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Wie im Himmel

Schauspiel nach dem gleichnamigen Film von Kay Pollak
Deutsch von Jana Hallberg
Fassung für das Theater Hagen von Thomas Weber-Schallauer

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 7. Oktober 2017
(rezensierte Aufführung: 19.10.2017)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Wo man singt...

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Wenn man Werbung für das Singen in einem Chor machen und die Vorteile für das gemeinsame Musizieren herausstellen möchte, ist Kay Pollaks Kinofilm Så som i Himmelen (Wie im Himmel) aus dem Jahr 2004 ein geeignetes Mittel. Kaum ein anderes Werk zeigt auf so subtile Weise, welche positive Entwicklung Figuren mit unterschiedlichen Schicksalen durch die im Chor herrschende Gemeinschaft durchlaufen und wie das Singen ihr Leben verändert. Da verwundert es nicht, dass der Film als "bester fremdsprachiger Film" für den Oscar nominiert wurde. Die Auszeichnung erhielt er jedoch genauso wenig wie den schwedischen Guldbagge-Preis, für den er in insgesamt acht Kategorien nominiert war. Erst 2006 wurde er auf der Filmkunstmesse in Leipzig mit dem Gilde-Filmpreis als bester ausländischer Film ausgezeichnet. Ein Jahr später erschien dann auch eine Fassung für das Theater, die seitdem große Erfolge auf den Schauspielbühnen feiert. Das Theater Hagen, das zwar über keine eigene Schauspielsparte verfügt, es sich aber schon seit vielen Jahren zur Aufgabe macht, pro Saison auch eine eigene Schauspielproduktion auf den Spielplan zu stellen, hat sich nun für Pollaks Stück entschieden, das hier bereits vor sieben Jahren als Gastspiel zu erleben war. Regisseur Thomas Weber-Schallauer hat für das Theater Hagen eine eigene Fassung erarbeitet, für die Andres Reukauf ein neues Finale komponiert hat. Wer den Film kennt oder das Stück 2010 in Hagen erlebt hat, kann hier zumindest auf den Schluss gespannt sein, bei dem aus diversen Chören der ganzen Stadt ein Projektchor zusammengestellt worden ist.

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Daniel (Andreas Kunz, stehend) vermittelt den irritierten Chormitgliedern seine ungewöhnlichen Übungsmethoden (von links: Siv (Kristina Günther-Vieweg), Olga (Ulla Gericke), Erik (Dieter Günther), Lena (Carolin Freund), Inger (Antje Lewald), Arne (Thomas Maximilian Held), Florence (Ulla Fischer), Holmfrid (Ansgar Conrads) und Gabriella (Judith Gunthermann)).

Erzählt wird die Geschichte des gefeierten Konzertdirigenten Daniel Daréus, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere einen Herzinfarkt erleidet und sich aus der Öffentlichkeit in sein Heimatdorf Ljusåker nach Nordschweden zurückzieht. Dort wird ihm vom Pfarrer Stig Berggren die Leitung des Kirchenchors anvertraut. Daniels Umgang mit dem Chor führt zwar dank seiner unkonventionellen Methoden dazu, dass sich die einzelnen Chormitglieder ganz neu ihren kleinen und großen Problemen des Alltags stellen, bringt aber gerade dadurch die festgefügte Ordnung des Dorfes durcheinander. So bricht beispielsweise Gabriella aus ihrer Ehehölle mit ihrem brutalen Gatten Conny aus und schafft es schließlich, durch den Gesang das Selbstbewusstsein zu entwickeln, ihren Mann zu verlassen. Inger, die Frau des Pfarrers, befreit sich aus der bigotten Lebenswelt, in der ihr Mann sie unter Verteufelung der Sexualität gefangen hält. Der geistig leicht zurückgebliebene Tore findet im Gesang seinen Ton, der ihm Kraft und Halt gibt und zu einem gleichberechtigten Mitglied des Chors werden lässt. Erik findet endlich den Mut, Florence seine Liebe zu gestehen, und der übergewichtige Holmfrid schafft es schließlich, den anderen zu sagen, wie sehr er unter den ständigen Hänseleien leidet. Die großartige Gemeinschaft lässt den Chor immer stärker anwachsen, bis der Pfarrer versucht, mit der Entlassung Daniels den positiven Kräften ein Ende zu setzen. Doch die Chormitglieder sind nicht mehr zu bremsen. Arne hat den Chor zum internationalen Chorwettbewerb in Wien angemeldet, und alle reisen gemeinsam ab. Daniel und Lena gestehen sich ihre Liebe und verbringen die Nacht miteinander. Kurz darauf erleidet Daniel einen weiteren Herzinfarkt und erscheint nicht zum Auftritt. Der sichtlich beunruhigte Tore stimmt seinen Ton an, in den nach und nach erst die anderen Chormitglieder und dann weitere Chöre einstimmen. Während Daniel stirbt, finden alle im Gesang zu einem glücklichen Moment der Harmonie zusammen. 

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Daniel (Andreas Kunz, rechts) fliegt mit dem kleinen Daniel (Joshua Schettner, links) in den Himmel.

Thomas Weber-Schallauer führt den kleinen Daniel als weitere Ebene in die Erzählung ein. Zu Beginn betritt der Junge die Bühne und spielt auf seiner Geige. Über Lautsprecher hört man die Stimmen anderer Kinder, die ihn hänseln. Zunächst bleibt der Junge unbeeindruckt. Doch irgendwann bricht er unter dem Spott der anderen zusammen. Man hört die Stimme der Mutter, die versucht, ihren Sohn wieder aufzubauen, und schließlich mit ihm das Dorf verlässt. Dann sieht man den erwachsenen Daniel auf dem Höhepunkt seiner Karriere vor dem Herzinfarkt. Am Ende tritt der kleine Daniel wieder auf, um dem erwachsenen Daniel das nahende Ende zu verkünden. In den Hintergrund wird nun ein hellblauer Himmel mit zarten Kumuluswolken projiziert. Als der kleine Daniel seinen Geigenkasten schließt, hört Daniels Herz auf zu schlagen. Wenn dann Tore seinen Ton anstimmt, der zunächst von den anderen aufgegriffen wird, werden die Türen im Zuschauersaal geöffnet, und zahlreiche Menschen strömen auf die Bühne, um das von Andres Reukauf neu komponierte eindrucksvolle Finale zu präsentieren. Man hat das Gefühl, dass hierbei jeder nur seinen eigenen Ton singt, dadurch jedoch eine musikalische Kraft entsteht, die mehr sagt als viele Worte. Dass Daniel mit dem kleinen Daniel zu diesen Klängen im Hintergrund an Luftballons in den Himmel schwebt, überschreitet aber vielleicht doch die Kitschgrenze. Das Publikum ist von diesem Finale allerdings sichtlich bewegt und spendet sofort stehenden Beifall.

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Zaghafte Annäherung: Lena (Carolin Freund) und Daniel (Andreas Kunz)

Britta Tönnes hat ein naturalistisches Bühnenbild entworfen, das einen typischen Gemeindesaal zeigt. Im Zentrum steht ein Klavier, so wie auch die Kraft des Gesangs im Mittelpunkt des Stückes steht, ohne dass besonders viel gesungen wird. Andreas Kunz und Kristina Günther-Vieweg begleiten als Daniel und ehemalige Chorleiterin Siv zwar stellenweise den Chor an diesem Klavier. Die meisten Passagen werden jedoch über Band eingespielt. Für die übrigen Spielorte wird vor allem mit einer geschickten Lichtregie gearbeitet. Während im Gemeindesaal stets die ganze Bühne beleuchtet ist, wird das Pfarrhaus mit einem schmalen Lichtstreifen auf der rechten Bühnenseite angedeutet, wobei ein Waschbecken an der rechten Bühnenwand vom Pfarrer häufig genutzt wird, um sich "von der Sünde rein zu waschen". Gabriellas Wohnung befindet sich auf der linken Bühnenseite über dem Orchestergraben und wird ebenfalls durch einen schmalen Lichtstreifen dargestellt. Wenn Daniel spürt, dass es mit seinem Leben zu Ende geht, wird die Rückwand in den Schnürboden emporgezogen und gibt den Blick auf den projizierten hellblauen Himmel frei, in den Daniel am Ende mit Luftballons entschwebt. Die Bühne in Wien wird durch einen einfachen schwarzen Zwischenvorhang angedeutet.

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Großes Chorfinale beim Gesangswettbewerb: in der Mitte von links: Inger (Antje Lewald), Florence (Ulla Fischer), Siv (Kristina Günther-Vieweg), Arne (Thomas Maximilian Held), Gabriella (Judith Gunthermann), Tore (Daniel Heck), Erik (Dieter Günther), Lena (Carolin Freund), Holmfrid (Ansgar Conrads), Amanda (Asaja Köppermann) und Olga (Ulla Gericke) mit dem Projektchor

Die Darsteller liefern allesamt überzeugende Rollenporträts der einzelnen Figuren. Andreas Kunz spielt als Daniel einerseits überzeugend die seelische Gebrochenheit des begnadeten Dirigenten aus, der die Kränkungen seiner Kindheit nie ganz überwunden hat und lange Zeit braucht, bis er sich seinen Gefühlen zu Lena stellen kann. Wenn Daniel am Ende sein bevorstehender Tod bewusst ist, verleiht Kunz der Figur eine berührende Tiefe. Andererseits macht er glaubhaft, wie er mit seiner Begeisterung den Chor mitreißen und den einzelnen Menschen durch das bloße Zuhören ein ganz neues Selbstwertgefühl geben kann. Ralf Grobel gibt als Pfarrer Stig einen großartigen Gegenspieler ab, der an Daniels Genie zerbricht und verzweifelt versucht, ihn zu zerstören. Dabei ist er selbst in seiner verlogenen kleinen Welt gefangen, aus dem ihm auch seine Frau Inger nicht heraushelfen kann. Antje Lewald meistert die Partie der Inger als schmale Gratwanderung zwischen bedingungsloser Liebe zu ihrem Mann und der Notwendigkeit, aus dieser Ehe auszubrechen. Judith Gunthermann zeichnet Gabriella als verängstigte Frau, die mit ihrem großen Solo beim Konzert einen Höhepunkt in ihrem Leben erfährt, der ihr nach weiteren Demütigungen die Kraft gibt, ihren Mann Conny zu verlassen. Christian Bergmann legt ihren Gatten Conny als grobschlächtigen brutalen Kerl an, der sich nur durch Gewalt Gehör verschaffen kann. Carolin Freund überträgt als Lena ihre positive Lebenseinstellung auf die restlichen Chormitglieder.

Eine ganz herausragende Leistung erbringt Daniel Heck als Tore. Absolut glaubhaft spielt er die krankhaften Ausbrüche des geistig leicht zurückgebliebenen Mannes aus, ohne ihn dabei der Lächerlichkeit preiszugeben. Man empfindet tiefes Mitleid mit ihm und ist bewegt darüber, wie besonders ihm die Musik die Kraft gibt, sich selbst auszudrücken. Wie er am Ende in der Krisensituation den ersten Ton anstimmt und alle anderen mitreißt, geht unter die Haut und wird von Heck großartig ausgespielt. Nach dem großartigen Finale gibt es das "Hallelujah" von Leonard Cohen als Zugabe, in das zahlreiche Zuschauer im Publikum mit einstimmen.

FAZIT

Selten erlebt man Musik derart intensiv, ohne dass besonders viel gesungen wird.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Einstudierung,
Arrangements und Komposition Finale
Andres Reukauf

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Bühne und Kostüme
Britta Tönne

Licht
Ernst Schießl

Dramaturgie
Maria Hilchenbach

 

Projektchor "Wie im Himmel"

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

Daniel Daréus, Dirigent
Andreas Kunz

Lena
Carolin Freund

Stig Berggren, Pfarrer
Ralf Grobel

Inger, Stigs Frau
Antje Lewald

Arne
Thomas Maximilian Held

Holmfrid
Ansgar Conrads

Conny
Christian Bergmann

Gabriella, Connys Frau
Judith Guntermann

Siv
Kristina Günther-Vieweg

Tore
Daniel Heck

Olga
Ulla Gericke

Erik
Dieter Günther

Florence
Ulla Fischer

Amanda
Asaja Köppermann

Kleiner Daniel
Joshua Schettner

Stimmen Kinder
Marcel Akinschin
Maxim Akinschin
Lilia Kamp
Vincent Rabe

Stimme Mutter
Kristine Larissa Funkhauser

Stimme Agent
Thomas Weber-Schallauer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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