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Musiktheater
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La Strada

Ballett von Marco Goecke
nach dem gleichnamigen Film von Federico Fellini, Buch von Federico Fellini und Tullio Pinelli
Musik von Nino Rota (reduzierte Orchesterfassung für das Staatstheater am Gärtnerplatz von Ben Phelps)


Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Premiere im Staatstheater am Gärtnerplatz am 12. Juli 2018
(rezensierte Aufführung: 23.07.2018)



Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)

Bezaubernde Musik in abstrakten Bildern

Von Thomas Molke / Fotos:
© Marie-Laure Briane

La Strada aus dem Jahr 1952 gilt als ein Meilenstein der italienischen Filmgeschichte und machte Federico Fellini zum international gefeierten Regisseur. Einen nicht unwesentlichen Anteil an diesem großen Erfolg dürfte auch der Komponist Nino Rota haben, der für fast alle Filme Fellinis die musikalische Untermalung schuf und sie stilistisch prägte. Gerade in dem Film La Strada, den Thomas Koebner in Federico Fellini: Der Zauberspiegel seiner Filme als "Drama zweier Stummer" bezeichnete, "deren Gefühle durch die Musik verdolmetscht" würden, kommt Rotas Musik eine ganz besondere Rolle zu. Fellini selbst sah in dem Stück immer eine geeignete Vorlage für eine Oper. Dazu sollte es aber bis jetzt nicht kommen. Stattdessen gab die Mailänder Scala bei Rota die Umarbeitung zu einer Ballettsuite in Auftrag, die dort am 2. September 1966 uraufgeführt wurde. Nun hat man dieses Ballett in einer reduzierten Orchesterfassung von Ben Phelps im Staatstheater am Gärtnerplatz auf den Spielplan gestellt und als Choreographen Marco Goecke verpflichtet, dessen Kreationen man eigentlich nicht mit Handlungsballetten in Verbindung bringt.

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Zampanò (Özkan Ayik) dressiert Gelsomina (Verónica Segovia) wie einen Hund.

Erzählt wird die Geschichte von dem grobschlächtigen Artisten Zampanò und dem einfältigen Mädchen Gelsomina. Zampanò hat Gelsomina ihrer Mutter für 10.000 Lire abgekauft, damit sie ihm bei seinen Auftritten assistiert. Dabei behandelt er sie sehr schlecht und dressiert sie wie einen Hund. Gelsomina bleibt trotzdem bei ihm, erträgt die Demütigungen und Schläge, weil sie kein anderes Leben kennt. Erst als sie im Zirkus auf den Seiltänzer Matto trifft, erfährt sie ein bisschen Zuneigung. Er lehrt sie eine kleine Melodie auf der Trompete und gibt ihr das Gefühl, ein wertvoller Mensch zu sein. Doch es kommt zum Streit zwischen Matto und Zampanò, was dazu führt, dass Zampanò und Gelsomina den Zirkus verlassen müssen. Als die beiden später auf einer Landstraße Matto erneut begegnen, erschlägt Zampanò ihn. Gelsominas Welt bricht zusammen, und sie verfällt in eine Isolation. Zampanò lässt sie mit etwas Geld und der Trompete an der Straße zurück. Jahre später hört er von einem jungen Mädchen die Trompetenmelodie, die Gelsomina immer gespielt hat, und erfährt, dass Gelsomina als unbekannte Heimatlose gestorben ist. Erst jetzt erkennt Zampanò seine eigene Einsamkeit und bricht zusammen.

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Zampanò (Özkan Ayik) vergnügt sich mit einer Hure (Chiara Viscido).

Goecke folgt im Großen und Ganzen dieser Handlung, wobei die moderne und leicht hektische Bewegungssprache nicht immer ganz nachvollziehbar ist. Stellenweise lässt er die Tänzerinnen und Tänzer auch reden bzw. schreien, doch die Äußerungen bleiben größtenteils unverständlich, so dass man dadurch keinen weiteren Einblick in die Handlung gewinnt. Die dramatische Musik Rotas überträgt Goecke nicht in den Tanz, sondern choreographiert bisweilen ganz bewusst dagegen, um ein Gegengewicht zu den teilweise doch sehr schwülstigen Melodienbögen zu schaffen. Michaela Springer hat als Bühnenbild im Hintergrund ein Feld mit hohen Sträuchern entworfen, dass die innere Isolation der Hauptfiguren wunderbar beschreibt. Am Anfang und am Ende werden diese Sträucher von dunklen Tüchern bedeckt, die an das Wogen des Meers erinnern. In diesen Wellen sieht man, noch bevor Rotas Musik beginnt, Rosa (Amelie Lambrichts), Zampanòs erste Frau. Zum Rauschen des Meers zieht sie Grimassen und zuckt scheinbar unkontrolliert mit dem Körper. Plötzlich taucht Zampanò (Özkan Ayik) hinter ihr auf und unterbindet diese Bewegungen. Man hat den Eindruck, dass er sie anschließend erschlägt, was erklärt, wieso er eine neue Assistentin benötigt.

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Gelsomina (Verónica Segovia) ist von dem Seiltänzer Matto (Javier Ubell) fasziniert.

Die Kostüme, für die ebenfalls Springer verantwortlich zeichnet, sind größtenteils in Schwarz gehalten und fangen die traurige Geschichte sehr gut ein. Zampanò tritt meistens mit nacktem Oberkörper auf und betont mit den durchtrainierten Muskeln Ayiks die körperliche Stärke Zampanòs. Gelsomina (Verónica Segovia) trägt unter ihrem schwarzen Mantel ein helles Oberteil mit wehenden Fransen, das ihre Verletzlichkeit unterstreicht und deutlich macht, dass sie mit diesem Leben eigentlich sehr unglücklich ist. Lambrichts trägt als Rosa zu Beginn einen hellen Anzug, der gar nicht ins Bild passt, was vielleicht auch der Grund ist, wieso Zampanò sie im Meer umbringt. Auch Matto (Javier Ubell) hebt sich mit einem hellen Unterhemd von den übrigen Figuren ab und wirkt wie ein Lichtblick in Gelsominas düsterem Leben. Dass die Wäscherin (Lieke Vanbiervliet), von der Zampanò am Ende erfährt, dass Gelsomina gestorben ist, ebenfalls ein weißes Oberteil trägt, rundet den Kontrast ab, die helle Farbe mit dem Tod zu verbinden. Die dunkelroten Clownkostüme bringen nicht wirklich Farbe ins Stück, sondern verkörpern ebenfalls die brutale Welt, der Gelsomina ausgesetzt ist.

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Zampanò (Özkan Ayik, hinten links) und Gelsomina (Verónica Segovia, hinten Mitte) auf der Straße (vorne: Alfonso Fernández als Reh)

Goecke gesteht in seiner Choreographie Segovia als Gelsomina etwas mehr Selbstständigkeit und eigenen Willen ein, als sie im Film besitzt. So öffnet sie sich dem Publikum und bläst bereits auf einer kleinen Tröte, noch bevor sie die Trompetenmelodie von Matto erlernt, eine Szene, auf die im Ballett verzichtet wird. Eine sehr eindringliche Sequenz hat Segovia mit dem großen Kind (Rodrigo Juez Moral) auf der Bauernhochzeit, das wegen seiner Andersartigkeit in einem Hinterzimmer versteckt wird. Während Zampanò sich mit der Witwe (Rita Barão Soares) vergnügt und dafür mit dem Sakko ihres verstorbenen Mannes belohnt wird, kommt Gelsomina diesem verstörten Kind sehr nahe und schenkt ihm einen Moment des Glücks, der bei Goecke eine sexuelle Komponente hat. Auch im Zusammenspiel mit Ubell als Matto ist anzunehmen, dass Gelsomina ein Verhältnis mit ihm hat, was Zampanòs anschließende Wut und Eifersucht noch weiter erklären würde. Während die Fahrt auf der Straße mit zwei ins Publikum leuchtenden Scheinwerfern gut umgesetzt wird, bleibt der Sinn der Rehe, die dabei auf der Bühne herumspringen unklar. Auch bleibt Goecke in der Zeichnung von Zampanòs Brutalität und sexuellem Trieb sehr abstrakt.

Musikalisch taucht Michael Brandstätter mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatztheater wunderbar in Rotas Klangwelten ein, schwelgt in dem melodramatischen Hauptmotiv des Stückes und macht nachvollziehbar, wieso der Film mit dieser fantastischen Musik ein so großer Erfolg geworden ist. Verónica Segovia begeistert als Gelsomina mit intensivem Spiel und großartiger Mimik, die der filmischen Darstellung sehr nahe kommen dürfte. Alessio Attanasio setzt als Clown komische Akzente. Javier Ubell gestaltet den Matto als sympathischen, dabei aber recht leichtfertigen Charakter, der sich der Dimension seines Handelns nicht bewusst ist. Özkan Ayik gibt den Zampanò als brutalen Mann, der meint, dank seiner Körperkraft die Mitmenschen beherrschen zu können. Auch das restliche Ensemble überzeugt durch großen körperlichen Einsatz. Auch wenn die Bewegungssprache teilweise konträr zum Handlungsablauf ist, lässt sich die Geschichte, wenn man sie kennt oder vorher das Programm sorgfältig gelesen hat, gut nachvollziehen.

FAZIT

Rotas Musik erzählt eine bezaubernde Geschichte, die von Goecke in recht abstrakten Bildern umgesetzt wird.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Brandstätter

Choreographie
Marco Goecke

Bühnenbild und Kostüme
Michaela Springer

Licht
Udo Haberland

Dramaturgie
Daniel C. Schindler

 

Orchester des
Staatstheaters am Gärtnerplatz


Solisten

Zampanò
Özkan Ayik

Gelsomina
Verónica Segovia

Matto
Javier Ubell

Mutter
Isabella Pirondi

Großes Kind
Rodrigo Juez Moral

Hure
Chiara Viscido

Witwe
Rita Barão Soares

Zirkusdirektor
David Valencia

Wäscherin
Lieke Vanbiervliet

Clown
Alessio Attanasio

Rosa
Amelie Lambrichts

Ensemble
Anna Calvo
Marta Jaén
Roberta Pisu
Ariane Roustan
Vanessa Shield
Guido Badalamenti
David Cahier
Alfonso Fernández
Thomas Martino
Luca Seixas

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)





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