Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Was für ein Theater!
Von Roberto Becker
/
Fotos von Sebastian Stolz - filmwild.de Gleichsam wie einen Abschiedsgruß, der im Gedächtnis bleiben soll, hat die (nicht ganz freiwillig) scheidende Meininger Operndirektorin Aldona Farrugia jetzt Richard Strauss' und Hugo von Hofmannsthals Ariadne auf Naxos - man kann schon sagen: entfesselt. Eigentlich war das ja mal als ein Mix aus Schauspiel und Oper gedacht. Beim Publikum funktionierte das aber nicht. Man wollte damals (wie heute im Grunde auch) entweder Schauspiel oder Oper sehen. Das, was Komponist und Dichter dann als Mix aus flotter musikalischer Komödie und kleiner, ganz großer Oper machten, und wie es seither aufgeführt wird, funktioniert allerdings hervorragend. Alle proben die Oper schon mal für sich ... vorne beginnt der Komponist zu verzweifeln
Wenn man es kann und die nötigen Zutaten dafür hat. Man braucht im Grunde "nur" einen ausgeprägten Sinn für Tempo und Komödie, auf dem Besetzungszettel eine exzellente Hochdramatische, einen Powertenor und als Kontrast eine flotte Gurgel für die Koloraturen der Zerbinetta. Dazu ein Ensemble für das übrige Personal drumherum. Und als Fundament: ein versiertes Orchester in Hochform. Wie die gefeierte Premiere bewies, können sie mit alldem im Wagner- und Strauss-erprobten Meiningen aufwarten. Aldona Farrugia und ihr Team (Ausstattung: Anja Hertkorn, Choreographie: Axel Carle) geben dem Komödiantenaffen kräftig Zucker. Sie lassen die Truppe schon vor dem Anfang bei geöffnetem Vorhang beginnen und beschränken sich auch nach den ersten Takten aus dem Graben nicht auf die Bühne. Sie verpassen etwa dem Haushofmeister (souverän in der Sprechrolle: Gregor Nöllen) nicht nur eine hübsch alberne Allonge-Perücke, sondern erlauben ihm auch, die übereifrige Souffleuse, die ihm seinen Text überlaut von der Seite aus vorsagt, einfach rauszuschmeißen, als ihm diese überflüssige Besserwisserei auf die Nerven geht. In der Pause lassen sie ihn sogar mit dem Publikum zusammen in kleiner Besetzung weiterspielen. Was da im Gegenlicht auftaucht, kann doch nur ein Gott sein
Sie reservieren der Primadonna die rechte Proszeniumsloge für ihre zickigen Einwände und lassen ihren Tenorkollegen als Bacchus ausgiebig in den Seilen schon mal probehalber über die Bühne schweben. Schließlich verschwinden nach und nach alle (Insel-, Landschafts- und sonstige) Requisiten. Es gibt einen Beleuchtungscoup mit Gegenlicht, wenn der von der traurigen Ariadne erwartete Bacchus endlich auftaucht. Die Regie hält durchweg die Balance zwischen ausgestellten Operngesten und ihrer Parodie, zwischen Ernst und Witz. Auch wenn sie nicht alle möglichen Konstellationen (wie zwischen Zerbinetta und dem jungen Komponisten) detailliert ausleuchtet. In der Hauptsache folgen sie einem roten Faden. An dessen Anfang steht das Drunter und Drüber einer Probesituation im Ausnahmezustand und an dessen Ende die volle Wucht der Wirkung von Gefühl und Musik. Und tatsächlich ein kleines Bühnenfeuerwerk, so wie es der Haushofmeister angekündigt hat. Der Haushofmeister bei seinen Schießübungen, bei denen der Komponist in die Schusslinie gerät
Den stärksten Eindruck hinterlassen vor diesem Hintergrund die als Primadonna in der Komödie langsam in Fahrt kommende und dann als Ariadne in der Oper geradezu sensationell aufdrehende Brit-Tone Müllertz. Kraftvolles Leuchten, mühelos charismatisch. Sie kassiert für die erste große Arie (ganz zu recht) begeisterten Szenenapplaus und würde allein schon einen Besuch dieser Ariadne lohnen. Aber auch Michael Siemon ist ein selbst im Dauerforte noch "schön" singender Tenor und dann der aus dem Schnürboden einschwebender Gott Bacchus. Mit Monika Reinhard bietet das Meininger Ensemble auch eine beweglich trällernde und flott spielende Zerbinetta auf, die mit ihren Koloraturen abräumt und "ihre" Männer um den Finger wickelt. Was sich Harlekin (Marián Krej?ík), Scaramuccio (Ondrej Šaling), Truffaldin (Daniel Pannermayr) und Brighella (Siyabonga Maqungo) natürlich mit Lust gefallen lassen. Stan Meus ist der geborene Tanzmeister, Dae-Hee Shin ein exzellenter Musiklehrer und Deirdre Angenent sein Komponisten-Schützling. In der Oper sind Anne Ellersiek Echo und Marianne Schechtel die Dryade. Dass Ani Taniguchi als Najade-Einspringerin singt von der Seite und die Regieassistentin das Spielen übernimmt, passt hier in die Inszenierung, die sowieso aufs Theatermachen setzt. Ein Ariadne der Sonderklasse
Schließlich spielt GMD Philippe Bach die historisch gewachsene Straussaffinität der Hofkapelle voll aus. Man hört ihm und seinen Musikern ebenso gerne zu, wie man dem Bühnentreiben zusieht, das auf die beiden vokalen Schwergewichte fokussiert ist. Dass die (ökonomischen) Rahmenbedingungen der Kunst allen Beteiligten und Machern Kompromisse abverlange, ist der zu allen Zeiten gültige Bezugsrahmen dieser Oper. Das war zu ihrer Entstehungszeit nicht anders als heute. Woran man auch in Meiningen mal weniger, mal mehr erinnert wird. FAZIT Das Theater Meiningen stellt mit dieser Produktion seine Leistungsfähigkeit unter Beweis. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Der Haushofmeister
Ein Musiklehrer
Der Komponist
Der Tenor/Bacchus
Ein Offizier
Ein Tanzmeister
Ein Perückenmacher
Ein Lakai
Zerbinetta
Primadonna/Ariadne
Harlekin
Scaramuccio
Truffaldin
Brighella
Najade
Dryade
Echo
|
© 2017 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de