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Mosè in Egitto

Azione tragico-sacra in drei Akten
Libretto von Andrea Leone Tottola
Musik von Gioacchino Rossini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen

Aufführungsdauer: ca. 3h 5'  (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Saal 2 in Köln am 8. April 2018


 



Oper Köln
(Homepage)

Puppenspieler als göttliche Macht

Von Thomas Molke / Fotos von Paul Leclaire

Dass sich die Oper Köln mit Rossinis Mosè in Egitto an einen biblischen Stoff des alten Testaments wagt, der in der Teilung des Roten Meers mit der anschließenden Überflutung der Ägypter gipfelt, während man wegen der Renovierung des Hauses am Offenbachplatz auf eine Interimsspielstätte im Staatenhaus angewiesen ist, die nur über eine sehr eingeschränkte Bühnentechnik verfügt, mag überraschen, zumal dieses Werk die technischen Möglichkeiten eines jeden Opernhauses an seine Grenzen führen dürfte. Bei der Uraufführung 1818 in Neapel bezeichnete Rossini selbst das Werk auch nicht als Oper sondern als Oratorium, was aber eher der Tatsache geschuldet war, dass man sich im Neapel des frühen 19. Jahrhunderts während der Fastenzeit auf der Bühne höchstens religiösen Themen widmen durfte. Welches Opern-Potenzial in diesem Werk steckt, wird jedoch nicht zuletzt daran deutlich, dass Rossini das Stück 1827 für die Pariser Oper unter dem Titel Moïse et Pharaon umarbeitete. Viele Jahre lang galt die italienische Fassung bloß als Vorstufe dieser großen französischen Oper. Erst in den letzten Jahren wird wie 2006 in Bad Wildbad und 2011 beim Rossini Opera Festival in Pesaro der Versuch unternommen, dieses oft unterschätzte, musikalisch aber gewaltige Opus zu rehabilitieren. Die Oper Köln bringt es nun als Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen heraus (siehe auch unsere Rezension aus Bregenz) und schafft es, mit dem Figurentheater des 1997 in Rotterdam gegründeten Theaterkollektivs Hotel Modern auch ohne aufwändige Bühnenmaschinerie beeindruckende Bilder zu erzeugen.

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Mosè (Ante Jerkunica, rechts), Aronne (Sunnyboy Dladla, Mitte), Amenofi (Sara Jo Benoot, Mitte) und Elcia (Mariangela Sicilia, links) wollen die Freiheit für das Volk der Hebräer.

Neben der bekannten alttestamentarischen Geschichte über den Auszug der Israeliten aus Ägypten fügt Rossinis Librettist Andrea Leone Tottola noch eine Liebesgeschichte ein, die aus Francesco Ringhieris fünfaktiger Tragödie L'Osiride stammt, die 1760 in Padua uraufgeführt wurde. Osiride, der Sohn des Faraone, ist heimlich in die Hebräerin Elcia verliebt, was ihn dazu motiviert, seinen Vater immer wieder davon zu überzeugen, die Hebräer nicht ziehen zu lassen. Dies hat wiederum die zahlreichen Plagen zur Folge, die über das ägyptische Volk hereinbrechen. Zu Beginn der Oper beklagen die Ägypter gerade die Finsternis, die der Gott Israels über sie verhängt hat und die erst beendet wird, nachdem Faraone Mosè versprochen hat, die Juden gehen zu lassen. Doch Osiride kämpft weiter für seine Liebe und stachelt mit dem Oberpriester Mambre das ägyptische Volk an, gegen den Beschluss Faraones zu rebellieren. Als Osiride auch damit den bevorstehenden Auszug der Hebräer nicht verhindern kann, bringt er Elcia in ein heimliches Versteck, um sie von einem gemeinsamen Leben an einem anderen Ort zu überzeugen. Doch die beiden werden von seiner Stiefmutter Amaltea, die heimlich zum Judentum konvertiert ist, und Mosès Bruder Aronne aufgespürt. Elcia bittet Osiride, auf sie zu verzichten, und bietet sogar ihren eigenen Tod für die Freiheit der Hebräer an, was Osiride derart erzürnt, dass er Mosè umbringen will. Bei diesem Versuch wird er jedoch von einem Blitzschlag tödlich getroffen. Nun will Faraone Rache für den Tod seines Sohnes und verfolgt mit seinem Heer die fliehenden Hebräer bis ans Ufer des Roten Meers. Nach einem bewegenden Gebet der Hebräer teilt sich das Meer und gewährt ihnen den Durchgang, während die Ägypter von den zurückkehrenden Fluten in den Tod gerissen werden.

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Osiride (Anton Rositskiy, rechts) fordert seinen Vater Faraone (Joshua Bloom, Mitte) auf, die Hebräer nicht ziehen zu lassen (Mitte: Amaltea (Adriana Bastidas-Gamboa), im Hintergrund: Chor).

Um das göttliche Wirken mit der stellenweise kammerspielartigen Handlung zu verknüpfen, hat das Regie-Team um Lotte de Beer das niederländische Theaterkollektiv Hotel Modern einbezogen, das mit detailreichen Miniaturwelten und kleinen einfach konzipierten Puppen, die wahlweise auf eine große an einen Globus erinnernde Kugel im Hintergrund oder auf einen schwarzen Vorhang vor der Bühne projiziert werden, groß dimensionierte Massenszenen erzeugt. Direkt zu Beginn sieht man noch die Heuschreckenplage, die die Ägypter vor der eigentlichen Opernhandlung heimgesucht hat, in beeindruckenden Bildern auf dem Vorhang. Anschließend wird eine als Miniatur angelegte Stadt, die vor der Bühne steht, auf die Kugel im Hintergrund projiziert, während mit einem Scheinwerfer die Finsternis simuliert wird, die sich wie ein schwarzer Schatten über die Stadt schiebt und sie im Dunkel versinken lässt. Ein paar Fackeln führen dann in den Saal Faraones. In der Projektion öffnen sich Türen, die dann den Blick auf den Chor und die Solisten freigeben. Desillusionierend ist dabei lediglich, dass die Puppenspieler bei den ganzen Aktionen auf der Bühne sichtbar sind und an ihren Bildern arbeiten. Manchmal laufen sie auch mit Notizblöcken zwischen den Figuren des Stückes umher oder erstellen in den großen Tableaus Standbilder mit den Solisten und dem Chor. Nicht ganz klar wird, wieso sie untereinander dabei auch schon einmal in Streit geraten. Sollen hier unterschiedliche überirdische Mächte walten, die jeweils andere Vorstellungen durchzusetzen versuchen? Alles in allem gelingen dabei aber beklemmende und hochaktuelle Bilder, die das Leid der Menschen eindringlich vor Augen führen.

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Von Zweifeln gequält: Amaltea (Adriana Bastidas-Gamboa) (auf der rechten Seite: Theaterkollektiv Hotel Modern)

Auch der Blitzschlag, der Osiride trifft, wenn er gerade im Begriff ist, Mosè zu ermorden, wird punktgenau umgesetzt und trifft in der Projektion Osiride im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar wundert man sich vielleicht, wieso Mosè dabei unbeschadet bleibt, aber er ist halt ein Mann Gottes. Da kann ihm wohl auch ein Blitz des Herrn nichts anhaben. Die Teilung des Roten Meers und die anschließende Überflutung der Ägypter finden in den Videoprojektionen von Hotel Modern ebenfalls eine überwältigende Umsetzung. Zunächst füllen die Puppenspieler auf der Bühne eine Art Aquarium, das in der Mitte eine Vertiefung hat, mit mehreren Eimern Wasser. Mit diesem Gefäß wird dann in der Projektion die Teilung des Roten Meeres suggeriert. Hierbei wird wieder auf die Leinwand vor der Bühne projiziert, so dass der Chor der Hebräer bei der Preghiera hinter dem Meer steht, dass sich dann für sie öffnet. Der Durchmarsch wird dann mit kleinen Puppen dargestellt, bevor die Ägypter im Hintergrund auftreten. In sprudelnden Wellenbewegungen fließt das Meer zurück und begräbt die Ägypter in Form von kleinen Puppen auf dem Grund des Meeres. Dabei werfen die Puppenspieler von Hotel Modern weitere Figuren in das sprudelnde Wasser. Die Kostüme und die Bühne von Christof Hetzer sind recht klassisch gehalten. Die Ägypter tragen weiße lange Gewänder, und Faraone und seine Frau werden mit der Kopfbedeckung historisierend gezeichnet, während die Hebräer in zartes Blau gekleidet sind. Für die Szenenwechsel kommt eine Drehbühne zum Einsatz, die eine Art Wüste zeigt.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Joshua Bloom verfügt als Faraone über einen dunklen und kräftigen Bass, der enorme Autorität ausstrahlt. Besonders glänzen kann er in seiner großen Arie im ersten Akt, "A rispettarmi apprenda", wenn er Gehorsam gegenüber seinen Anordnungen einfordert. Adriana Bastidas-Gamboa hält als seine Gattin Amaltea mit dramatischem Mezzo dagegen. Sehr eindrucksvoll legt sie ihre große Arie im zweiten Akt, "La pace mia smarrita", an, in der sie ihr Unglück beklagt und darauf hofft, dass ihre Gebete vom Gott der Hebräer erhört werden. Anton Rositskiy begeistert als Osiride mit strahlendem Tenor und leuchtenden Höhen. Sein großes Duett mit seiner Geliebten Elcia, in der er von einer friedlichen Zukunft als Hirte träumt, geht genauso unter die Haut wie das anschließende Quartett "Mi manca la voce!", bei dem nach der Entdeckung durch Amaltea und Aronne allen klar wird, dass Osirides und Elcias Liebe keine Zukunft haben kann. Mariangela Sicilia stattet die Partie der Elcia mit strahlendem Sopran aus, der in den Höhen große Dramatik besitzt. Besonders bewegend gelingt ihr Auftritt am Ende des zweiten Aktes, wenn sie bereit ist sich zum Wohl ihres Volkes zu opfern. Sunnyboy Dladla, der in Bregenz die Partie des Osiride interpretiert hat, präsentiert sich in Köln als Aronne und scheint sich in dieser Partie etwas wohler zu fühlen, da er über einen recht hellen Tenor verfügt. Die Titelpartie ist mit Ante Jerkunica hochkarätig besetzt. Sein dunkler Bass zeichnet ihn mit Faraone auf Augenhöhe. Die berühmte Preghiera im dritten Akt, "Dal tuo stellato soglio", die ein Jahr nach der Uraufführung eingefügt wurde und zum absoluten Hit avancierte, der in der Popularität in etwa mit Verdis knapp ein Vierteljahrhundert später komponierten Gefangenenchor aus Nabucco verglichen werden kann, wird von Jerkunica gemeinsam mit Sicilia und Dladla mit großem Pathos präsentiert und vom großartig disponierten Chor der Oper Köln unter der Leitung von Andrew Ollivant eindrucksvoll aufgenommen. Die beiden kleineren Partien sind mit zwei Mitgliedern des Internationalen Opernstudios der Oper Köln, Sara Jo Benoot als Amenofi und Young Woo Kim als Mambre, ebenfalls gut besetzt. David Parry rundet mit dem frisch aufspielenden Gürzenich-Orchester Köln den Abend wunderbar ab, so dass es für alle Beteiligten großen Beifall gibt.

FAZIT

In dieser Inszenierung funktioniert Rossinis italienische Fassung des alttestamentarischen Stoffes auch ohne aufwändige Bühnenmaschinerie und wird zu einem beeindruckenden Spektakel, das unterstreicht, dass diese Fassung nicht nur eine Vorstufe zu Rossinis französischer Oper ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Parry

Inszenierung
Lotte de Beer

Bühne und Kostüme
Christof Hetzer

Licht
Alex Brok

Chorleitung
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Georg Kehren
Olaf A. Schmitt (Bregenz)
Peter te Nuyl (Bregenz)

 

Figurentheater
Theaterkollektiv Hotel Modern
Hermann Helle
Arlène Hoornweg
Pauline Kalker

Gürzenich-Orchester Köln

Chor der Oper Köln

Statisterie der Oper Köln

 

Solisten

Faraone
Joshua Bloom

Amaltea, seine Frau
Adriana Bastidas-Gamboa

Osiride, sein Sohn
Anton Rositskiy

Elcia, Hebräerin
Mariangela Sicilia

Mambre, Vertrauter des Pharao
Young Woo Kim

Mosè
Ante Jerkunica

Aronne
Sunnyboy Dladla

Amenofi
Sara Jo Benoot


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



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