Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Tosca

Oper in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama La Tosca von Victorien Sardou
Musik von Giacomo Puccini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 28. Oktober 2017
(rezensierte Aufführung: 17.11.2017)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Mord mit dem Pinsel

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Nachdem zur neuen Spielzeit auch der Posten des Generalmusikdirektors in Hagen neu besetzt worden ist, hat man mit Spannung erwartet, wie "dem Neuen", Joseph Trafton, der bei seiner Vorstellung in Hagen einen sehr guten Eindruck hinterlassen hatte, denn nun der musikalische Einstand mit der ersten Operneinstudierung am Haus gelingen werde. Dass die Wahl dabei auf Puccinis Tosca gefallen ist, ist schon eine Ansage und mag vielleicht damit zusammenhängen, dass man mit Veronika Haller die Titelpartie aus dem Ensemble besetzen kann und somit nur für die beiden männlichen Hauptrollen Gäste verpflichten muss. Für einen Dirigenten ist die Geschichte um die Sängerin Tosca, die durch den Mord an dem skrupellosen Chef der Geheimpolizei Scarpia versucht, ihren Geliebten, den Maler Cavaradossi, zu retten, was ihr allerdings nicht gelingt, so dass sie mit einem Sprung von der Engelsburg den Freitod wählt, eine große Herausforderung, die bei der ganzen Dramatik ein häufig laut auftrumpfendes Orchester einfordert, das den Gesang leicht in eine Schrei-Orgie ausarten lässt.

Bild zum Vergrößern

Tosca (Veronika Haller) und Cavaradossi (Xavier Moreno) als Künstler im Theater Hagen

Trafton setzt musikalisch alles daran, dies zu verhindern. So ist er um ein sängerfreundliches Dirigat bemüht, das in den Tempi allerdings dadurch bisweilen recht eigenwillig klingt. Stellenweise hat man das Gefühl, dass hier die drei Solisten das Tempo vorgeben und dies natürlich jeweils genau auf ihre sängerischen Möglichkeiten abstimmen, was dazu führt, dass die drei Hauptpartien stimmlich allesamt glänzen können, der musikalische Fluss aber bisweilen ins Stocken gerät. Auch gelingt es Trafton leider noch nicht, den leicht scheppernden Klang aus dem Orchestergraben abzubauen. Aber man hat das Gefühl, dass besonders das Blech sauberer klingt, als man es bei Traftons Vorgänger gewohnt war, was Hoffnung für die Zukunft gibt. Mit Veronika Haller verfügt das Theater über eine hauseigene Tosca, die der Partie stimmlich und darstellerisch gerecht wird. Mit dramatischen Höhen und kontrollierten Spitzentönen zeigt sie den Kampf einer Diva, die der naiven Hoffnung erliegt, mit ihrer Kunst der grausamen Realität trotzen zu können. Die beiden Gäste Xavier Moreno und Karsten Mewes sind in Hagen ebenfalls keine Unbekannten. Moreno war 2012 in Verdis Don Carlo in der Titelpartie zu erleben, und Mewes interpretierte auch in der letzten Hagener Tosca-Inszenierung 2007 die Rolle des bösen Scarpia. Moreno begeistert als Maler Cavaradossi mit tenoralem Schmelz in den Höhen und lässt die große Tenorarie im dritten Akt "Lucevan le stelle" zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends avancieren. Mewes legt die Partie des Scarpia mit dunklem Bariton sehr dämonisch an.

Bild zum Vergrößern

Tosca (Veronika Haller) will ihren Geliebten Cavaradossi (Xavier Moreno) retten.

Für das Regie-Team stellt sich bei einem durch und durch politischen Stück wie Tosca stets die Frage, wo man mit der Inszenierung eigentlich hin will. Wählt man einen klassischen Ansatz und setzt sich dem eventuellen Vorwurf der Langeweile aus oder verlegt man die Geschichte, die eigentlich in Rom um 1800 kurz nach den Eroberungen Napoleons spielt, in ein anderes vom Faschismus geprägtes System, in dem die Kunst keine Chance hat zu bestehen? Bei der Inszenierung von Roman Hovenbitzer hat man den Eindruck, dass er irgendwie einen Zwischenweg einschlagen will. Im Zentrum stehen für ihn Tosca und Cavaradossi als Künstler. Deswegen zeigt er zu Beginn auf der Rückwand eine Projektion des Zuschauersaals des Theaters. Tosca und Cavaradossi verbeugen sich wie zwei Opernsolisten vor dem jubelnden Publikum. Ein Blumenstrauß fliegt auf die Bühne, mit dem Tosca in ihrer Künstlergarderobe entschwindet, die auf der linken Seitenbühne angedeutet wird. Optisch erinnert Tosca in ihrem langen hellen Kleid mit dem samtroten Umhang an eine Darstellung der großen Eleonora Duse. Welche Rolle Scarpia bei diesem Auftritt spielt, bleibt genauso rätselhaft wie die Idee, den Maler auf einer Opernbühne auftreten zu lassen. Steht Cavaradossi für den Bühnenbildner, der sich am Ende der Premiere mit den Solisten verbeugt, und ist Scarpia eine Art Manager? Das Theaterbild wird im weiteren Verlauf des Abends immer wieder aaufgegriffen, und so ist es am Ende nicht die Engelsburg, von der sich Tosca in ihrer Verzweiflung stürzt, sondern der Schnürboden. Auf die Bühne fällt jedoch nur ihr roter Umhang herab.

Bild zum Vergrößern

Scarpia (Karsten Mewes) stellt an Tosca (Veronika Haller) für die Rettung Cavaradossis eine skrupellose Forderung.

Die Kirche Sant' Andrea della Valle im ersten Akt wird durch ein überdimensionales Holzkreuz angedeutet, das bedrohlich schräg über der Bühne hängt. Die Madonnen-Figur auf der linken Bühnenseite erinnert mit dem samtroten Umhang wieder an die Duse bzw. Tosca. Am Ende des ersten Aktes reißt Scarpia der Madonna nicht nur den roten Umhang herunter, sondern holt sie auch von ihrem Sockel, um anzudeuten, dass er auch die von ihm begehrte Sängerin Tosca zerbrechen wird. Ob das die passende Aktion zum feierlichen "Te Deum" ist, das in diesem Moment in der Kirche erklingt, ist Geschmacksache. Auch die Bilder, an denen Cavaradossi in der Kirche arbeitet, passen nicht unbedingt zu dem im Hintergrund auf einem Prospekt klassisch angedeuteten Kirchen-Interieur. Das Bildnis, in dessen Züge Tosca in ihrer Eifersucht, die Züge der Attavanti zu erkennen glaubt, lässt als abstrakte Kunst eigentlich gar nichts erkennen, und der kopfüber herabhängende Jesus mit der Dornenkrone und einer weißen Augenbinde vor den ansonsten blutroten Zügen, spricht mit den leidenden Zügen nicht für den Text darunter, dass die Kunst die Tochter der Freiheit sei. Oder handelt es sich hierbei um ein Selbstbildnis Cavaradossis, da er später ebenfalls mit Augenbinde gefoltert wird?

Bild zum Vergrößerung

Scarpia (Karsten Mewes, hinten) führt als schwarzer Engel die Hinrichtung Cavaradossis (Xavier Moreno, vorne) durch.

Unklar bleibt auch, wohin Hovenbitzer mit der Figur des Scarpia hin will. Optisch zeichnet er ihn als einen modernen bösen Machtmenschen, der nicht davor zurückschreckt, seine Ziele ohne Skrupel durchzusetzen. Dass der Raum dafür auf allen Seiten mit braunen Holzwänden hermetisch abgeriegelt wird und das Kreuz jetzt auf dem Bühnenboden liegt, ist nachvollziehbar. Wieso hinter dem Prospekt mit dem leidenden Jesus auch Angelotti als Gefangener sitzt und am Ende exekutiert wird, bleibt völlig unklar. Schließlich zwingt Scarpia Tosca laut Libretto dazu, ihm das Versteck Angelottis zu verraten, indem er ihren Geliebten Cavaradossi im Nebenraum foltern lässt. Was sollte Tosca denn verraten, wenn Angelotti sich schon längst in Scarpias Gewalt befindet? Das Messer, das Tosca vom gedeckten Tisch entwenden will, um Scarpia zu ermorden, nimmt er ihr übrigens weg. Stattdessen sticht sie mit einem Pinsel zu. Soll das der Versuch sein, den Terror mit Mitteln der Kunst zu besiegen? Besonders effektiv scheint es jedenfalls nicht gewesen zu sein. Scarpia tritt nämlich im dritten Akt erneut auf und übernimmt nun die Rolle des Kerkermeisters. Dabei trägt er riesige schwarze Flügel wie ein Todesengel. Er selbst ist es dann auch, der Cavaradossi bei der Exekution eine Kugel in den Kopf jagt. Wie der Chor trägt er eine weiße Maske, die ihn wie ein Wesen aus einer anderen Welt erscheinen lässt. Ist Scarpia folglich gar kein Individuum sondern die Masse des personifizierten Terrors, der sich nicht bekämpfen lässt, indem man nur einen einzelnen aus dem Weg räumt?

Mag Hovenbitzers Interpretation einen Teil des Publikums etwas ratlos zurücklassen, entschädigt jedoch die im Großen und Ganzen überzeugende musikalische Umsetzung. Neben den drei erwähnten Hauptpartien können auch die mit Ensemble-Mitgliedern besetzten kleineren Rollen überzeugen. Kenneth Mattice stattet den Angelotti mit kräftigem Bariton aus. Richard van Gemert und Dirk Achille, die bereits vor zehn Jahren in der Produktion als Spoletta und Sciarrone zu erleben waren, bringen durch bedrohliches Spiel den Terror, der von dem Polizeistaat ausgeht, glaubhaft zum Ausdruck. Rainer Zaun legt den Mesner etwas hektisch an und zeigt die große Angst der Bevölkerung vor der Willkür Scarpias und seiner Schergen. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen Applaus. Da es sich um eine Folgevorstellung handelt, stellt sich das Regie-Team nicht noch einmal dem Urteil des Publikums.

FAZIT

Musikalisch präsentiert das Theater Hagen eine solide Produktion des Opernklassikers. Szenisch lässt Hovenbitzers Regie einige Fragen offen.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joseph Trafton

Inszenierung
Roman Hovenbitzer

Bühne
Hermann Feuchter

Kostüme
Anna Siegrot

Licht
Ulrich Schneider

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Miriam Michel

 

Philharmonisches Orchester Hagen

Chor und Extrachor des Theater Hagen

Kinder- und Jugendchor des Theater Hagen

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Tosca
Veronika Haller

Cavaradossi
Xavier Moreno

Scarpia
Karsten Mewes

Angelotti
Kenneth Mattice

Mesner
Rainer Zaun

Spoletta
Richard van Gemert

Sciarrone
Dirk Achille

Ein Hirte
Samra Arapi /
*Celina Igelhorst /
Carolin Petrich


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2017 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -