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Haute Cuisine mit Ketchup und Majovon Bernd Stopka / Fotos: Jochen QuastDas Theater für Niedersachsen entwickelt sich weiter zum „Spezialitäten-Theater“. Nach Tschaikowskys Die Pantöffelchen steht in dieser Spielzeit eine weitere Ausgrabung auf dem Spielplan: Mit Die Prinzessin von Trapezunt feiert das Haus den 200. Geburtstag Jacques Offenbachs. Galt diese französische Operette zu Offenbachs Lebzeiten als eines seiner gelungensten Werke, war sie nach dem 1. Weltkrieg kaum mehr auf den Spielplänen zu finden. Dabei sprüht diese Musik nur so von Geist und Esprit, von Witz und Ironie – Offenbach at his best. Die
Geschichte ist
relativ
einfach: Auf
einem
Jahrmarkt wird
Cabriolos
Gauklertruppe
von einem
Lotteriestand
das Wasser
abgegraben,
denn dort ist
als
Hauptgewinn
ein Schloss
ausgerufen.
Cabriolos
Hauptattraktion
ist ein
Wachsfigurenkabinett
und darin eine
Figur der
Prinzessin von
Trapezunt. Aus
Versehen
bricht
Cabriolos
Tochter
Zanetta der
Figur die Nase
ab und muss
nun selbst
ihren Platz
einnehmen. Der
ausgebüxte
junge Prinz
Raphael
verliebt sich
auf den ersten
Blick in
Zanetta, die
er für die
besagte
Wachsfigur
hält. Statt
des
Eintrittsgeldes
hatte er
Cabriolo ein
Los der
besagten
Lotterie
gegeben, das
nun den
Hauptgewinn
erhält. In Hildesheim nähern sich der Regisseur Max Hopp und der musikalische Leiter Adam Benzwi dem Werk auf sehr individuelle Weise. Benzwi ist dafür bekannt, die von ihm dirigierten Werke gründlich zu überarbeiten, was er auch hier ausgiebig getan hat. Das Orchester besteht aus wenig mehr als 20 Musikern, dafür ist der Orchestergraben höhergelegt. Benzwi dirigiert vom Klavier aus – einem Instrument, das in den Fassungen Offenbachs nicht zu finden ist und dessen Einsatz ein bisschen nach fahrender Opern- und Operetten-Truppe klingt, die kein großes Orchester mit sich führt. Oft lässt er die Singstimmen nur von einzelnen Instrumenten begleiten oder erfindet neue Kombinationen. Ferner bewegt er sich auf Offenbachs Pfaden, in dem er im Sinne des Théâtre des Bouffes-Parisiens die klassisch ausgebildeten Sänger nicht durchweg im „Opern-Modus“ singen lässt, sondern sie ihre Partien stilistisch und technisch vielfältig variieren lässt. Das alles mag sich historisch mehr oder weniger begründen lassen, wirkt aber doch eher wie ein Zwischending von zeitgenössischer Aufführungspraxis und dem Versuch, Offenbachs Musik „aufzupeppen“ – was sie nun wirklich nicht nötig hat. Und natürlich ist die Bearbeitung eines bekannten Werkes für das Publikum immer interessanter und spannender, weil es Vergleichsmöglichkeiten hat. Hier fragt man sich immer wieder: Ist das nun Original oder Bearbeitung? Wobei der Arrangeur-Dirigent versichert, dass jede Note von Offenbach sei. In jedem Fall bleibt aber der oben beschriebene Grundcharakter der Musiknummern erhalten und wird vom Dirigenten vielfarbig und vielfältig beleuchtet. Doch man ahnt, wie berauschend es mit einem großen Orchester klänge… Immerhin gibt es auch eine solche Fassung von Offenbach, die er parallel neben der klein besetzten geschrieben hat. Caroline Rössle-Harper zeichnet für die Ausstattung verantwortlich. Die Jahrmarkt-Bude ist nur eine Seite der Medaille des Lebens: Die Rückseite zeigt stilisiert das gewonnene schlicht-elegante Schloss, vor dem sich die in ödes Grau gekleideten ehemaligen und deshalb unglücklichen Akrobaten langweilen. Die Wachsfigurensammlung, in der der dritte Akt spielt, ist dagegen sehr detailfreudig realistisch erstellt. Diese sehr offensichtlich symbolischen Bühnenbilder könnten einen angemessenen Rahmen für eine überzeugende Personenregie bilden. Regisseur Max Hopp möchte die Geschichte dem Grunde nach so erzählen, wie sie im Libretto steht, bedient sich jedoch zusätzlicher Mittel. Er streicht einzelne Sprechszenen und dehnt andere aus. Vor allem aber fügt er einen distinguiert-manierierten 20er-Jahre-Conférencier hinzu, der die Handlung nicht nur erzählt, sondern auch kommentiert und klarstellt, was eigentlich Szene und Musik sagen sollten. Das bringt die Produktion in die Nähe einer Revue und stört mehr, als dass es bereichert. Auch Offenbach selbst taucht als Puppe auf und sinniert tiefsinnig über die Inschrift des Hildesheimer Stadttheaters: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie! Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!“ (Schiller, Die Künstler) – ein sehr schöner und bewegender Monolog, der sich hier in eine Operette verirrt hat. Offensichtlich aber nur als Pausenfüller zwischen Akt 1 und Akt 2, denn sobald der Umbau fertig ist, wird der Meister unterbrochen. Unterbrochen
ist ein
wichtiges
Stichwort für
diesen Abend.
Denn die
herrliche
Musik, die auf
köstlichen
Text gesungen
wird, besticht
und erheitert
durch feine
Komik und
Ironie. Sie
wird aber
immer wieder
durch flache
Spielszenen
und Dialoge
unterbrochen,
die selten
komisch, dafür
aber reichlich
oft albern
sind. Dabei
steckt in
einigen
durchaus
Potential.
Wenn zum
Beispiel der
Prinz, sein
Erzieher und
der Fürst am
Schloss und
seinen neuen
Bewohnern
vorbeigehen,
ist es
komisch, dass
sie sich durch
zwei schmale
Gestrüppe
hindurchzwängen,
obwohl die
Bühne links
und rechts
davon frei
ist. Würden
sie sich
ernsthaft und
höflich
entschuldigen,
bekäme die
Szene fast
schon
loriotschen
Stil. Durch
albernes
Stolpern und
überzogenes
Sprechen wird
das Ganze aber
auf eine
andere Ebene
gedrückt. Mit
der
übertriebenen
Zeichnung des
Fürsten könnte
man noch
leben, mit der
Edith-Hancke-Frisur
des Prinzen
auch, das
finale Sauf-
und Sexgelage
mit blöder
Polonaise ist
allerdings
geeignet den
Glauben an das
Theater zu
verlieren. Wirklich komisch ist der Auftritt der „Drei-Pagen-Puppe“, mit einem gemeinsamen Rumpf und vier Beinen. Sie wird von einem Puppenspieler bedient, der mit drei Stimmcharakteren spricht, während er den zweiten und dritten (Puppen-)Kopf mit den Händen und Armen bedient – und sie so auch mal sehr lange Hälse machen lässt. Das ist Puppenspielkunst vom Feinsten. Wenn die drei dann aber gleich zweimal als „siamesische Arschficker“ beschimpft werden, ist der Tiefpunkt des Niveaus erreicht und man bekommt eine weitere Ohrfeige zum feinen Feigensoufflé. Und das ist typisch für diesen Abend und insbesondere dafür wie die Musik verpackt wird: Immer wieder wird ein Teller mit französischer Haute Cuisine gereicht, doch die fein gesponnenen Aromen werden dann mit Ketchup und Majo vergällt. Schade – und besonders schade, weil hier einerseits eine wertvolle Wiederentdeckung verschenkt wird und andererseits einmal mehr die Möglichkeit, zu zeigen wie niveauvoll komisch eine Operette sein kann. Feinen Witz und Ironie muss man ernst nehmen, damit Komik entsteht. Komisches noch komischer machen zu wollen, endet zumeist in Albernheiten. Und dafür braucht man kein Theater, das können diverse Comedians bei gewissen Privatfernsehsendern viel besser bzw. schlechter. Aufgrund der oben beschriebenen Gesangsbesonderheiten möchte ich von einer Einschätzung der Sänger absehen. Aber allesamt werfen sie sich mit viel Engagement und Spielfreude in ihre Rollen: Levente György als Cabriolo, Meike Hartmann als Zanetta, Neele Kramer als Regina, Katharina Schutza als Paola und Jan Rekeszus als liebender Clown Tremolini. Als Fürst Kasimir Uwe Tobias Hieronimi und als Sparadrap, dem Erzieher des Prinzen, Dieter Wahlbuhl. Julian Rohde steht trotz Indisposition als Prinz Raphael auf der Bühne und lässt die Premiere damit wie geplant stattfinden. Einen Einspringer für eine Partie dieses so gut wie unbekannten Werkes zu finden wäre nicht möglich. Paul Hentze führt als Conférencier durch den Abend und brilliert als Puppenspieler.
Der köstlich geistreiche Humor
und die
gewitzt
dezente Ironie
der Musik und
des gesungenen
Textes werden
mit allzu viel
Klamauk und
Albernheiten
der
Spielszenen
konterkariert.
Die
Neubearbeitung,
textlich wie
musikalisch,
macht
neugierig auf
das
Original.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Musikalische Assistenz/ Ausstattung Puppenbau Offenbachpuppe Susanne von Tobien Orchester des TfN Solisten*Besetzung der hier Paul Hentze Cabriolo Levente György Zanetta Meike Hartmann Regina Neele Kramer Paola *Katharina Schutza Antonia Radneva Tremolini Jan Rekeszus Fürst Kasimir Uwe Tobias Hieronimi Prinz Raphael Julian Rohde Sparadrapp Dieter Wahlbuhl Weitere Informationen
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- Fine -