at his best.

 Foto folgt
von links: Meike Hartmann (Zanetta), Katharina Schutza (Paola), Levente György (Cabriolo), Neele Kramer (Regina), Jan Rekeszus (Tremolini)

Die Geschichte ist relativ einfach: Auf einem Jahrmarkt wird Cabriolos Gauklertruppe von einem Lotteriestand das Wasser abgegraben, denn dort ist als Hauptgewinn ein Schloss ausgerufen. Cabriolos Hauptattraktion ist ein Wachsfigurenkabinett und darin eine Figur der Prinzessin von Trapezunt. Aus Versehen bricht Cabriolos Tochter Zanetta der Figur die Nase ab und muss nun selbst ihren Platz einnehmen. Der ausgebüxte junge Prinz Raphael verliebt sich auf den ersten Blick in Zanetta, die er für die besagte Wachsfigur hält. Statt des Eintrittsgeldes hatte er Cabriolo ein Los der besagten Lotterie gegeben, das nun den Hauptgewinn erhält.

Cabriolo ist mit seinen beiden Töchtern, Zanetta und Regina, seiner Schwester Paola und dem in Regina verliebten Clown Tremolino in das Schloss gezogen. Aber sie langweilen sich und sehnen sich nach dem bunten Jahrmarktsleben zurück, zumal auch die Nachbarn von den Neureichen nichts wissen wollen.  Eine vorüberziehende Jagdgesellschaft wird von Fürst Kasimir und seinem Sohn Prinz Raphael angeführt. Zanetta und Raphael erkennen einander wieder, und weil Raphael die Wachsfiguren so gut gefallen, lädt sein Vater die ganze Sippe nebst Wachsfigurensammlung zu sich ein.

Heimlich besucht der Prinz jede Nacht seine „Wachsfigur“ Zanetta, wird aber von drei Pagen dabei beobachtet. Die Paare finden sich und verabreden sich zufällig alle zur gleichen Zeit im Wachsfigurenkabinett, was zu einiger komischer Verwirrung führt. Um mit Zanetta allein zu sein, hatte sich der Prinz mit Zahnschmerzen von der Jagd abgemeldet, die sein Vater – den Trick aus seiner eigenen Jugend durchschauend – allein antrat und nun überraschend früher zurückkommt. Doch er kann nichts weiter unternehmen, weil sich herausstellt, dass er selbst ja auch einmal ein Verhältnis mit einer Zirkusakrobatin hatte, die just in dieser Truppe... Tschingbum und Dideldum und Happy End.

foto folgtvon links: Meike Hartmann (Zanetta), Levente György (Cabriolo), Neele Kramer (Regina), Katharina Schutza (Paola)


In Hildesheim nähern sich der Regisseur Max Hopp und der musikalische Leiter Adam Benzwi dem Werk auf sehr individuelle Weise. Benzwi ist dafür bekannt, die von ihm dirigierten Werke gründlich zu überarbeiten, was er auch hier ausgiebig getan hat. Das Orchester besteht aus wenig mehr als 20 Musikern, dafür ist der Orchestergraben höhergelegt. Benzwi dirigiert vom Klavier aus – einem Instrument, das in den Fassungen Offenbachs nicht zu finden ist und dessen Einsatz ein bisschen nach fahrender Opern- und Operetten-Truppe klingt, die kein großes Orchester mit sich führt. Oft lässt er die Singstimmen nur von einzelnen Instrumenten begleiten oder erfindet neue Kombinationen. Ferner bewegt er sich auf Offenbachs Pfaden, in dem er im Sinne des Théâtre des Bouffes-Parisiens die klassisch ausgebildeten Sänger nicht durchweg im „Opern-Modus“ singen lässt, sondern sie ihre Partien stilistisch und technisch vielfältig variieren lässt. Das alles mag sich historisch mehr oder weniger begründen lassen, wirkt aber doch eher wie ein Zwischending von zeitgenössischer Aufführungspraxis und dem Versuch, Offenbachs Musik „aufzupeppen“ – was sie nun wirklich nicht nötig hat. Und natürlich ist die Bearbeitung eines bekannten Werkes für das Publikum immer interessanter und spannender, weil es Vergleichsmöglichkeiten hat.  Hier fragt man sich immer wieder: Ist das nun Original oder Bearbeitung? Wobei der Arrangeur-Dirigent versichert, dass jede Note von Offenbach sei. In jedem Fall bleibt aber der oben beschriebene Grundcharakter der Musiknummern erhalten und wird vom Dirigenten vielfarbig und vielfältig beleuchtet. Doch man ahnt, wie berauschend es mit einem großen Orchester klänge…  Immerhin gibt es auch eine solche Fassung von Offenbach, die er parallel neben der klein besetzten geschrieben hat.

Caroline Rössle-Harper zeichnet für die Ausstattung verantwortlich. Die Jahrmarkt-Bude ist nur eine Seite der Medaille des Lebens: Die Rückseite zeigt stilisiert das gewonnene schlicht-elegante Schloss, vor dem sich die in ödes Grau gekleideten ehemaligen und deshalb unglücklichen Akrobaten langweilen. Die Wachsfigurensammlung, in der der dritte Akt spielt, ist dagegen sehr detailfreudig realistisch erstellt. Diese sehr offensichtlich symbolischen Bühnenbilder könnten einen angemessenen Rahmen für eine überzeugende Personenregie bilden.

Regisseur Max Hopp möchte die Geschichte dem Grunde nach so erzählen, wie sie im Libretto steht, bedient sich jedoch zusätzlicher Mittel. Er streicht einzelne Sprechszenen und dehnt andere aus. Vor allem aber fügt er einen distinguiert-manierierten 20er-Jahre-Conférencier hinzu, der die Handlung nicht nur erzählt, sondern auch kommentiert und klarstellt, was eigentlich Szene und Musik sagen sollten. Das bringt die Produktion in die Nähe einer Revue und stört mehr, als dass es bereichert. Auch Offenbach selbst taucht als Puppe auf und sinniert tiefsinnig über die Inschrift des Hildesheimer Stadttheaters: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie! Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!“ (Schiller, Die Künstler) – ein sehr schöner und bewegender Monolog, der sich hier in eine Operette verirrt hat. Offensichtlich aber nur als Pausenfüller zwischen Akt 1 und Akt 2, denn sobald der Umbau fertig ist, wird der Meister unterbrochen.

Foto folgtvon links: Katharina Schutza (Paola), Dieter Wahlbuhl (Sparadrapp), Meike Hartmann (Zanetta), Julian Rohde (Prinz Raphael), Jan Rekeszus (Tremolini), Neele Kramer (Regina), Levente György (Cabriolo)

Unterbrochen ist ein wichtiges Stichwort für diesen Abend. Denn die herrliche Musik, die auf köstlichen Text gesungen wird, besticht und erheitert durch feine Komik und Ironie. Sie wird aber immer wieder durch flache Spielszenen und Dialoge unterbrochen, die selten komisch, dafür aber reichlich oft albern sind. Dabei steckt in einigen durchaus Potential. Wenn zum Beispiel der Prinz, sein Erzieher und der Fürst am Schloss und seinen neuen Bewohnern vorbeigehen, ist es komisch, dass sie sich durch zwei schmale Gestrüppe hindurchzwängen, obwohl die Bühne links und rechts davon frei ist. Würden sie sich ernsthaft und höflich entschuldigen, bekäme die Szene fast schon loriotschen Stil. Durch albernes Stolpern und überzogenes Sprechen wird das Ganze aber auf eine andere Ebene gedrückt. Mit der übertriebenen Zeichnung des Fürsten könnte man noch leben, mit der Edith-Hancke-Frisur des Prinzen auch, das finale Sauf- und Sexgelage mit blöder Polonaise ist allerdings geeignet den Glauben an das Theater zu verlieren.


Wirklich komisch ist der Auftritt der „Drei-Pagen-Puppe“, mit einem gemeinsamen Rumpf und vier Beinen. Sie wird von einem Puppenspieler bedient, der mit drei Stimmcharakteren spricht, während er den zweiten und dritten (Puppen-)Kopf mit den Händen und Armen bedient – und sie so auch mal sehr lange Hälse machen lässt.  Das ist Puppenspielkunst vom Feinsten. Wenn die drei dann aber gleich zweimal als „siamesische Arschficker“ beschimpft werden, ist der Tiefpunkt des Niveaus erreicht und man bekommt eine weitere Ohrfeige zum feinen Feigensoufflé. Und das ist typisch für diesen Abend und insbesondere dafür wie die Musik verpackt wird: Immer wieder wird ein Teller mit französischer Haute Cuisine gereicht, doch die fein gesponnenen Aromen werden dann mit Ketchup und Majo vergällt. Schade – und besonders schade, weil hier einerseits eine wertvolle Wiederentdeckung verschenkt wird und andererseits einmal mehr die Möglichkeit, zu zeigen wie niveauvoll komisch eine Operette sein kann. Feinen Witz und Ironie muss man ernst nehmen, damit Komik entsteht. Komisches noch komischer machen zu wollen, endet zumeist in Albernheiten. Und dafür braucht man kein Theater, das können diverse Comedians bei gewissen Privatfernsehsendern viel besser bzw. schlechter.

Aufgrund der oben beschriebenen Gesangsbesonderheiten möchte ich von einer Einschätzung der Sänger absehen. Aber allesamt werfen sie sich mit viel Engagement und Spielfreude in ihre Rollen: Levente György als Cabriolo, Meike Hartmann als Zanetta, Neele Kramer als Regina, Katharina Schutza als Paola und Jan Rekeszus als liebender Clown Tremolini.
Als Fürst Kasimir Uwe Tobias Hieronimi und als Sparadrap, dem Erzieher des Prinzen, Dieter Wahlbuhl. Julian Rohde steht trotz Indisposition als Prinz Raphael auf der Bühne und lässt die Premiere damit wie geplant stattfinden. Einen Einspringer für eine Partie dieses so gut wie unbekannten Werkes zu finden wäre nicht möglich. Paul Hentze führt als Conférencier durch den Abend und brilliert als Puppenspieler.


FAZIT

Der köstlich geistreiche Humor und die gewitzt dezente Ironie der Musik und des gesungenen Textes werden mit allzu viel Klamauk und Albernheiten der Spielszenen konterkariert. Die Neubearbeitung, textlich wie musikalisch, macht neugierig auf das Original. 


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
und Klavier
Adam Benzwi

Musikalische Assistenz/
Dirigent und Klavier ab 24.3.2019
Sergei Kiselev

Inszenierung
Max Hopp

Ausstattung
Caroline Rössle-Harper

Puppenbau
Paul Hentze

Offenbachpuppe
Erik Raskopf

Dramaturgie
Susanne von Tobien


Orchester des TfN

Solisten

*Besetzung der hier
besprochenen Premiere

Conférencier / Puppenspieler
Paul Hentze

Cabriolo
Levente György

Zanetta
Meike Hartmann

Regina
Neele Kramer

Paola
*Katharina Schutza
Antonia Radneva


Tremolini
Jan Rekeszus

Fürst Kasimir
Uwe Tobias Hieronimi

Prinz Raphael
Julian Rohde  

Sparadrapp
Dieter Wahlbuhl





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Theater für Niedersachsen
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