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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Eine gewagte clowneske Neuinterpretation Von Thomas Molke / Fotos von Jörg Landsberg
Sind nicht alle hysterischen Frauen seit Jahrhunderten so? Sie wollen doch eigentlich nur das Eine, fallen vor Erregung, beim Handkuss in Ohnmacht, teilen aus, gehen mit dem berühmten unwiderstehlichen Verführer in die Kiste und beschuldigen ihn anschließend? Oder? Zerlina (Kathrin Filip) und Don Giovanni (Filippo Bettoschi) Als wenn es die #metoo-Debatte nicht gäbe, führt uns Christian von Götz in seiner Don Giovanni-Neuinszenierung, die jüngst im Theater Münster Premiere feiert, den alten Don Juan-Typ vor Augen, dem die Frauen um seiner selbst willen erliegen - widerstandslos, freudig und erwartungsvoll. So positiv und widerspruchslos hatte selbst Mozart seinen Held nicht gesehen, wird er doch gleich in der ersten Szene von Donna Anna beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Im anschließenden Zweikampf tötet er zudem – wenn auch fahrlässig – Donna Annas Vater, der seiner erregten Tochter zur Hilfe eilen wollte. Neue erotische Abenteuer locken. Jetzt lernt man den sexgeilen, göttlichen Don Giovanni als bindungsunfähig kennen. Seine nächste Eroberung, eine schöne Verschleierte entpuppt sich als verlassene Geliebte, die ihm gefolgt ist, um sich zu rächen. Immer jünger werden die Angebeteten, immer aussichtsloser ein mögliches Beisammensein. Don Ottavio (Youn-Seong Shim), Donna Anna (Nina Koufochristou), Don Giovanni (Filippo Bettoschi) und Donna Elvira (Kristi Anna Isene) Von der faszinierenden mozartinischen Zerrissenheit und den historischen Anspielungen an die französische Revolution ist bei Christian von Götz allerdings nicht viel übrig geblieben. Obwohl er die münstersche Neuinszenierung in der Wiener Fassung enden lässt – alle erscheinen, sehen Don Giovanni tot in der Kiste liegen, stoßen einen Schrei aus und fliehen - , steht für ihn das komödiantische Spiel alla Commedia dell’arte im Vordergrund. Zu den Klängen der Ouvertüre prangt in gigantischen Dimensionen Giorgones berühmte, schlummernde Venus-Darstellung auf einem Gazevorhang. Das rot schillernde Kissen unter ihrem Kopf hat sich zu einem altertümlichen Bühnenvorhang ausgeweitet und bildet den äußeren Rahmen. Passend zur dämonischen, düster lastenden Stimmung in der Musik kriecht eine Spinne über die Oberschenkel der Schönen oder leuchtet der Himmel gewittergleich auf, während sich die Komödianten auf einer Passarelle vor dem Orchestergraben präsentieren. Leporello, ansprechend interpretiert von Gregor Dalal ist der freche, vorlaute, mitunter scharfsinnige Diener Don Giovannis und sitzt als Arlecchino gewandet auf einer Kiste, in die sich – quasi als Vorgeschichte zur ersten Szene – zunächst Don Giovanni und dann Donna Anna zurückgezogen haben. Die übrigen Gesangsolisten hat Sarah Mittenbühler in aufwendig kostümierte, bunte, mitunter grotesk und humorvoll überzeichnete Barockfiguren mit anspielungsreichen, fantasievollen Turmfrisuren verwandelt. Einfallsreich und dekorativ beeindruckt auch das Bühnenbild von Lukas Noll. Er präsentiert zwei kunstvoll verschränkte Halfpipes für das Spiel auf der Bühne, umrahmt von einem vergrößerten, kaleidoskopartig angeordneten Blumenmuster aus gelben Lilien und Narzissen, das im zweiten Akt räumliche Dimensionen erfährt und in der Ballszene perspektivisch vervielfältigt auch die Hinterbühne in das Spiel einbezieht. Donna Elvira (Kristi Anna Isene, rechts) mit ihrer Zofe (Verena Hierholzer, links) Erfrischend – zumindest für die klassischen Opernsparte des Theater Münster - ist das lebendige Spiel auf der Bühne. Bruchlos wechseln die Gesangssolisten zwischen dialogischen Rezitativpassagen in deutscher Sprache und dem italienischen Originaltext Lorenzo da Pontes. Allerdings verkürzt die clowneske Personencharakterisierung all zu sehr und lenkt von dem differenzierten Musikkommentar Mozarts ab. Donna Elvira erscheint als liebestolle Rächerin mit Gewehr. Donna Anna, brillant gesungen von Nina Koufochristou, strickt Strümpfe, mit denen sie am Ende Don Ottavio vertröstet. Zerlina - überzeugend gespielt und gesungen von Kristi Anna Isene - und die bäuerliche Feiergesellschaft betreten sackhüpfend die Bühne. Sie liebt die Verführung ebenso wie die als stumme, zarte, attraktive Ballerina erscheinende Zofe Donna Elviras. Bei all den lustigen Einfällen und Späßen auf der Bühne ging die ausdrucksstarke Musik Mozarts jedoch verloren. Dramatisches Flackern, ruheloses Drängen – Schon in der Ouvertüre hätte ich mir eine präsentere musikalische Gestaltung des Orchesters gewünscht - eine Gestaltung, die stärker den Ausdruck und die differenzierten Tempi der Musik hervorhebt. Zudem gab es im ersten Akt – zumindest in der besuchten Premiere – noch temporale Abstimmungsprobleme zwischen Bühne und Orchestergraben. Weitere, neben den oben genannten, gesanglichen Höhepunkten des Abends sind: die Ensembles, ein engagiert singen- und spielender Chor, die Champagnerarie, die Filippo Bettoschi in rasantem Tempo vorträgt, sowie „Il mio tesoro intanto“ von Youn-Seong Shim.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Sinfonieorchester Münster Hammerklavier Opernchor des Theaters Münster
Solisten
Don Giovanni
Il Commendatore
Donna Anna
Don Ottavio
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
Elviras Zofe
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