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Musiktheater
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Doktor Faust

Oper in zwei Vorspielen, einem Zwischenspiel und drei Hauptbildern
Musik und Dichtung von Ferrucio Busoni

in deutscher Sprache mit Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 16. Juni 2018

 

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Theater Osnabrück
(Homepage)

Faustisches Streben          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Es muss nicht immer Richard Wagner sein. Mit der letzten Musiktheaterpremiere der Spielzeit 2017/18 zeigt das Theater Osnabrück noch einmal, welch grandiose Gesamtkunstwerke im Verborgenen schlummern und bei uns viel zu selten zu sehen bzw. zu hören sind. Facettenreiche musikalische Bilderwelten, Zitate und lange sinfonische Abschnitte – die Oper „Doktor Faust“, dessen Dichtung Busoni schon 1915 vollendete, dessen Komposition jedoch 1924, nach dem Tod des Kosmopoliten, von seinem Schüler Philipp Jarnach ergänzt werden musste, lebt von großer, anregender Ausdrucksvielfalt. Wie gleich zu Beginn der langen sinfonischen Einleitung ein naturalistisch wirkender Glockenklang  klangfarblich expressionistisch verfeinert, mixturähnlich ausgestaltet und weiterentwickelt wird, Chor und Extrachor schließlich im zartesten Pianissimo „Pax“ hinzufügen - die Osnabrücker Sinfoniker, das Solistenensemble und der Opern- und Extrachor verstehen es unter der Leitung von Andreas Hotz von Anfang an, das Publikum in den Bann zu ziehen, die Musikwelten Busonis einfühlsam zu zelebrieren, mystisch geisterhafte, religiöse oder romantisch-pathetische Atmosphäre ausdrucksstark vor Augen zu führen.

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Mephistopheles (Jürgen Müller, links) verführt Faust (Rhys Jenkins, rechts).

Busonis Libretto ist nicht Goethes „Faust“. Seiner Dichtung liegen ältere, dem Puppen- bzw. Volkstheater entnommene Szenen zugrunde: Nach dem Tode Gretchens bringen drei Studenten aus Krakau Faust das Zauberbuch. Er beschwört sechs Geister, die ihm als Flammen erscheinen. Nur der letzte, Mephistopheles ist schnell genug, um Fausts Verfolger zu töten. Er willigt in die Vertragsbedingungen ein. Sein unerbittlicher Verfolger, Gretchens Bruder, der Soldat, wird ermordet. Faust kommt als besondere Attraktion an den Herzoghof nach Parma, verführt die zwischen Abneigung und Anziehung schwankende schöne Braut und flieht mir ihr. Sie stirbt bei der Geburt des gemeinsamen Kindes, das ihm tot in die Wittenberger Studentenkneipe gebracht wird. Trotz schwindender Kräfte bleibt sein unermüdliches Streben nach neuem Erleben und tiefen Erkenntnissen. In Anlehnung an die Euphorion-Szene des Faust II beschwört er nun den Geist der Unbeschwertheit und des jugendlichen Übermuts. Und auch im Angesicht des Todes, nachdem ihn die Geister verlassen haben und ohne Trost im Gebet zu finden, bleibt sein Wille weiterzuleben ungebrochen.

Andrea Schwalbach zeigt diesen letzten faustischen Willen als Traum von der kleinen Familienidylle.  Während Faust verstirbt, feiern die Herzogin und Faust alias Mephisto den ersten Geburtstag mit ihrem Kind.

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Szene während der musikalischen Einleitung (José Gallisa, Mark Hamman, Lina Liu, Jennifer Wakana Richter, Jan Friedrich Eggers und Jasmin This)

Schwalbachs Faust, der von Rhys Jenkins brillant gespielt und mit brustig schillerndem Bariton und müheloser Leichtigkeit gesungen wird, ist von Anfang an ein gebrochener, verwirrter, kranker Bürgerlicher. An seiner Seite verführt bzw. steht ihm – ebenfalls meisterlich gesungen - Tenor Jürgen Müller als Alter Ego/ Mephisto zur Seite. Angesichts schwindender Kräfte und Krankheit lässt Faust nun Menschen und Stationen seines Lebens noch einmal Revue passieren. Alles findet am quasi selben Ort statt, eine Art spärlich möblierter Probebühne. Bücherhaufen werden neu geordnet und wieder verworfen. Gretchen wird als tote, passive Maskenfigur aus dem Kasperletheater von einem zum anderen gereicht. Hinter einem Sammelsurium an leicht verwahrlosten Sitzgelegenheiten prangt ein groß dimensioniertes Gemälde mit adligem Reiter, hoch dekoriertem Pferd und aufgestellten Gefechtsgruppen. Mal scheinen sich die farbreichen Gestalten des Gemäldes von oben nach unten in eine bräunlich gelbe Farbsoße aufzulösen, mal in umgekehrter Bewegungsrichtung neu zu entstehen.

Gretchens Bruder ist kein Soldat, sondern ein mit den Wundmalen Christi versehener, ebenfalls gebrochener Mann, der sich im Intermezzo zu den Orgelimprovisationen an den unteren Rand des Gemäldes in die Szene schleppt, pantomimisch das tote Gretchen im Arm haltend. Eine von Jan Friedrich Eggers beeindruckend gespielt und gesungene Szene. Sie ist Symbol für eine Gesellschaft im Umbruch, deren dekadente Spielereien mit Kasperlefiguren und der schönen Herzogin – klangvoll und textverständlich interpretiert von Lina Liu – auf dem herzoglichen Fest zur Schau gestellt werden.

Bei allen szenischen, mimischen und choreografischen Einfällen der Regisseurin letztlich stand an diesem Premierenabend das kontrast- und facettenreich interpretierte  musikalische Geschehen im Vordergrund. Star des Abends waren neben den Gesangssolisten und dem brillant aufgelegten Osnabrücker Symphonieorchester auch der wunderbar homogene, im zarten Pianissimo aus dem Off tönende Chor und Extrachor des Theaters.

FAZIT

Eine vor allem musikalisch überzeugende, selten zu sehende Faust-Interpretation Feruccio Busonis



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Andrea Schwalbach

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Stephan von Wedel

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ulrike Schumann

 

Osnabrücker Symphonieorchester

Opernchor des Theaters Osnabrück


Solisten

Doktor Faust
Rhys Jenkins

Mephistopheles / Nachtwächter
Jürgen Müller

Wagner / Theologe
José Gallisa

Herzog von Parma /
Megäros, eine Geisterstimme

Mark Hamman

Die Herzogin von Parma
Lina Liu

Der Zeremonienmeister / Jurist
Genadijus Bergorulko

Soldat / Naturgelehrter /
Asmodus, eine Geisterstimme

Jan Friedrich Eggers

Ein Leutnant
Hans-Herrmann Ehrich

Der Schüchterne / 3. Wittenberger Student
Ulrich Enbergs

Gravis, eine Geisterstimme
Marcin Tlałka

Levis, eine Geisterstimme
Kyodong Kum

Beezlebuth, eine Geisterstimme /
1. Wittenberger Student

Daniel Wagner

Drei Studenten aus Krakau
Jong-Bae Bu
Ji-Seong Yoo
Kyodong Kum

2. Wittenberger Student
Jong-Bae Bu /
Silvio Heil

4. Wittenberger Student
Ji-Seong Yoo

5. Wittenberger Student
Tomas Vaitkus

Ein Student
Mario Lee /
Dongil Lim /
Genadijus Bergorulko

Stimme von oben, 1. Sopran-Solo
Radoslava Yordanova

Stimme von oben, 2. Sopran-Solo
Chihiro Meier-Tejima

Stimme von oben, Mezzo-Solo
Kathrin Brauer




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





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