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Pariser Leben

Operette in fünf Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Deutsche Übersetzung von Carl Treumann in einer Textfassung von Holger Potocki
Musik von Jacques Offenbach

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 27. Oktober 2018
(rezensierte Aufführung: 02.11.2018)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Pariser Leben in der grauen Vorstadt

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Jacques Offenbachs Pariser Leben gehört neben den beiden mythologischen Parodien Orpheus in der Unterwelt und Die schöne Helena zu den größten Erfolgen, die der gebürtige Kölner in Paris feiern konnte und den Grundstein für die Operette als eigenständige Gattung markierten. In Auftrag gegeben wurde das Werk für die Weltausstellung in Paris 1867, kam allerdings bereits am 31. Oktober 1866 am Théâtre du Palais-Royal heraus und startete von dort an einen Siegeszug um die ganze Welt. In kaum einem anderen Stück hat Offenbach das Flair der Stadt Paris als kosmopolitisches Zentrum der Weltwirtschaft und des Amüsements auf eine Art eingefangen, wie sich selbst heute noch zahlreiche Touristen diese Weltmetropole erträumen. Dass das von Offenbach gezeichnete Bild der Stadt auch damals schon eine Illusion gewesen ist, hat Regisseur Holger Potocki zum Anlass genommen, für die Hagener Produktion eine eigene Textfassung zu erstellen, die in zahlreichen Punkten von der ursprünglichen Geschichte abweicht.

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So haben sich wohl die Baronin von Gondremarck (Veronika Haller) und ihr Mann (Kenneth Mattice) die Ankunft in Paris vorgestellt (im Hintergrund: Chor).

Zwar landen hier auch der schwedische Baron von Gondremarck und seine Gattin Christine in Paris, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erkunden, aber ihre Reise endet zunächst in einem sehr düsteren Viertel der Stadt, wo sie ihrer Papiere und ihres Geldes beraubt zunächst einmal auf die Hilfe des Lebenskünstlers Raoul de Gardefeu angewiesen sind, der direkt ein Auge auf die schöne Baronin geworfen hat. Da die schwedische Botschaft an diesem Abend bereits geschlossen ist, bietet Gardefeu nicht ohne Hintergedanken den beiden ein Quartier für die Nacht an. Dass der Baron auf Empfehlung eines Freundes ein Rendezvous mit der schönen Metella anstrebt, trifft sich dabei nur zu gut. Gardefeu, der selbst mit Metella liiert ist, verspricht ihm, ihr auf einer Party bei einer guten Freundin näher kommen zu können. Metella lehnt dieses Ansinnen allerdings empört ab. Gardefeu überredet seinen Kumpel Bobinet, dennoch für den Baron eine Party bei dessen Tante Mme. Quimper-Karadec zu organisieren, bei der Bobinet zwar eigentlich Hausverbot hat, die jedoch zur Zeit verreist ist. Mit den entsprechenden Rauschmitteln kann Bobinet die Dienerschaft überzeugen, dieses Fest zu veranstalten, bei dem der Baron den Reizen der Zofe Pauline erliegt. Doch die Party läuft aus dem Ruder, Mme. Quimper-Karadec lässt ihre Wohnung von der Polizei stürmen, taucht auf der Suche nach Bobinet bei Gardefeu auf und stört dessen angestrebte Zweisamkeit mit der Baronin, die sich unverzüglich auf die Suche nach ihrem Ehemann begibt. Als der Baron schließlich zurückkehrt, findet er statt seiner Frau die Mme. Quimper-Karadec in seinem Bett und flieht in die Nacht, wo er schließlich doch noch auf Metella trifft. Die Baronin beobachtet einen Flirt zwischen ihrem Mann und Metella, so dass sie vor den Augen ihres Mannes Gardefeu Avancen macht. Es kommt zum Streit, den ein Clochard beilegt, indem er dem Baron und seiner Frau erklärt, dass sie in dieser Nacht genau die Poesie der Stadt gefunden hätten, für die sie nach Paris gekommen wären.

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Gardefeu (Richard van Gemert, rechts) bittet seinen Freund Bobinet (Stephan Boving, links), für den Baron eine Party zu organisieren.

Wenn man nicht mit der Erwartungshaltung ins Theater gekommen ist, die reichlich verworrene Originalhandlung zu sehen, bietet Potockis Fassung kurzweilige Unterhaltung und überträgt die Geschichte relativ passend in die Gegenwart. Dass dabei nicht jeder Regie-Einfall als gelungen betrachtet werden kann, mag man dem Regie-Team nachsehen. Zum Beispiel ist das Croissant, das im Verlauf des Stückes immer wieder auftritt und um Feuer bittet, als Kostüm zwar witzig anzusehen, der daraus resultierende Gag erschließt sich aber nicht wirklich und wirkt sehr konstruiert. Auch die Entscheidung, den reichen Brasilianer Pompa di Matadores durch einen Clochard zu ersetzen, ist diskutabel. Zwar steht der Clochard ebenfalls für ein romantisiertes Bild der Stadt, der auch sicherlich die Botschaft am Ende des Stückes glaubhafter präsentiert als ein fremdländischer Brasilianer. Ob er aber mit einer Spende von einem kleinen Geldstück wirklich eine Traumwelt vor den Augen der Baronin entstehen lassen kann, in der sie in eine längst vergangene Zeit eintaucht, ist fraglich.

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Der Baron (Kenneth Mattice, vorne) genießt mit Pauline (Maria Klier, vorne) die ausgelassene Stimmung auf der Party (im Hintergrund: Bobinet (Stephan Boving) rechts und links: Chor).

Bühnenbildnerin Lena Brexendorff nutzt die Möglichkeiten der Drehbühne gut aus, um die graue Pariser Vorstadt schnell in Gardefeus bescheidene Wohnung zu verwandeln. Im Hintergrund sieht man in einer Projektion zahlreiche Hochhäuser, die in großem Kontrast zu dem impressionistischen Entwurf der Stadt stehen, die in Traumsequenzen auf die grauen Fassaden geworfen werden und die Baronin im Schlaf in eine andere Welt eintauchen lassen. Nach der Pause sieht man in einer Projektion einen historisch anmutenden Pariser Bahnhof, an dem der Baron und die Baronin in historisierenden Kostümen ankommen und von Gardefeu in Empfang genommen werden. So hat sich die Baronin (und der Zuschauer vielleicht auch) den Besuch in Paris eigentlich vorgestellt, bevor sie in Gardefeus trostloser Wohnung erwacht und feststellen muss, dass ihr Gatte nicht da ist. Für das Penthouse der Mme. Quimper-Karadec hat Brexendorff eine mondäne Wohnung entworfen, die mit zwei Glasfahrstühlen beeindruckt, die aus dem Bühnenboden emporgefahren werden können und die Gäste direkt in dieses Penthouse bringen. Die Kostüme, für die ebenfalls Brexendorff verantwortlich zeichnet, sind dabei genauso schräg und schrill wie die Party, die dort gefeiert wird. Dass man sich hier nicht nur mit Alkohol sondern auch mit Koks berauscht, ist dabei selbstverständlich.

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Böses Erwachen: Baron von Gondremarck (Kenneth Mattice) und Mme. Quimper-Karadec (Marilyn Bennett)

Das Ensemble setzt den Regie-Ansatz von Potocki mit großer Spielfreude um. Veronika Haller und Kenneth Mattice geben überzeugend ein schwedisches Ehepaar ab, das in Paris das große Abenteuer sucht. Witzig ist der Einfall, die beiden zunächst auf Schwedisch kommunizieren zu lassen. Mattice stattet den Baron mit einem markanten Bariton aus und spielt das Verlangen des Barons nach einer amourösen Abwechslung glaubhaft aus. Auch den schnellen Parlando-Ton beherrscht er wunderbar in seinem vergnüglichen Couplet "Ich stürz mich in den Strudel 'rein". Haller gestaltet die Baronin mit rundem Sopran. Richard van Gemert verfügt als Raoul de Gardefeu über einen leichten Spieltenor. Dabei sorgt er für komische Momente, wenn er zu den berühmten Klängen von "Je t'aime" die Baronin in seinem Schlafzimmer zu verführen sucht. Kristine Larissa Funkhauser legt die Partie der Metella recht zickig an. In der berühmten Briefarie im zweiten Akt klingt ihr Mezzo bisweilen ein wenig zu schwer. Maria Klier gibt Pauline, die auf der Party in die Rolle der Madame Bonbonniere schlüpft, äußerst quirlig und mit sprühenden Spitzentönen. Stephan Boving legt die Partie des Bobinet als leicht bekifften Drogendealer mit weichem Spieltenor an, und Boris Leisenheimer überzeugt als Clochard und Jean Frick mit leichtem Tenor.

Für Marilyn Bennett ist die extrovertierte Mme. Quimper-Karadec eine regelrechte Glanzrolle. In schrillem Outfit legt sie die Partie als männermordenden Vamp an, die sich obendrein auch noch einen Sexsklaven hält, der ihr allerdings nur noch "zum Kuscheln" dient. Der Song, mit dem sie ein Hohelied auf Paris als Stadt der Liebe besingt, stammt zwar nicht aus Offenbachs Operette, passt aber trotzdem gut ins Konzept und wird von Bennett mit dunkel gefärbter Stimme wunderbar umgesetzt. Der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor überzeugt in kleineren Solo-Partien und durch insgesamt homogenen Klang. Rodrigo Tomillo versprüht mit dem Philharmonischen Orchester Hagen aus dem Graben das leichte Flair, das für Offenbachs Musik so typisch ist. Das Finale wird dann auch auf Französisch gesungen und lässt noch einmal richtig in "La vie parisienne" eintauchen.

FAZIT

Inhaltlich weicht Holger Potockis Textfassung in einigen Punkten von Offenbachs Original ab. Dafür passt aber die Inszenierung zum gesungenen Text, was bei Modernisierungen nicht immer der Fall ist.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Inszenierung
Holger Potocki

Choreographie
Andrea Danae Kingston

Bühne und Kostüme
Lena Brexendorff

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Rebecca Graitl

 

Chor und Extrachor des Theaters Hagen

Ballett des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen

Statisterie des Theaters Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Baronin Christine von Gondremarck
Veronika Haller

Baron von Gondremarck
Kenneth Mattice

Raoul de Gardefeu
Richard van Gemert

Pauline
*Maria Klier /
Elizabeth Pilon

Brasilianer (Clochard) / Jean Frick
Boris Leisenheimer

Metella
Kristine Larissa Funkhauser

Bobinet
Stephan Boving

Mme. Quimper-Karadec
Marilyn Bennett

Prosper
Tillmann Schnieders

Urbain
Wolfgang Niggel

Clara
*Elizabeth Pilon /
Kisun Kim

Léonie
Anja Frank-Engelhaupt

Louise
Verena Grammel

Gonzo
Sebastian Barton Armborst /
*Thorsten Pröhln


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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