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Musiktheater
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Das Rheingold

Vorabend zu dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 11. Mai 2019

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Musiktheater im Revier
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Mit dem Rheingold-Express nach Walhall

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl und Monika Forster

Intendant Michael Schulz scheint eine besondere Affinität zu Richard Wagners Rheingold zu haben. Bereits 2011 war der Vorabend zu dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen außerhalb des Zyklus zu erleben, ohne dass die weiteren drei Teile folgten (siehe auch unsere Rezension). Die damals konzertant präsentierte Aufführung stand unter dem Oberthema "Europa schafft Legenden". Nun hat Schulz das Werk erneut auf den Spielplan gestellt, dieses Mal im Kontext des Themas "Arbeit", das sich in dieser Spielzeit mit dem Ende des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet auseinandersetzt. Während die Inszenierung "Chefsache" ist, liegt die musikalische Leitung in den Händen des 1. Kapellmeisters und stellvertretenden GMD Giuliano Betta, was ein bisschen verwundern mag. Hier hätte man eigentlich GMD Rasmus Baumann erwartet, der auch 2011 am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen stand. Zu Beginn des Abends wirkt Betta mit der Neuen Philharmonie Westfalen noch ein wenig unsicher. Etwas holprig kommen die Tempi daher, so dass der Rhein einige unkontrollierte Wellen zu schlagen scheint. Im Laufe des Abends gewinnt die musikalische Gestaltung jedoch an Präzision.

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Die Rheintöchter Wellgunde (Lina Hoffmann, links), Woglinde (Bele Kumberger, Mitte) und Flosshilde (Boshana Milkov, rechts) im Speisewagen des Rheingold-Expresses

Während man sich am Anfang durch eine dunkle Videoprojektion in den Tiefen des Rheins wähnt, taucht plötzlich während des Es-Dur-Vorspiels hinter dem Vorhang ein Zug auf, der sich in den Fluten des Rheins zu bewegen scheint. Hierbei soll es sich wohl um den legendären Rheingold-Express handeln, der einst seine Fahrgäste von der Nordsee bis in die Alpen beförderte. Während des ersten Bildes befindet man sich im Speisewagen. An einem Tisch in der linken Ecke sitzt nahezu unbemerkt Loge und scheint zu schlafen. Daneben verhandeln Wotan und Alberich, worüber eigentlich? Der Vertragsspeer, der den Lichtalben als Walter der Welt ausweist, wirkt an dieser Stelle nahezu unpassend konventionell. Als Wotan abgegangen ist, tauchen die Rheintöchter in reizendem Outfit mit wallendem blonden Haar auf. Flosshilde hat sogar eine Schwanzflosse statt Beinen, die sie allerdings während des Spiels mit Alberich ablegt. Durch ein Waggonfenster tauchen die Nixen bisweilen in die Tiefen des Rheins ab, um anschließend durch die Tür wieder aufzutreten. Das verstehe, wer will. Stimmlich gestalten Bele Kumberger, Lina Hoffmann und Boshana Milkov die drei Rheintöchter sehr harmonisch mit klarer Diktion und sauberen Höhen. Urban Malmberg legt den Alberich mit pointiertem Sprechgesang an, was die Bosheit seines Charakters unterstreicht. Die bedrohliche Schwärze fehlt ihm allerdings, so dass gut nachvollziehbar ist, dass die Rheintöchter die Gefahr nicht erkennen, die von dem Nachtalben ausgeht.

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Fricka (Almuth Herbst, rechts) beruhigt ihre besorgte Schwester Freia (Petra Schmidt, 2. von rechts) (auf der linken Seite von links: Donner (Piotr Prochera) und Froh (Khanyiso Gwenxane)).

Wenn die Sonne das Rheingold erstrahlen lässt, werden aus den drei Rheintöchtern plötzlich neun Nixen, die sich allesamt durch das Abteil bewegen. Das Rheingold wird in kleinen undefinierbaren Klumpen auf die Theke gehievt. Wie Alberich den Schatz dann wirklich raubt, bleibt in der Inszenierung eher blass. Malmberg schließt die Vorhänge des Fensters, durch das die Nixen munter zwischen Waggon und Rhein gewechselt haben und bemächtigt sich der Theke. Beim Liebesfluch bleibt Malmberg stimmlich ein bisschen blass. In der Videoprojektion wird das Wasser ein bisschen trüber und weist erste Anzeichen einer zerstörten Natur auf. Nach Alberichs Abgang betritt Wotan erneut das Abteil und lässt die verzweifelten neun Nixen an sich vorbeiziehen. Der Zug zieht weiter, und auf der Bühne wechselt man vom Speisewagen zur 1. Klasse, in der die Götter verweilen. In einem kleinen Vorraum spielen Donner und Froh Karten. Fricka liegt in einem Bett und schläft, und Freia wälzt sich in einem weiteren Abteil unruhig auf ihrer Liege hin und her. Sie scheint bereits das drohende Unheil zu ahnen. Wotan legt seine Augenklappe ab und legt sich ebenfalls schlafen, bis Fricka an sein Bett tritt und ihn aufweckt. Im Hintergrund sieht man die Haltestelle Walhall. Scheinbar ist man vor der Götterburg angekommen. Almuth Herbst begeistert als Fricka mit sattem Mezzosopran und wunderbar deutlicher Diktion. Großartig spielt sie die unterschiedlichen Facetten der einerseits liebenden, andererseits fordernden Ehefrau aus. Bastiaan Everink punktet als Wotan mit dunklem Bariton, der große Autorität ausstrahlt. Petra Schmidt gestaltet die Göttin Freia mit kräftigem Sopran, der stellenweise jedoch ein bisschen schrill ist.

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Fafner (Michael Heine, links) tötet seinen Bruder Fasolt (Joachim Gabriel Maaß, 2. von links) bei der Aufteilung des Schatzes (rechts: Loge (Cornel Frey)).

Die beiden Riesen Fasolt und Fafner erscheinen bei ihrem ersten Auftritt in einer Videoprojektion über dem Schlafwagen. Dabei singen Joachim Gabriel Maaß und Michael Heine aus dem Off. Schade ist, dass der Gesang der beiden nicht mit der Projektion korrespondiert. So lässt sich schwer durchschauen, welcher von den beiden Riesen sich gerade äußert. Wenn sie dann das Abteil betreten, schwindet ihre Überdimensionalität. In ihren muskelbepackten Kostümen wirken sie nur noch breit und kräftig. Stimmlich überzeugen Maaß und Heine jeweils mit profundem Bass. Freia wird in Schulz' Personenregie etwas albern dargestellt. Wenn sie von den Riesen verschleppt wird, stakst sie erhobenen Hauptes mit ihrem Korb mit den Äpfeln von der Bühne und wirkt auch vorher etwas lächerlich, wenn sie sich unter ihrer Liege versteckt. Ein Glanzpunkt des Abends ist Cornel Frey als Loge. Mit großartigem Spielwitz zeigt er die Verschlagenheit des Feuergottes und begeistert mit kräftigem Tenor und einer hervorragenden Textverständlichkeit. Piotr Prochera gibt den Donner mit kräftigem Bariton und virilem Machogehabe. Khanyiso Gwenxane bleibt als Froh ein wenig blass.

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Wotan (Bastiaan Everink, links) und Loge (Cornel Frey, 2. von links) wollen Alberich (Urban Malmberg, 2. von rechts) den Schatz rauben (rechts: Mime (Tobias Glagau)).

Wenn Wotan und Loge dann nach Nibelheim hinabsteigen, verschwindet der Zug, und das Bühnenbild von Heike Scheele wird nahezu konventionell. Auf einer Leinwand im Hintergrund sieht man breite Schornsteine und steigt gewissermaßen in die Tiefen des Bergbaus hinab. Wotan und Loge werden später auch mit einer Lore in Alberichs "Büro" vorfahren. Mime tritt mit einem Putzwagen auf und versucht den Tarnhelm, der in dieser Inszenierung ein goldenes Tuch ist, vor seinem Bruder zu verstecken. Tobias Glagau stattet den Zwerg mit leichtem Tenor aus. Alberich bemächtigt sich des Tarnhelms und lehrt Mime damit das Fürchten. Diese Szene bleibt in der Personenregie ein wenig blass, weil Malmberg mit der Tarnkappe einfach nur auf der Bühne steht, während Glagau scheinbar von ihm malträtiert wird. Auch die Verwandlungen in den Riesenwurm und in die Kröte können nicht wirklich überzeugen. Beim Riesenwurm schlängelt sich eine silberne Röhre durch die verschiedenen Eingänge in Nibelheim. Die Kröte wird als erstes von Mime in der Lore entdeckt. So liefert er seinen Bruder gewissermaßen den Göttern aus.

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Aus Fricka wird Erda (Almuth Herbst).

Bei der Rückkehr in die luftigen Höhen geht es nicht zurück in den Zug, sondern die Bühne bleibt weit und offen wie in Nibelheim. Wotan und Loge bringen Alberich mit der Lore empor und bemächtigen sich des Schatzes, des Tarnhelms und des Rings. Überzeugend gelingt der Moment nach Alberichs Fluch, wenn Wotan wirklich eine Weile überlegt, ob er sich den verfluchten Ring an den Finger stecken soll. Die Übergabe des Schatzes an die Riesen ist dann wieder diskutabel. Aus einer Truhe holen die Götter goldene Waffen und sogar ganze vergoldete Soldaten, um Freia in einem gläsernen Käfig zu verdecken. Sehr verwirrend ist auch die Erda-Szene, da die Partie ebenfalls von Almuth Herbst gesungen wird. Herbst lässt ihren Mantel, den sie als Fricka trägt, fallen, nimmt Wotans Augenbinde und seinen Speer und verwandelt sich so in die Urwala. Stimmlich glänzt Herbst auch in dieser Rolle mit dunkel warnendem Mezzosopran. Ansonsten geht die Szene allerdings nicht auf, zumal die Rückverwandlung absolut problematisch ist. Hier hätte man vielleicht doch einen weiteren Gast für die Partie engagieren sollen, um die Dopplung mit Fricka zu verhindern. Mit großer Durchschlagskraft beschwört Prochera als Donner anschließend das Gewitter herauf, was zu einem strahlenden Regenbogen auf der Leinwand führt, vor dem sich die Statisterie wie bei einem Staatsempfang versammelt. Froh winkt mit lächelnden Kindern in imaginäre Kameras, bevor Wotan das Band zum Eingang in die Burg durchschneidet. Der Einzug in die Burg scheint dann den Übergang in eine digitale Welt zu markieren. In Projektionen sieht man vierstellige Zahlencodes, die ein wenig an Radiofrequenzen erinnern.

Überflüssig ist der moralische Zeigefinger, mit dem Schulz die Rheintöchter vom Übergang des dritten in das vierte Bild und am Ende in Szene setzt. Nachdem Wotan und Loge Nibelheim wieder verlassen haben, treten die drei Wassernixen mit einem Spruchband mit der Aufschrift "Gold Macht Lust" auf, wobei sie das Tuch so im Vordergrund der Bühne drapieren, dass das Wort "Macht" sichtbar bleibt. Am Ende heben die Rheintöchter das Tuch bei ihrer Klage wieder auf, und Loge dreht es in ihren Händen um. Nun sagt es dem Publikum: "Ihr hattet die Wahl". Nicht jeder im Publikum scheint mit dieser Deutung einverstanden zu sein. So gibt es für das Regie-Team am Ende auch vereinzelte Unmutsbekundungen, die jedoch im allgemeinen Jubel untergehen. Die Solisten und das Orchester werden mit großem Applaus bedacht.

FAZIT

Musikalisch kann der Abend in großen Teilen überzeugen. Szenisch bleibt einiges diskutabel.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giuliano Betta

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Heike Scheele

Kostüme
Renée Listerdal

Video (Video-Riesen)
Bernhard Kleine-Frauns

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Dr. Olaf Roth

 

Neue Philharmonie Westfalen

Statisterie des MiR

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Wotan
Bastiaan Everink

Donner
*Piotr Prochera /
Zhive Kremshovski

Froh
Khanyiso Gwenxane

Loge
*Cornel Frey /
Lothar Odinius

Alberich
Urban Malmberg

Mime
Tobias Glagau

Fasolt
Joachim Gabriel Maaß

Fafner
Michael Heine

Fricka
Almuth Herbst

Freia
Petra Schmidt

Erda
Almuth Herbst

Woglinde
Bele Kumberger

Wellgunde
Lina Hoffmann

Flosshilde
Boshana Milkov

 


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