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My Fair Lady

Musical in zwei Akten
Buch und Gesangstexte von Alan Jay Lerner nach Pygmalion von George Bernard Shaw
Musik von Frederick Loewe

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Übernahme vom Pfalztheater Kaiserslautern

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 22. Oktober 2017


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Klassische Inszenierung in Sepia-Bildern


Von Thomas Molke / Fotos: © Wil van Iersel

Nachdem die Wuppertaler Oper die zweite Spielzeit unter der Intendanz von Berthold Schneider recht experimentell mit einer Verknüpfung des dritten Aktes von Wagners Götterdämmerung mit Heiner Goebbels' Orchesterzyklus Surrogate Cities begonnen hat (siehe auch unsere Rezension), steht bei der zweiten Premiere wohl eher ein ausverkauftes Haus im Zentrum der Spielplangestaltung, so dass die Wahl auf My Fair Lady gefallen ist, eines der berühmtesten und erfolgreichsten Musicals aller Zeiten, das nicht nur ab 1956 am Broadway und ab 1958 im Londoner West End mit über 2000 Aufführungen eine neue Ära des Musicals einleitete, sondern auch durch die legendäre und mit insgesamt acht Oscars ausgezeichnete Verfilmung mit Audrey Hepburn und Rex Harrison eine riesige Popularität erlangte. Und während bei der Oper oder dem Schauspiel Regisseure stets nach neuen Deutungsmöglichkeiten suchen und die Stücke verfremden, wird es bei My Fair Lady schon fast als ein Sakrileg erachtet, wenn man auch nur die kleinste Kleinigkeit abändert. So erwartet man eine Produktion in opulenten Kostümen, was in Zeiten des Spardrucks, der auf den Bühnen lastet, nicht ganz einfach ist. Deshalb hat man sich in Wuppertal entschieden, eine Produktion des Pfalztheaters Kaiserslautern zu übernehmen, die dort am 31. Oktober 2015 in der Inszenierung von Cusch Jung eine umjubelte Premiere feierte.

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Kann man aus dem einfachen Blumenmädchen Eliza (Nadine Stöneberg) eine feine Lady machen? Higgins (Thomas Braus, rechts) und Pickering (Tom Zahner, links) schließen darüber eine Wette ab (im Hintergrund: Mrs. Pearce (Angela H. Fischer)).

Jung traut sich, den Bühnenklassiker über das Blumenmädchen Eliza Doolittle, das bei dem kauzigen Professor Henry Higgins Sprachunterricht nimmt, um binnen sechs Monaten zu einer Dame zu werden, die in einem Blumenladen arbeiten kann statt ihre Blumen auf der Straße anbieten zu müssen, ganz klassisch zu inszenieren und trifft bei diesem Ansatz das Publikum mitten ins Herz, so dass es am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten gibt. Bedauerlich ist lediglich, dass Cusch selbst für die Premiere in Wuppertal nicht angereist ist und deshalb nichts von dem auch ihm zustehenden Beifall ernten kann. Das Bühnenbild von Christoph Weyers besteht aus einem Drehelement aus verschweißtem Aluminium in leicht geschwungenen Formen und deckt ja nach Drehung mit wenigen Requisiten und in kurzer Zeit die zahlreichen Spielorte des Stückes ab, so dass trotz einer Spielzeit über drei Stunden zu keiner Zeit Längen entstehen. An der Rampe auf der linken Seite ist eine antike Kamera aufgebaut, die an einigen Schnittstellen ein Bild schießt und die Szene einfrieren lässt. Die Bühne wird dann in ein gelblich-bräunliches Licht getaucht und erinnert dann mit dem Standbild an eine Sepia-Fotografie. Beim Schlussapplaus werden dann auf eine riesige Leinwand an der Bühnenrampe verschiedene Bilder aus der Aufführung in aufwändigen Rahmen projiziert. Die Kostüme von Sven Bindseil sind opulent gehalten. Da dürfen bei der feinen Londoner Gesellschaft die aufwändigen Hüte genauso wenig fehlen wie bei den Blumenmädchen die in mehreren Schichten übereinander getragenen Röcke.

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"Ich glaub', jetzt hat sie's": Higgins (Thomas Braus, rechts) und Pickering (Tom Zahner, links) feiern mit Eliza (Nadine Stöneberg) erste Erfolge.

Während bei der Aufführung in Kaiserslautern der Regisseur Cusch Jung höchstpersönlich in die Rolle des egozentrischen Sprach-Professors geschlüpft ist - in Wuppertal wird er in dieser Partie übrigens ebenfalls alternierend zu erleben sein -, übernimmt in Wuppertal Thomas Braus, der neue Schauspiel-Intendant, den Higgins, eine Paraderolle, in der er bereits 2004 in der damaligen Inszenierung von Johannes Weigand zu erleben war (siehe auch unsere Rezension). Braus kitzelt mit überzeugend arrogantem Spiel die Selbstverliebtheit des Professors heraus und sorgt mit seiner schroffen Art und Schlagfertigkeit für zahlreiche Lacher im Publikum. Seinem Spiel nimmt man in jedem Moment ab, dass Higgins von dem, was er sagt und tut, überzeugt ist. Mit großartiger Überheblichkeit präsentiert er direkt zu Anfang den Song "Kann denn die Kinder keiner lehren", in dem er den Verfall der englischen Sprache beklagt. Als weiterer darstellerischer Höhepunkt darf seine Interpretation des Liedes "Bin ein Mann wie jeder Mann" betrachtet werden, in dem er die Vorteile des Single-Daseins lobt und das Horrorszenario beschreibt, das sich einstellt, wenn man sich als Mann auf eine Frau einlässt. Die Arroganz gipfelt dann im zweiten Akt in dem Song "Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann", wenn Eliza das Haus verlassen hat und er sich noch nicht eingestehen will, dass ihm etwas an ihr liegt. Umso bewegender gelingt ihm dann der Wechsel in der Nummer kurz vor dem Schluss "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht", wenn sein einstiges Selbstbewusstsein zu bröckeln beginnt und in die Schwäche eines verletzten Kindes umschlägt.

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Eliza (Nadine Stöneberg, oben Mitte) wird der vornehmen Gesellschaft beim Pferderennen in Ascot präsentiert (oben von links: Higgins (Thomas Braus), Mrs. Eynsford-Hill (Tanja Ball), Freddy (Sangmin Jeon), Pickering (Tom Zahner), Lady Boxington (Ja-Young Park), Lord Boxington (Hak-Young Lee) und Mrs. Higgins (Dagmar Hessenland), unten: Chor).

Nadine Stöneberg ist eine bezaubernde Eliza Doolittle, die vor allem im zweiten Teil überzeugt, wenn sie sich als Dame mit Higgins auf Augenhöhe bewegt. Zu Beginn gibt sie eine rotzfreche Göre, die als berlinerndes Blumenmädchen die Ohren des Professors beleidigt. Leider achtet die Inszenierung nicht sauber darauf, dass sie an dieser Stelle nicht bereits Vokale verwendet, die sie im späteren Verlauf erst mühsam beim Professor lernen muss. Hier beherrscht sie nämlich noch den "ü"-Laut, der sie bei dem legendären "Es grünt so grün" an den Rand der Verzweiflung bringt. Stöneberg verfügt über eine frische Stimme, die bei ihrem ersten Song "Wäre det nicht wundascheen?" eine herrlich reine Naivität ausstrahlt. Bei "Wart's nur ab!" zeigt sie sich schon wesentlich aggressiver. Wenn sie sich ausmalt, wie sie "enry iggins" vom König hinrichten lässt, tritt in Cuschs Inszenierung der König (Oliver Picker) höchstpersönlich auf und führt Higgins mit verbundenen Augen zur Hinrichtung. Große Komik versprüht Stöneberg, wenn sie ihren Auftritt beim Pferderennen in Ascot hat. Wie sie von einer dressierten Puppe mit leeren Worthülsen allmählich in ihre richtige Sprache zurückfällt und damit die komplette Gesellschaft schockiert, wird von Stöneberg überzeugend umgesetzt. Umso perfekter tritt sie nach der Pause dann auf dem Diplomatenball auf und verzaubert den Prinzen von Transsylvanien. Überzeugen kann auch ihr Tanz mit dem Extraballett zum "Embassy Waltz". Sehr subtil spielt sie dann bei der Rückkehr in die Wimpole Street 27a ihre Verletztheit aus, wenn Higgins und Pickering sich gegenseitig feiern und sie gar nicht zur Kenntnis nehmen. Im Lied "Tu's doch!" lässt sie ihre ganze Wut über Freddys leere Liebesphrasen heraus, bevor sie dann relativ selbstbewusst im Song "Ohne dich" Higgins klar macht, dass sie ihr Leben auch ohne ihn meistern kann. Doch Cusch entscheidet sich, der versöhnlichen Schlussmusik des Musicals zu folgen. So kehrt Eliza am Ende nicht nur zu Higgins zurück, sondern verzeiht ihm selbst dann, als er sie als erstes um seine Pantoffeln bittet.

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Alfred P. Doolittle (Sebastian Campione, Mitte mit Marco Agostini (Jamie) links und Oliver Picker (Harry) rechts) bereitet sich auf seine bevorstehende Hochzeit vor.

Sebastian Campione gestaltet Elizas Vater Alfred P. Doolittle mit großem Spielwitz. Sein berühmter Song "Bringt mich pünktlich zum Altar" mit dem Chor der Wuppertaler Bühnen unter der Leitung von Marcus Baisch kann als weiterer Höhepunkt des Abends bezeichnet werden. Bei dem ersten Lied "Mit 'nem kleenen Stückchen Glück", das Campione mit seinen Freunden Harry (Oliver Picker) und Jamie (Marco Agostini) im ersten Akt präsentiert, klingen die Übergänge zum gemeinsam gesungenen Refrain in der Stimmlage etwas bemüht und nicht ganz sauber. Sangmin Jeon legt den Freddy Eynsford-Hill wunderbar schmachtend an und begeistert in seinem berühmten Lied "In der Straße, mein Schatz, wo du lebst" mit tenoralem Schmelz, der aber auch deutlich macht, dass Eliza mit diesem lebensuntüchtigen jungen Mann niemals glücklich werden könnte. Als kleiner Gag erscheint bei dem Song ein Fliederstrauß aus dem Orchestergraben, den Jeon dann auch mit großem Pathos besingt. Die Sprechrollen sind mit Tom Zahner (Oberst Pickering), Dagmar Hessenland (Mrs. Higgins) und Angela H. Fischer (Haushälterin Mrs. Pearce) ebenfalls gut besetzt. Wieso auf den Dienstmädchen-Song "Ach, Professor Higgins" verzichtet wird und die Dienstmädchen nur zur Melodie über die Bühne laufen, wird nicht ganz klar, da die Wuppertaler über einen Chor verfügen, der diese Nummer sicherlich überzeugend hätte präsentieren können. Bei der "Ascot Gavotte" kann man sich nämlich vom homogenen Klang und von der großen Spielfreude bestens überzeugen. Michael Cook führt das Sinfonieorchester Wuppertal mit sicher Hand durch die von Ohrwürmern gespickte Partitur und rundet den Abend musikalisch wunderbar ab. Hervorzuheben ist, dass der Orchestergraben zunächst hochgefahren ist und erst während der Ouvertüre hinabgelassen wird.

FAZIT

Wer eine klassische Musical-Inszenierung liebt, wird hier in Wuppertal auf seine Kosten kommen. Die Produktion stellt unter Beweis, dass ein Klassiker in klassischem Gewand auch nach 60 Jahren noch nicht angestaubt wirken muss.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Cook

Inszenierung und Choreographie
Cusch Jung

Bühne
Christoph Weyers

Kostüme
Sven Bindseil

Chor
Markus Baisch

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Chor der
Wuppertaler Bühnen

Statisterie und Extra-Ballett der
Wuppertaler Bühnen


Solisten

*Premierenbesetzung

Eliza Doolittle
Nadine Stöneberg

Prof. Higgins
*Thomas Braus /
Cusch Jung

Alfred P. Doolittle
Sebastian Campione

Oberst Hugh Pickering
*Tom Zahner /
Alexis Wagner

Mrs. Higgins
Dagmar Hessenland

Mrs. Pearce
Angela H. Fischer

Freddy Eynsford-Hill
*Sangmin Jeon /
Mark Bowman-Hester

Mrs. Eynsford-Hill
*Tanja Ball /
Banu Schult

Zoltan Karpathy / King / Harry
*Oliver Picker /
Andreas Heichlinger

Jamie
*Marco Agostini /
Tomasz Kwiatkowski

Mrs. Hopkins
*Katharina Greiß /
Barbara Pickenhahn

Lady Boxington
*Ja-Young Park /
Hong-Ae Kim

Lord Boxington
*Hak-Young Lee /
Sookwang Cho

Obsthändler
Sehyuk Im
Javier Horacio Zapata Vera
Jochen Bauer

Wirt
*Jaroslaw Nowaczek /
Mario Trelles Diaz

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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