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Cinderella

Ballett in drei Akten von Alfonso Palencia nach dem gleichnamigen Märchen von Charles Perrault
Musik von Sergej Prokofjew

Aufführungsdauer: ca. 1h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 14. April 2018
(rezensierte Aufführung: 19.04.2018)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Märchenhafter Klassiker

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Nachdem der neue Hagener Ballettdirektor Alfonso Palencia im Januar seinen erfolgreichen Einstand mit dem eher abstrakt gehaltenen dreiteiligen Ballettabend Dancing Souls gegeben hat (siehe auch unsere Rezension), folgt nun das erste große Handlungsballett. Dass die Wahl dabei auf Prokofjews Klassiker Cinderella gefallen ist, mag nicht verwundern, da der Zauber, den dieses Märchen in seinen zahlreichen Varianten versprüht, auch mit einer kleinen Compagnie eingefangen werden kann. Schließlich setzt die Geschichte in der musikalischen und dramaturgischen Struktur eher auf die Gefühlswelt der Protagonistin und rückt anders als Schwanensee nicht unbedingt die Massentableaus ins Zentrum. Für Palencia verkörpert dieses Märchenballett "die schönste Liebesgeschichte, die es überhaupt gibt", und so hat er mit dem Ausstatter Dorin Gal wunderschöne Bilder gefunden, die den Zuschauer in eine traumhafte Märchenwelt versetzen. Die Komik kommt dabei auch nicht zu kurz, da Palencia auf die Version von Frederick Ashton zurückgreift, in der die Stiefschwestern und die böse Stiefmutter mit Männern besetzt werden.

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Cinderella (Da Ae Kim) trauert am Grab ihrer verstorbenen Mutter.

Eine wichtige Rolle spielt bei Palencia auch Cinderellas verstorbene Mutter, die als Mutterfee in allen drei Akten auftritt und in der Originalfassung Bettelfee heißt. Direkt in der Einleitung zeigt er die trauernde Cinderella vor einem riesigen Prospekt, auf dem das Grab der Mutter zu sehen ist. Hier tankt sie Kraft, um den Anfeindungen der bösen Stiefmutter und ihrer beiden dummen Stiefschwestern gewachsen zu sein. Bobby Briscoe glänzt als Drag Queen mit exaltiertem Spiel und überragt die anderen Tänzerinnen und Tänzer nicht zuletzt durch seine Größe. Die beiden Stiefschwestern werden von Gonçalo Martins da Silva als Anastasia und Gennaro Chianese als Drizella wunderbar schräg angelegt. Wenn sie sich für den Ball beim Prinzen herausputzen, kommen sie zunächst einmal mit der Mutter unter die Trockenhaube, um mit witzig hochtoupierten, bunten Haaren unter der Haube wieder hervorzutreten. Die Kleider, die Gal für die beiden Schwestern für den Ball entwirft, sind genauso schräg und skurril wie ihre Tanzeinlagen, mit denen sie den geschockten Prinzen zu beeindrucken versuchen. Bei so viel Extravaganz verwundert es nicht, dass sich Cinderellas Vater frustriert zurückzieht. Leszek Januszewski zeichnet die Partie als schwachen Menschen, der sich gegen seine dominante Frau nicht durchsetzen kann. Herrlich sind auch kleine Bühnenbilddetails im Hintergrund wie die verrückte Ahnengalerie und der gewaltige Hirschkopf an der Rückwand, den Cinderella immer wieder abstauben muss.

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Die Stiefmutter (Bobby Briscoe, Mitte) und die Stiefschwestern Drizella (Gennaro Chianese, links) und Anastasia (Gonçalo Martins da Silva, rechts)

Das Haus im ersten Akt wird von einem riesigen Kamin in der Bühnenmitte dominiert, in dem sich nicht nur Cinderellas Schlafplatz befindet, sondern der auch ihr Refugium darstellt, in dem sie eine Kette ihrer Mutter als wertvollen Schatz hütet und auch den Schuh versteckt, den sie vom Ball beim Prinzen mit nach Hause gebracht hat. Dae Ae Kim tanzt die Sehnsucht der Titelfigur mit bewegendem Ausdruck in neoklassizistischem Stil aus. Man leidet mit ihr, wenn sie von der Stiefmutter und den Stiefschwestern gedemütigt wird. Nur wenn sie allein ist, kann sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, und dann taucht auch noch ihre Mutter aus dem Kamin auf und begibt sich mit ihr in eine Traumwelt. Noemi Martone verleiht der Mutterfee mit grazilem Tanz enorme Eleganz, aber auch eine gewisse Zerbrechlichkeit. In der Traumwelt begegnet sie dann zwei weiteren Feen, der Sommerfee und der Winterfee, die von Amber Neumann und Serena Landriel ebenfalls bezaubernd umgesetzt werden. Wenn Cinderella anschließend in einem zauberhaften Ballkleid in einer leuchtenden Kutsche zum Ball gefahren wird, ist das Märchen wirklich perfekt. Unterstützt wird das pittoreske Bild durch bezaubernde Videoeinspielungen von Rasmus Freese, die teils vor und teils hinter die Protagonisten projiziert werden und somit eine enorme Tiefe erzeugen.

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Die Mutterfee (Noemi Martone, rechts) und die Sommerfee (Amber Neumann, vorne) bringen Cinderella (Da Ae Kim) in einer leuchtenden Kutsche zum Ball des Prinzen.

Nach der Pause ist man dann im Schloss des Prinzen angekommen. Mit wenigen Bühnenelementen und einer großen Treppe im Hintergrund wird der Tanzsaal dargestellt. Drei Tanzpaare stellen Höflinge und Damen dar, da die Compagnie mit insgesamt 13 Tänzerinnen und Tänzern in dieser Produktion auskommen muss. Cinderellas Vater und die Winterfee übernehmen deshalb auch eine Doppelrolle. Nicht ganz klar wird, wieso auf den beiden Bühnenseiten schwarze Schaufensterpuppen ohne Köpfe aufgestellt sind. Sollen sie fehlende Besucher ersetzen? Immerhin tanzen Cinderellas Stiefschwestern mit ihnen, nachdem sie keinen anderen Tanzpartner gefunden haben und wenn Cinderella am Ende des zweiten Aktes vom Ball flieht, versperren ihr die Puppen mit den übrigen Höflingen eine Zeit lang den Weg, bis schließlich die Mutterfee erscheint und sie unter Verlust eines Schuhs aus dem Saal rettet. Der Prinz wird von Gustavo Barros sehr melancholisch angelegt. Im Pas de deux mit Cinderella blüht er aber auf und überzeugt im Anschluss in seiner Freude durch kraftvolle Sprünge. Das Duett zwischen Prinz und Cinderella im zweiten Akt wird von Barros und Kim mit großer Innigkeit umgesetzt.

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Liebe auf den ersten Blick: der Prinz (Gustavo Barros, Mitte) und Cinderella (Da Ae Kim, Mitte). Drizella (Gennaro Chianese, links), Anastasia (Gonçalo Martins da Silva, rechts) und die Stiefmutter (Bobby Briscoe, 2. von rechts) haben das Nachsehen.

Als durchweg komische Nummer wird dann die Schuhprobe im dritten Akt inszeniert. Hier stellen die Damen des Hofes Ana Isabel Casquilho, Serena Landriel und Sara Peña mit großem Spielwitz den vergeblichen Versuch dar, sich als vermeintliche Unbekannte des gestrigen Balls auszugeben. Alexandre Démont und Ciro Iorio haben da schon alle Hände voll zu tun, den ständig durch die Luft wirbelnden Schuh wieder einzufangen. Besonders komisch wird es dann, wenn Briscoe als Stiefmutter auch noch versucht, in den Schuh zu schlüpfen. Umso rührender folgt dann die Wiederbegegnung zwischen Prinz und Cinderella. Im Gegensatz zu den anderen erkennt der Prinz in dem in Lumpen gekleideten Mädchen sofort die nächtliche Schöne und ist glücklich, wenn sie grazil in den Schuh schlüpft. Im Liebes-Finale blicken die beiden dann einer besseren Zukunft entgegen, die von Freese als Traumlandschaft auf die Rückwand projiziert wird. Rodrigo Tomillo lotet mit dem Philharmonischen Orchester Hagen Prokofjews facettenreiche Musik mit feinem Gespür für die unterschiedlichen Motive aus und findet mit dem Tanz zu einer überzeugenden Einheit. So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen und verdienten Applaus.

FAZIT

Alfonso Palencia hat unter Beweis gestellt, dass er auch ein klassisches Handlungsballett märchenhaft umsetzen kann. Um die Bandbreite der Hagener Tanzsparte braucht man sich also auch nach dem Weggang von Ricardo Fernando im Moment keine Sorgen zu machen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Choreographie, Inszenierung und Dramaturgie
Alfonso Palencia

Bühne und Kostüme
Dorin Gal

Video
Rasmus Freese

Licht
Martin Gehrke

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Cinderella
*Da Ae Kim /
Amber Neumann

Prinz
*Gustavo Barros /
Gennaro Chianes

Cinderellas Vater
*Leszek Januszewski /
Bobby Briscoe

Stiefmutter
*Bobby Briscoe /
Gustavo Barros

Anastasia, Stiefschwester
Gonçalo Martins da Silva

Drizella, Stiefschwester
*Gennaro Chianese /
Alexandre Démont

Tanzlehrer
*Alexandre Démont /
Ciro Iorio

Mutterfee
*Noemi Martone /
Ana Isabel Casquilho

Sommerfee
*Amber Neumann /
Da Ae Kim

Winterfee
*Serena Landriel /
Noemi Martone

Vögel
*Ana Isabel Casquilho
*Sara Peña
*Alexandre Démont
*Ciro Iorio /
Noemi Martone
Sara Peña
Ciro Iorio
Leszek Januszewski

Höflinge
*Ana Isabel Casquilho
*Serena Landriel
*Sara Peña
*Alexandre Démont
*Ciro Iorio
*Leszek Januszewski /
Noemi Martone
Serena Landriel
Sara Peña
Bobby Briscoe
Ciro Iorio
Leszek Januszewski

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