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Tragödie mit Tüchern Von Thomas Molke / Fotos von Costin Radu
Die Bühne von Jürgen Kirner besteht aus mehreren hohen Holzgestellen, die an einen Käfig erinnern und durch Veränderung der Strukturen und leichte Drehungen immer wieder neue Räume entstehen lassen, die auch noch durch ein beeindruckendes Lichtdesign von Bonnie Beecher unterstützt werden. Erwähnt sei an dieser Stelle das weiße Lichtkreuz, das auf das Holzgestell geworfen wird und den Raum in eine Kirche verwandelt. Hinzu kommt der Einsatz zahlreicher Tücher, die mal als Vorhang fungieren, dann anlässlich der bevorstehenden Hochzeit zu Sektkelchen geformt werden oder auf der Seite als wehende Vorhänge das Fenster in Julias Schlafgemach andeuten, durch das Romeo nach der gemeinsam verbrachten Nacht die Flucht antreten muss. Zu Beginn decken die Tücher die Tänzerinnen und Tänzer wie Möbelstücke in einer verlassenen Wohnung ab. Aus den Lautsprechern hört man in unterschiedlichen Sprachen, die einander überlappen, den Prolog des Shakespeare-Textes, während Bridgett Zehr sich als Chor in abstraktem Ausdruck über die Bühne bewegt und nach und nach die Tänzerinnen und Tänzer von den Tüchern befreit. Feindschaft bis zum Tod: Die Montagues und die Capulets (Ensemble) Die Tänzerinnen und Tänzer tragen Helme vor dem Gesicht, die sie in unterschiedlichen Farben, Blau für die Montagues und Gelb für die Capulets, als zwei verfeindete Gruppen kennzeichnen, und greifen sich mit Beginn der Musik direkt mit Holzstöcken an. Zehr beobachtet das Treiben einen Moment und zieht anschließend eine abstrakt gehaltene helle Holzfigur auf die Bühne, die einerseits den Fürsten von Verona darstellen kann, der den kämpferischen Auseinandersetzungen Einhalt gebietet, andererseits aber auch an einen Sensenmann erinnert, der die gefallenen Opfer auf einem Podest mit sich nimmt. Rasmus Baumann arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen die harten Rhythmen der Musik schonungslos heraus und lässt die Feindschaft zwischen den beiden Familien regelrecht spürbar werden. In dieser von Streit dominierten Welt stellt Ledian Soto als verträumt auftretender Romeo einen Fremdkörper dar. Mit überzeugend dargestellter Melancholie hängt er seiner nicht erhörten Liebe zur schönen Rosalinde nach und nimmt die Kämpfe, die durch das Holzgestell von ihm getrennt sind, gar nicht zur Kenntnis. Louiz Rodrigues reißt ihn als sein Freund Mercutio mit lebensfrohem Spiel und kraftvollen Sprüngen aus seiner Trauer und überzeugt ihn, mit zum Maskenball der Capulets zu gehen. Erste Begegnung auf dem Fest: Julia (Francesca Berruto) und Romeo (Ledian Soto) (im Hintergrund: Ensemble) Bei den Capulets bereiten Julias Eltern bereits die Hochzeit ihrer Tochter mit Paris vor. José Urrutia legt den Lord Capulet sehr autoritär an, während Tessa Vanheusden als Lady Capulet mit weichen Bewegungen auf Spitze über den Boden zu schweben scheint. Francesca Berruto begeistert als Julia mit jugendlich naivem Charme und mädchenhaftem Ausdruck. Bis sie auf Romeo trifft, scheint sie mit Paris (Carlos Contreras) als Gatten kein Problem zu haben. Ein Tuch symbolisiert hier nicht nur das Band, das zwischen Julia und Paris geknüpft werden soll. Auch die Kleider der Frauen auf dem Ball sind mit langen Tüchern versehen. Beim berühmten "Tanz der Ritter", der als Motiv immer wieder im Verlauf des Stückes aufgegriffen wird, werden diese Tücher von dem maskierten Mercutio durcheinandergebracht, um zu zeigen, wie die Montagues die Ordnung bei den Capulets stören. Großartig choreographiert wird die Zufälligkeit, mit der sich Julia und Romeo auf dem Fest begegnen. Berruto und Soto lassen mit bewegendem Ausdruck dabei den Funken zwischen den beiden Liebenden überspringen. Die berühmte Balkonszene, mit der der erste Akt endet, wird von den beiden in einem betörend schönen Pas de deux umgesetzt, bei dem zarter Spitzentanz mit modernem Ausdruck wechselt. Tödlicher Kampf: Tybalt (Valentin Juteau, rechts) und Romeo (Ledian Soto, links) Auch der zweite Akt beginnt wieder mit sich überlappenden über Lautsprecher eingespielten Textpassagen, zu denen sich Romeo auf den Weg zu Pater Lorenzo macht, um ihn zu bitten, ihn mit Julia heimlich zu vermählen. Paul Calderone gestaltet den Pater mit modernem Ausdruckstanz und macht die Bemühungen des Paters, den Hass zwischen den beiden Familien zu lindern, sehr glaubhaft. Rita Duclos legt die im Programm als Zofe bezeichnete Amme weniger burschikos und komisch an, als sie in Shakespeares Text gezeichnet wird, sondern wirkt eher wie eine jugendliche Vertraute Julias. Valentin Juteau gestaltet Julias Vetter Tybalt mit hartem Ausdruck und macht deutlich, dass er zu keiner Zeit gewillt ist, Frieden mit den Montagues zu schließen. Die Kampfszenen zwischen Mercutio, Tybalt und Romeo werden von Rodrigues, Juteau und Soto mit kraftvollen Sprüngen und großer Athletik gestaltet. Wieder erscheint die abstrakte Figur aus dem ersten Akt, um dieses Mal die beiden Opfer des Kampfes, Mercutio und Tybalt, zu holen. Juteau und Rodrigues überzeugen durch einen ausdrucksstarken Todeskampf. Wenn die Szene zur letzten Liebesnacht zwischen Romeo und Julia wechselt, sind die Liebenden zunächst von den Tüchern bedeckt, die bereits den bevorstehenden Tod andeuten. Letzte gemeinsame Liebesnacht: Julia (Francesca Berruto) und Romeo (Ledian Soto)
Bewegend gestaltet Berruto Julias
Verzweiflung, mit der sie den Pater aufsucht, um der von den Eltern geplanten
Hochzeit mit Paris zu entgehen und wird nach Einnahme des Schlaftrunks zunächst
zu Grabe getragen. Verzweifelt versucht Zehr als Bote Romeo den Brief des Paters
zu überreichen. Doch Romeo läuft an ihr vorbei und eilt stattdessen in die
Gruft. Hier nimmt er sich über Julias vermeintlichem Leichnam mit einem Stock
das Leben und stirbt, während Julia aus ihrem todesähnlichen Schlaf erwacht.
Auch sie sieht keinen Sinn mehr in ihrem Leben und tötet sich mit dem gleichen
Stock. Das Publikum zeigt sich begeistert von den Tänzerinnen und Tänzern, die
auch noch die Ensembles zwischen diesen Szenen übernehmen. Bridget Breiner
erhält stehende Ovationen dafür, dass es ihr gelingt, mit nur insgesamt 14
Tänzerinnen und Tänzer diesen Ballettklassiker in so eindrucksvollen Bildern auf
die Bühne zu bringen. Auch die Neue Philharmonie Westfalen unter der
musikalischen Leitung des GMD Rasmus Baumann wird zu Recht mit großem Jubel
überschüttet.
FAZIT Das Ballett im Revier beweist mit
einer intensiven Interpretation dieses Ballettklassikers, dass auch eine kleine
Compagnie ein so großes Stück eindrucksvoll umsetzen kann, und wird dafür mit
großem Beifall belohnt.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung und Choreographie Bühne und Kostüme Lichtdesign Dramaturgie
Neue Philharmonie Westfalen
Tänzerinnen und Tänzer *Premierenbesetzung Julia Romeo Chorus Mercutio Tybalt Lady Capulet Lord Capulet Zofe Pater Lorenzo Paris Straßenparty / Chronos-Gruppe
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