Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Kiss Me, Kate

Musical Comedy in zwei Akten
Buch von Bella und Samuel Spewack nach der Komödie Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare
Deutsch von Günter Neumann in einer Neufassung von Peter Lund
Musik von Cole Porter

in deutscher Sprache, Songs teilweise in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 16. Juni 2018


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Musical-Klassiker in frischem Gewand

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Cole Porters Karriere neigte sich mit Beginn der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts eigentlich schon dem Ende zu. Stücke wie Anything Goes oder Silk Stockings, die mit ihrer "Gute-Laune-Musik" in den 30er Jahren den Broadway beherrscht hatten, wurden allmählich von einer neuen Musical-Generation abgelöst, die mit den Werken von Rodgers & Hammerstein oder Leonard Bernstein eine neue Richtung am Broadway einschlugen, bei der die Melodien in einem inhaltlich engeren Zusammenhang zum jeweiligen Stück standen. Von daher mag es verwundern, dass Bella Spewack bei dem Versuch, Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung für den Broadway tauglich zu machen, ausgerechnet Cole Porter als Komponisten gewinnen wollte. Es bedurfte auch einiger Überredungskunst, doch dann ließ sich Porter von dem Projekt derart begeistern, dass er den Charakteren des Stückes einen Ohrwurm nach dem nächsten auf den Leib schrieb und die Lieder dabei auch noch fest in der Handlung verankerte. So erzielte Kiss Me, Kate bei der Uraufführung am 30. Dezember 1948 nicht nur einen überwältigenden Erfolg, sondern entwickelte sich zu den meistgespielten Musicals aller Zeiten. Grund dafür mag neben den eingängigen Songs auch die Handlung des Stückes sein. Eine Theatertruppe bringt in Baltimore eine Musical-Fassung von William Shakespeares Komödie zur Aufführung und lässt dabei die kleinen und großen Dramen hinter der Bühne mit viel Ironie in das Stück im Stück einfließen. Damit entsteht letztendlich ein Stück über das Theater, das heute noch genauso aktuell ist wie vor 70 Jahren.

Bild zum Vergrößern

"Premierenfieber": Mitte oben: Lois Lane (Nathalie Parsa) und Paul (Alexander Brugnara), davor: Hattie (Verena Grammel) mit dem Ensemble

Daher funktioniert die Geschichte auch in Zeiten der #MeToo-Debatte, ohne dass man die Handlung verbiegen muss. In Roland Hüves Inszenierung ist der Präsident, mit dem Lilli Vanessis Verlobter Harrison Howell in engem Kontakt steht, folglich Donald Trump, und so machen die reaktionären republikanischen Ansichten Howells und seine sehr frauenfeindlichen Bemerkungen um so nachvollziehbarer, dass sich Lilli schließlich für das Theater und gegen ein Leben als brave Ehefrau an der Seite eines ehrgeizigen Republikaners entscheidet, der sie nur für Representationszwecke benötigt und dabei nach Strich und Faden betrügen wird, wie seine Abmachung mit dem Starlet Lois Lane belegt. Auch die Mobiltelefone passen ins Bild. Ansonsten wird das Theater im Theater mit klassisch gehaltenen opulenten Kostümen (Siegfried E. Mayer) gezeichnet. Die Bühne, für die ebenfalls Mayer verantwortlich zeichnet, ist, wie es zum Baltimore im Stück und zu den heute knappen Geldern der Theater passt, recht spartanisch gehalten. Da reichen wenige Requisiten, um die Szenen aus Shakespeares Komödie nachzuspielen. Ein silbern glitzernder Fadenvorhang rahmt die ganze Bühne ein. Durch Einsatz der Drehbühne sind schnelle Szenenwechsel zwischen den Garderoben von Lilli und Fred, der Bühne im Stück, und dem Eingang zum Theater möglich, das mit seiner braunen Backsteinfassade bessere Zeiten bereits hinter sich gelassen hat.

Bild zum Vergrößern

Spannungen auf und hinter der Bühne: Lilli Vanessi / Katharina (Emily Newton) und Fred Graham / Petrucchio (Kenneth Mattice)

Als Lilli Vanessi ist  Emily Newton aus dem Dortmunder Ensemble zu erleben, die die Partie bereits vor zwei Spielzeiten in Dortmund mit großem Erfolg interpretiert hat (siehe auch unsere Rezension) und mit dem Dortmunder Intendanten Jens-Daniel Herzog zur nächsten Spielzeit an das Staatstheater Nürnberg wechseln wird. Newton begeistert mit kapriziösem Spiel und wunderbaren Starallüren, wobei sie allerdings immer wieder Lillis Verletzlichkeit und ihre immer noch tiefen Gefühle für ihren Ex-Mann Fred Graham durchschimmern lässt.  Ihr Sopran verfügt über strahlende Höhen und besitzt für die Musical-Nummern die erforderliche Leichtigkeit. So überzeugt sie in der Nummer "Kampf dem Mann" mit einer klaren Diktion und großem Sarkasmus. Wenn sie später auf der Bühne als Katharina ihrem Petrucchio eine Abfuhr erteilt, tritt sie mit glockenklaren Koloraturen bei dem Wörtchen "Nein" in einen Dialog mit der Flöte. Als Katharina trägt sie im ersten Akt einen Rock mit zahlreichen Krawatten. Sollen das die Trophäen der Männer sein, die sie als streitbare Frau bisher zur Strecke gebracht hat? Ihr Ex-Mann Fred Graham ist mit Ensemble-Mitglied Kenneth Mattice ebenfalls ideal besetzt. Mit Macho-Allüren und einer gehörigen Portion Selbstironie legt er die Figur sehr selbstverliebt an und sieht dabei auch noch verdammt gut aus. Mit markantem Bariton schwelgt er in dem umgedichteten Song "Wo ist die liebestolle Zeit?", wobei die Zeile "Wo ist der Mann, der ich einst war?" noch besser zur Aufzählung der zahlreichen Eroberungen passt, die er in seinen wilden Jahren gemacht hat. Das Zusammenspiel von Mattice und Newton, die auch privat ein Paar sind, funktioniert großartig. Da bekommt die Katastrophe, wenn die Blumen mit dem Liebesbrief für Lois bei Lilli landen und diese den Brief dann auf der Bühne im Stück öffnet und Katharinas Widerspenstigkeit eine noch aggressivere Note verleiht, eine ganz neue Bedeutung.

Bild zum Vergrößern

Die beiden Gangster (links: Boris Leisenheimer, rechts: Rainer Zaun) zwingen Lilli (Emily Newton), die Vorstellung weiterzuspielen.

Auch die beiden Gangster, die auftreten, um die Spielschulden einzutreiben, die Lois' Geliebter Bill Calhoun unter Freds Namen gemacht hat und die Fred sich schließlich zunutze macht, um Lilli daran zu hindern, die Produktion zu verlassen, sind mit Rainer Zaun und Boris Leisenheimer großartig besetzt. Zaun legt den 1. Gangster mit grandiosem Ruhrpott-Slang und wunderbar trockener Komik an. Dabei spielt er auch gerne mit seiner Waffe und knallt einen Flötisten im Orchestergraben kurzerhand ab, als ihm die Melodie mit den zahlreichen Trillern zu lang wird, damit "das Stück endlich weitergehen kann". Leisenheimer legt den 2. Gangster ein bisschen naiver an. Große Komik entfaltet er, wenn er als Gangster im Shakespeare-Stück in einem weiten roten Tüllrock auf der Bühne steht und dabei mit strahlendem Lächeln immer mehr Gefallen am Theater findet. Dass die berühmte Nummer "Schlag' nach bei Shakespeare" zu einem weiteren Höhepunkt der Aufführung avanciert, versteht sich bei dieser komödiantischen Interpretation nahezu von selbst. Dabei toben Zaun und Leisenheimer mit großer Freude auf der Bühne herum und geben gleich zwei Zugaben.

Bild zum Vergrößern

"Tom, Dick und Harry": Bianca (Nathalie Parsa) wird von Gremio (Janis Masino, Mitte), Hortensio (Thomas Peters, 2. von rechts) und Lucentio (Tillmann Schnieders, rechts) begehrt.

Nathalie Parsa versprüht als Lois Lane eine gehörige Portion Sex-Appeal und lässt die Männerherzen höher schlagen. Mit verführerischem Charme begeistert sie bei ihrer großen Nummer im zweiten Akt, "Aber treu bleib' ich nur dir, Schatz, auf meine Weise". Tillmann Schnieders überzeugt als ihr Geliebter Bill Calhoun, der eigentlich relativ unzuverlässig, dabei aber sehr eifersüchtig ist. Mit Janis Masino als Gremio und Thomas Peters als Hortensio begeistern Schnieders und Parsa in der Nummer "Tom, Dick und Harry" beim Stück im Stück, wenn die drei Männer um die schöne Bianca werben. Musikalische und tänzerische Höhepunkte setzen sechs Tänzerinnen und Tänzer des Ballett-Ensembles des Theaters und junge Musical-Darsteller, die für diese Produktion als Gäste engagiert sind. Schon bei der Eröffnungsnummer "Premierenfieber" heizen sie dem Publikum mit einer schmissigen Choreographie von Andrea Danae Kingston ein. Wenn Alexander Brugnara als Ankleider Paul dann nach der Pause mit "Viel zu heiß" loslegt, brodelt der Saal.

General Harrison Howell erhält eine Musiknummer, "From this Moment on", die eigentlich aus einem anderen Porter-Musical stammt. Porter hatte diesen Song für das Musical Out of this World im Jahr 1950 komponiert. Das Lied wurde aber vor der Premiere wieder gestrichen. Erstmals war es dann in der Verfilmung von Kiss Me, Kate 1953 zu hören und wird seit dem Broadway-Revival 1999 häufiger eingebaut. Jonathan Agar legt die Partie wunderbar negativ an, so dass klar wird, dass Lilli für ihn keinesfalls das Theater verlassen wird. Wenn sie dann am Ende des Stückes als Katharina zurückkehrt und die streitbaren Shakespeare-Verse vorträgt, entscheidet sich Hüve für eine ironische Brechung, die er bereits im ersten Akt eingeleitet hat. So unterwirft sich Lilli / Katharina keineswegs Fred / Petrucchio, sondern begegnet ihm als gleichberechtigte Partnerin auf Augenhöhe. Steffen Müller-Gabriel zaubert einen frischen Musical-Sound aus dem Graben, so dass es am Ende lang anhaltenden und begeisterten Applaus gibt, in den sich auch das Regie-Team unter großem Jubel einreiht.

FAZIT

Zum Abschluss der Saison setzt das Theater Hagen in einer rundum gelungenen Inszenierung noch einen Publikumsrenner auf den Spielplan und beendet die Spielzeit so furios, wie sie mit In den Heights von New York begonnen hat. Das neue Leitungs-Team kann mit der ersten Spielzeit sehr zufrieden sein.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Roland Hüve

Choreographie
Andrea Danae Kingston

Bühne und Kostüme
Siegfried E. Mayer

Licht
Ernst Schießl

Dramaturgie
Corinna Jarosch

 

Ballett des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

*Premierenbesetzung

Fred Graham / Petrucchio
Kenneth Mattice

Lilli Vanessi / Katharina
Kristine Larissa Funkhauser /
*Emily Newton

Bill Calhoun / Lucentio
Tillmann Schnieders

Lois Lane / Bianca
Nathalie Parsa

Harry Trevor / Baptista
Dirk Achille

Hattie / Eine Dame
Verena Grammel

Paul, Garderobier
Alexander Brugnara

Harrison Howell
Jonathan Agar

1. Gangster
Rainer Zaun

2. Gangster
Richard van Gemert /
*Boris Leisenheimer

Ralph, Inspizient / Wirt / Priester
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Ankleiderin / Biondella
Elizabeth Pilon

Techniker 1 / Gremio
Janis Masino

Beleuchter / Hortensio / Tranio
Thomas Peters

Techniker 2 / Taxifahrer / Sehr alter Mann /
Angelo
Emanuele Pazienza

Technikerin / Sehr alte Dame / Emilia
Annetta Potempa

"Dance Captain" / Wirtin / Putzmacherin
Joyce Diedrich

Requisiteurin / Mauerblümchen
Sabrina Prochaska


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -