![]() ![]() |
Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
![]() ![]() ![]() ![]() |
|
Ästhetisch
stilisiert Von Bernd Stopka / Fotos von N. Klinger Lange musste Kassel nach dem Tannhäuser im Jahr 2013 auf die nächste Produktion einer Wagner-Oper warten (einen konzertanten 1. Akt der Walküre zählen wir mal nicht mit), obwohl es dort ja doch eigentlich eine große Wagner-Tradition gibt. Vielleicht wollte man Kräfte für den neuen Ring sammeln, der in der nächsten Spielzeit begonnen wird, zunächst aber wird sich mit Tristan und Isolde noch einmal Wagner-warm gespielt. Ulrike Schneider (Brangäne), Ann Petersen (Isolde)
Stephan
Müller inszeniert das genialste Werk des
Dichterkomponisten in spartanischen, stilisierten
Bühnenbildern von Michael Simon und
klassisch-realistischen Kostümen von Carla
Caminati mit dem Ansatz, die überbordenden
Leidenschaften durch sachliche Strenge und
zwanghaft wirkende Zurückhaltung zu konterkarieren
und damit umso deutlicher werden zu lassen – was
auch eindrucksvoll gelingt. Wechselnde
Hintergrundfarben, dezent eingesetzte
Projektionen, beeindruckende Schattenspiele und
der Einsatz der Hubpodien variieren das
ästhetische Bühnenbild, das einen zurückhaltenden
Rahmen bildet, sich nicht aufdrängt und zur
Gattung der „dienenden Bühnenbilder“ gezählt
werden darf. Es lenkt nicht ab und gibt
nicht nur Raum für eigene Assoziationen und
Gedanken, es ermöglicht auch die intensive
Konzentration auf Text und Musik. Nach dem Vorspiel werden Isolde und Brangäne auf Hubpodien auf die Bühne gefahren. Im ansonsten nur dezent farblich ausgeleuchten Hintergrund sieht man die fast bühnenbreite Projektion eines liegenden, leidenden oder toten Mannes, der eigentlich nur der verwundete Tristan aus der Vorgeschichte sein kann (wäre es Morold, hätte er keinen Kopf, denn den hat ihm Tristan ja abgeschlagen und Isolde geschickt), was unterstreicht, dass Isolde immer wieder auf ihre Rettung des schwer Verwundeten anspielt und darauf Rechte – auf Liebe oder Rache – abzuleiten scheint. Eine schmale, gülden glänzende, an eine Klinge erinnernde, sich langsam bewegende Projektion gibt zu Interpretationsversuchen Anlass, erklärt sich zumindest beim ersten Sehen aber nicht eindeutig, der Effekt ist aber recht schön. Den Liebestrank schüttet Brangäne in ein flaches großes Tablett (aus dem ich mindestens die Hälfte verschütten würde) und nachdem Tristan und Isolde ihn getrunken haben, wird es für einen Moment vollkommen dunkel, auch im Orchestergraben. Nur mühsam finden die beiden, von der wiedereinsetzenden Beleuchtung geblendet, mit in die Luft tastenden, traumwandlerischen Bewegungen ins Leben zurück. Sie dachten ja beide, es wäre der Todestrank – der Schrecken, doch weiter zu leben, ist groß. Vorsichtig begegnen sie sich, versuchen sich zu umarmen, streifen aber nur die Aura des anderen, eine tatsächliche Berührung findet nicht statt – ein oft eingesetztes Mittel, um die Unmöglichkeit dieser Liebe zu verdeutlichen (Wagnerfreunde unterscheiden gern zwischen „Tristan mit Anfassen“ und „Tristan ohne Anfassen“). Eindrucksvoll wird der Herrenchor in einer langen Reihe auf die Bühne gehoben und auch König Marke fährt aus der Unterbühne herauf. Dan Karlström (Melot), Andreas Bauer (König Marke), Hansung Yoo (Kurwenal), Ulrike Schneider (Brangäne)
Zu Beginn des zweiten Aktes
bricht ein
Zwischenvorhang
in wilden
Zacken nach
oben und unten
auf und gibt
den Blick auf
eine zunächst
leere Bühne
frei, über der
später an
starke Seile
gebundene
Felsbrocken
schweben.
Isolde trägt
ein elegantes,
modernes
weißes,
silbern
gleißendes
Paillettenkleid,
Tristan einen
Smoking mit
seidig
schimmerndem,
nachtblauem
Jackett. Liebe
und Nacht –
die großen
Themen dieses
Werkes. Die
elektronische
(?) Fackel
spendet kein
Licht und wird
von Isolde
kraftvoll auf
die
Seitenbühne
geschleudert.
Nach Tristans
Ankunft macht
es die Regie
zunächst
spannend, ob
es nun eine
Inszenierung
mit oder ohne
Anfassen wird.
Auf dem
Bühnenboden
liegen große
runde
Spiegelplatten,
die recht
hübsche Licht-
und
Leuchteffekte
ergeben, wenn
sich die
Liebenden
darin
betrachten und
sie bewegen –
eine
leitmotivische
Parallele zum
flachen
Tablett, das
als Schale für
den
Liebestrank im
ersten Akt
dient. Dann
erhebt sich in
der
Bühnenmitte
eine hohe
schwarze
Fläche, hinter
der Tristan
und Isolde
verschwinden,
dort aber
nicht die
Liebe
vollziehen,
sondern sich
Kerzen
anzünden, die
sie zunächst
noch versteckt
mit
ausgestreckter
Hand
präsentieren.
Das wirkt
bedeutsam,
erinnert aber
aber auch ein
bisschen an
eine
Handpuppenbühne.
Im dritten Akt sitzt Tristan auf halber Bühnenhöhe in einer fensterähnlichen Öffnung, was so wirkt, als halte er nach jemandem Ausschau, den er sehnlichst erwartet. Noch weiß er aber gar nicht, dass Kurwenal nach Isolde geschickt hat, um die entzündete, fieberauslösende Wunde zu heilen. Eine harte, unbequeme truhenähnliche Holzbank und sein Schwert genügen, um die Situation ausreichend zu visualisieren. Eine sehr heutige Wasserflasche, die zunächst unter der Bank versteckt ist, wird in einer Zeitenvermischung zu einem besonderen Requisit. Von Kurwenal gereicht bekommen, sieht Tristan in diesem Wasser den Liebestrank und schüttet ihn verfluchend aus. Kurz vor Isoldes Ankunft senkt sich der Bühnenausschnitt ein wenig, Kurwenal tötet Melot und wird selbst von einer schwarzen, maskierten Gestalt erstochen. Er sinkt praktischerweise hinter der Holzbank leblos zu Boden, so dass das Schlussbild dem toten Tristan und der ihm folgenden Isolde allein gehört. Isolde dreht die Handflächen ihrer dezent ausgebreiteten Arme nach vorn, blickt gen Himmel, empfängt den Tod und erlischt in langsam eintretender Dunkelheit. Ann Petersen (Isolde), liegend: Michael Weinius (Tristan) Ann Petersen gestaltet die Isolde sehr eindrucksvoll, wirkt im ersten Akt zwar noch etwas unausgewogen, findet aber im zweiten Akt zu exakterer Stimmführung und kann der Aufführung mit einem wundervoll gesungenen Liebestod den finalen Glücksmoment verleihen. Michael Weinius ist ein schwerer Heldentenor im klassischen Sinne, der sich im kraftvollen Forte am wohlsten fühlt und Spitzentöne mit Macht und ohne Ermüdungserscheinungen im Fortissimo herausschmettert – auch noch in den Fieberphantasien des dritten Aktes. Für das Liebesduett im zweiten Akt wünscht man sich vielleicht etwas mehr Legatokultur und auch die Textsicherheit und Artikulation sind hier und da ausbaufähig. Aber der Sänger hat gleichermaßen Material und Potential, um weiter in die Partie hineinzuwachsen. Brangäne ist hier keine mitfühlende, liebevolle Gefährtin Isoldes, sondern eher eine strenge Gouvernante, wozu das individuelle Timbre und der eher sachliche, zuweilen harte stimmliche Ansatz passt, mit dem Ulrike Schneider die Partie gestaltet, ebenso wie die weicheren Passagen im zweiten Akt, die ihrem Schuldbewusstsein für das Vertauschen der Tränke tiefere Emotionalität verleihen. Andreas Bauer singt den König Marke mit profundem Bass sehr wohlklingend und ausdrucksstark. Er kann die Spannung der Klage im zweiten Akt nicht nur bis zur letzten Minute halten, sondern immer weiter steigern und auch seinen kurzen Auftritt im dritten Akt deutlich aufwerten. Hansung Yoo fügt der Reihe seiner stimmlich wie szenisch großartigen Rollengestaltungen einen höchst eindrucksvollen Kurwenal hinzu wie man ihn sich kaum besser wünschen kann. Es gelingt ihm sehr eindringlich, die Facetten dieses aufopferungsvollen Freundes und wilden Haudraufs gleichermaßen mit Ausdruckskraft und Stimmkultur zu gestalten. Mit Dan Karlström als Melot, Tobias Hächler als jungem Seemann, Younggi Moses Do als Hirten und Daniel Holzhauser als Steuermann sind die kleinen Partien bestens besetzt. Auch der Jubelgesang des Herrenchors lässt keine Wünsche offen. Constantin Trinks beginnt mit einem ebenso leidenschaftlichen wie spannungsreichen Vorspiel und vermag es, die leidenschaftliche Spannung, den unglaublichen Sog dieser Musik in dynamischen großen Bögen den ganzen Abend zu halten und dabei auch immer wieder Details und Nebenstimmen herauszuarbeiten. Sein feinnerviges Dirigat, das nie die Sänger zudeckt oder überfordert, zeichnet sich nicht nur durch diese Kombination aus, es beweist auch, dass man Leidenschaften auch in gemäßigten Tempi toben und unter die Haut gehen lassen kann. Das ausgesprochen gut aufgelegte Orchester folgt ihm mit Präzision und Engagement. FAZIT Eine eindrucksvolle Inszenierung in stilisierten ästhetischen Bildern, die dem Werk gibt, was des Werkes ist, ohne aufdringliche Aktualisierungen oder sonstige Eigenwilligkeiten. Auf einem leidenschaftlichen, feinnervig gestalteten orchestralen Klangteppich können sich die Sänger sicher und gestaltungsfreudig bewegen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
|
© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de