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Le nozze di Figaro (Figaros Hochzeit)

Opera buffa in vier Akten)
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 40' (eine Pause)

Premiere am 26. Oktober 2017 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Kleiner Mensch und große Tür

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl

Der Regisseur Christof Loy gehört an der Bayerischen Staatsoper in München zu den gern gesehenen Gästen. Er inszeniert bereits zum siebenten Mal an der Isar. Auch mit Mozart im Allgemeinen und Le nozze di Figaro im Besonderen ist er bestens vertraut. In seinem Frankfurter Don Giovanni war Christian Gerhaher der Titelheld - jetzt steht er als Graf Almaviva auf dem Besetzungszettel. Anne Sofie von Otter, die einst als Cherubino Triumphe gefeierte hatte und vor zehn Jahren gemeinsam mit dem als Liedinterpret weithin gerühmten Bariton eine CD unter dem Titel Theresienstadt aufgenommen hat, begegnet ihm jetzt als Marcelline wieder. Mit dem Habitus einer würdevoll eleganten Dame. Klar, dass diese Marcellina bei Loy ein Format hat, das von dem üblichen Klischee der verbitterten Alten meilenweit entfernt ist. Ihr gestattet er sogar eine Liedeinlage (Mozarts Abendempfindung mit Klavierbegleitung).

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Auftakt in der Puppenbühne

Vor der Klischeefalle muss sich bei diesem sensiblen Regisseur niemand fürchten. Schon weil er Mozarts und Da Pontes opera buffa sehr nah an uns heran zoomt. Es gibt also kein Märchen am Minihofe eines übergriffigen Landadligen, der eine Oper vorher (bei Rossini) eine Zofe zur Gräfin gemacht hat, aber nun von seiner Vorliebe für die Vertreterinnen dieses Standes nicht lassen kann. Dafür ein Nachdenken über Beziehungskonstellationen oder besser darüber, wie sich die Liebe zwischen zwei Menschen im Laufe des Lebens entwickeln kann und welchen Gefährdungen sie immer und immer wieder ausgesetzt ist.

Dafür bietet ihm Da Ponte ein Personaltableau vom Feinsten. Das junge Brautpaar Figaro und Susanna wird in den Turbulenzen des mit diversen Intrigen gespickten Hochzeitstages (und der mittsommerlichen Nacht) mit all dem konfrontiert. Sie werden an das ausbrechende erste Liebesfeuer erinnert, wenn sie Cherubinos Leidenschaft und Barbarinas ziemlich selbstbewussten Umgang mit ihrer Attraktivität erleben. Anna El-Khashem macht ihre kurzen Auftritte zu einem vokalen Ereignis. Während Solenn' Lavanant-Linke als Cherubino alle Frauen im Visier hat und es zumindest schafft, dass die bis hinauf zur Gräfin in Versuchung kommen. Während die Männer (hier sind sich der Graf und Figaro so gut wie einig) so wütend werden, dass sie den Burschen mit Vergnügen in den Militärdienst entsorgen wollen. Vor allem durch Anne Sofie von Otters Präsenz und Noblesse als Marcellina, der Paolo Bordogna als Bartolo durchaus stand hält, rückt auch das älteste Paar mehr als sonst in den Fokus des Betrachters.

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Susanna und Marcellina

Am interessantesten sind wie immer die beiden mittleren Paare. Wie zu erwarten versteht es vor allem Christian Gerhaher mit präziser Artikulation und sängerischer Intelligenz, die innere Zerrissenheit eines Frauenaufreißers glaubhaft zu machen, der zunehmend als (Haus-)Herr und übergriffiger Arbeitgeber, aber auch als Mann, an seine Grenzen stößt. Da wird seine Cäsaren-Triumphpose zu einer holen Phrase. Und das schon deshalb, weil er dabei nicht auf einem Sockel, sondern auf einem Salonsessel steht.

Die Bühne von Johannes Leiacker erinnert an die Ästhetik einer Claus-Guth-Inszenierung, der ja auch schon des öfteren mit Wahrnehmungsverschiebungen gespielt hat. Bei Loy beginnt das Ganze noch während der Ouvertüre auf einer Puppenbühne, auf der Figaro das Zimmer ausmisst, Susanna ihn aus jeder Illusion über die Güte des Grafen reißt und dann auch noch Cherubino auftaucht. Bis schließlich der Kopf des (schon oft bewährten) Figaro-Darstellers Alex Esposito erscheint und schließlich der ganze Mann den Rahmen dieser Bühne sprengt. Wenn der Vorhang sich hebt, finden wir uns in einem Salon wieder, in dem die Größenrelationen zwischen Mensch und Tür immer noch nicht stimmen. Und auch nie stimmen werden. Sind sie zunächst so klein, dass alle den Kopf einziehen müssen, wenn sie durch wollen, werden die im Laufe des Abends immer größer. Am Ende, nach der Nacht im Park, sind die Menschen im Verhältnis zu der einen Tür so geschrumpft, wie eine Maus. Dieser Zoom lässt jede Menge Raum für Deutungen.

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Hinten das Brautpaar, vorn Barbarina

Es hat durchaus etwas resignierend Melancholisches, wenn der Mensch mit wachsender Erfahrung immer kleiner wird. Dazu passt auch, dass Figaro ganz am Ende, wenn alle schon durch den Spalt, den die leicht geöffnete Tür lässt, ins Dunkel einer ungewissen Zukunft (?) entflohen sind, erschrickt. Und uns einlädt, sein Erschrecken zu teilen. Auf der anderen Seite enthebt dieser Zugang den Regisseur, naturalistisch die Stimmigkeit jedes Details zu erklären. Da ist die Tür des Kabinetts eben erst so verrammelt, dass der Graf gleich mehrere Werkzeugkästen anschleppt, um sie zu öffnen, andererseits war das aber für Susanna und Cherubino keine Hürde. Loy geht es diesmal vor allem um die brodelnden Obsession und das Aufdämmern von emotionalen Erfahrungen.

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Am Ende sind die Menschen klüger, aber winzig

In einem herausfordernden Kontrast zu dieser Suche nach dem inneren Maß des Stückes steht das Feuerwerk, das Konstantinos Carydis am Pult des Bayerischen Staatsorchesters entfesselt. Da kochen die Emotionen schon in der Ouvertüre hoch. Das hält er durch, auch wenn er es mit diversen Generalpausen oder lyrischen Momenten unterbricht. Vor allem gelingt es ihm aber, alle Interpreten zu einer geschlossenen Ensembleleistung zu inspirieren, bei dem die jungen Talente ebenso zu ihrem Recht kommen wie die gestandenen Stars. Überraschend ist Federica Lombardi als die würdevolle, stets höhensichere Gräfin an der Seite von Christian Gerhaher. Olga Kulchynska steigert sich nach anfänglicher Zurückhaltung zu einer souveränen Susanna. Alex Esposito spielt seine Erfahrung als Figaro elegant aus. Bei den kleineren Rolle fällt Manuel Günther als geschmeidiger Basilio auf.

FAZIT

Christof Loy hat eine in sich stimmige Inszenierung abgeliefert, die dennoch Räume fürs Nachdenken eröffnet, die eine pure Komödie verschlossen hielte. Gesungen wird auf hohem bis sehr hohem Niveau, musiziert mit eingenwilliger Verve.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Constantinos Carydis

Inszenierung
Christof Loy

Bühne
Johannes Leiacker

Puppenbauer
Axel Bahro

Kostüme
Klaus Bruns

Licht
Franck Evin

Chor
Stellario Fagone

Dramaturgie
Daniel Menne



Bayerischer Staatsopernchor


Solisten

Graf Almaviva
Christian Gerhaher

Gräfin Almaviva
Federica Lombardi

Cherubino
Solenn' Lavanant-Linke

Figaro
Alex Esposito

Susanna
Olga Kulchynska

Bartolo
Paolo Bordogna

Marcellina
Anne Sofie von Otter

Basilio
Manuel Günther

Don Curzio
Dean Power

Antonio
Milan Siljanov

Barbarina
Anna El-Khashem

Puppenspieler
Axel Bahro
Thomas Schwendemann

Mädchen
Niamh O'Sullivan
Paula Iancic


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



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