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Das Publikum hat die
Wahl Von Thomas Molke / Foto: © Pedro MalinowskiAm 24. September 2017 findet die Bundestagswahl statt. Dieses Ereignis hat das Musiktheater im Revier zum Anlass genommen, die neue Spielzeit mit einem Abend im Kleinen Haus zu eröffnen, bei dem die Zuschauer ebenfalls die Wahl haben. Allerdings geht es hierbei nicht um Parteien und Politik sondern um Musik. In einer interaktiven Show kann das Publikum zum großen Teil mitbestimmen, was an diesem Abend gespielt wird. Dabei werden allerdings nicht einfach Zettel verteilt, auf denen man ankreuzen kann, welche Songs man hören möchte. Das wäre ja zu einfallslos. Stattdessen trifft das Publikum aufgrund verschlüsselter Beschreibungen die Wahl und weiß vorher nicht genau, was dabei herauskommt, was ja durchaus eine Parallele zur Bundestagswahl darstellen kann. Carsten Kirchmeier hat dafür ein Format entwickelt, das legendäre Shows der deutschen Fernsehgeschichte mit einem leichten Augenzwinkern aufs Korn nimmt, und führt dabei selbst als Moderator wortgewandt und mit einem Schuss Selbstironie durch das Programm. Natürlich darf an seiner Seite die Assistentin nicht fehlen, die von Katrin Bewer in Anlehnung an Fernsehassistentinnen à la Monika Sundermann und Gabi Kimpfel Erinnerungen an Dalli Dalli oder Einer wird gewinnen weckt. Da dürfen natürlich auch die sexistischen Sprüche nicht fehlen, die in den 70er Jahren als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wurden und heute nur noch ein verständnisloses Kopfschütteln hervorrufen. Doch Kirchmeier und Bewer verstehen es als eingespieltes Team hervorragend, dieser boshaften Karikatur einen gewissen Charme zu verleihen. "Ein bisschen Spaß muss sein" im "Let Me Entertain You"-Medley zu Beginn des Abends: von links: Christa Platzer, Joachim Gabriel Maaß, Sebastian Schiller und Anke Sieloff Als Solisten haben sich für dieses Wunschkonzert die drei langjährigen Ensemble-Mitglieder und Publikumslieblinge Anke Sieloff, Christa Platzer und Joachim Gabriel Maaß zusammengefunden, die gemeinsam mit dem "Jungspund" Sebastian Schiller ein abwechslungsreiches Programm von deutschem Schlager, Pop, Musical, Chanson, Swing und Rock präsentieren. Schiller, der seit der letzten Spielzeit fest zum Ensemble des MiR gehört, dürfte vielen Besuchern noch als Bastille aus der Steampunk-Gruppe Coppelius bekannt sein. Direkt zu Beginn des Abends heizen die vier Solisten dem Publikum mit einer rockigen Interpretation von Robbie Williams' "Let Me Entertain You" ein, wobei sie dabei in einem Medley deutlich machen, welche Gattungen sonst noch auf dem Programm stehen. Und so klingen neben "Lady Marmelade" auch noch "Ein Student aus Upsala" und "Ein bisschen Spaß muss sein" an. Thomas Rimes hat die Songs für den Abend nicht nur arrangiert und ist dabei als Australier, wie Kirchmeier erwähnt, weiter in die Tiefen des deutschen Schlagers vorgedrungen, als ihm lieb sei, sondern verleiht den Songs am Klavier und der Gitarre gemeinsam mit Ralf Metz am E-Bass und an der Gitarre, sowie Andreas Kurth am Schlagzeug einen ganz eigenen Sound. Gerade zu Beginn hätte man vielleicht die Aussteuerung noch ein bisschen verbessern können, da die Mikrophone der Solisten im Vergleich zu der Verstärkung der Musiker ein bisschen lauter hätten eingestellt werden sollen, damit die Musik den Gesang nicht zudeckt. Das ist aber auch schon das einzige Manko, das man dem Abend anlasten kann. Carsten Kirchmeier (vorne links) führt mit seiner Assistentin Katrin Bewer (links) durch die Show. Auf dem Sofa warten Joachim Gabriel Maaß, Sebastian Schiller, Christa Platzer und Anke Sieloff, welcher Song wohl als nächster Beitrag ausgewählt wird. Während Kirchmeiers Moderation nehmen die Solisten auf zwei modernen Sofas Platz, zwischen denen eine Jukebox aufgebaut ist, und scheinen genauso viel Freude am Programm zu haben wie das Publikum. Dabei warten sie gespannt ab, welchen Song sie als nächstes vortragen sollen, und unterstützen sich dabei untereinander bei den einzelnen Solonummern mit Choreinlagen. Der Titel Fifty-Fifty deutet dabei an, dass in der Regel die Wahl zwischen zwei Songs fällt. Für die Auswahl des jeweiligen Songs hat sich Kirchmeier unterschiedliche Spiele einfallen lassen. Mal gibt es mit zwei Publikumsgästen die "Dalli-Dalli-Tonleiter", bei der die beiden Zuschauer Fragen zur deutschen Fernsehgeschichte beantworten müssen und Anke Sieloff und Joachim Gabriel Maaß jeden Siegpunkt mit einem Ton auf einer Flöte feiern. Der Sieger darf dann entscheiden, welcher der vier Solisten das nächste Lied vortragen darf. Die Wahl fällt an diesem Abend auf Christa Platzer mit Alexandras "Zigeunerjunge". Dann dürfen die Paare im Saal entscheiden, ob sie lieber ein Duett von Cyndi Lauper oder Sting hören möchten. Die Mehrzahl der Paare entscheidet sich für "Time After Time", das dann von Anke Sieloff und Sebastian Schiller interpretiert wird. Dann wiederum geht es um Kenntnis des Eurovision Song Contests. Der Sieger dieser Runde darf entscheiden, ob er den deutschen Beitrag zum Grand Prix von 1960, 1975 oder 1980 hören möchte, und erfährt auf diese Weise, dass 1975 Joy Fleming mit "Ein Lied kann eine Brücke sein" antrat. Neben den vier Solisten des Abends gibt es auch in jeder Show einen wechselnden Special Guest. An diesem Abend ist es Piotr Prochera, der mit einer gefühlvollen Interpretation des Songs "Wicked Game" von Chris Isaaks das Publikum begeistert. Anschließend darf er dann ebenfalls auf dem Sofa Platz nehmen und muss Schätzfragen über das Publikum beantworten, wobei er bei drei Versuchen dreimal richtig liegt, so dass im Anschluss sein Wunsch erfüllt wird und Anke Sieloff gemeinsam mit Christa Platzer mit großem Spielwitz "So ein Mann" von Margot Werner präsentiert. Auch Thomas Rimes begleitet den Abend nicht nur musikalisch, sondern lässt mit einem dunkel angesetzten "Rings of Fire" von Johnny Cash aufhorchen. Für komische Momente sorgen Christa Platzer und Sebastian Schiller als Cindy & Bert, wobei sie bei "Immer wieder sonntags" von Anke Sieloff und Joachim G. Maaß als Chor unterstützt werden, die große Schwierigkeiten haben, beim "Dibidibidibdibdib" ernst zu bleiben. Schiller wirkt in seinem Slipknot-T-Shirt bei den deutschen Schlagern ein bisschen gequält, darf sich dann aber bei "On Holiday" von Green Day mit kräftigem Headbangen und gelösten Haaren ausleben. Auch seine eindringliche Interpretation des Songs "I Don't Like Mondays" bleibt im Ohr, während dem Publikum seine Darstellung von Justin Timberlake an diesem Abend verwehrt bleibt. Gemeinsam mit Maaß gibt er dann noch die zwei kleinen Italiener im Song von Conny Froboess mit großartiger Komik.
Zum Schluss geht es dann noch
einmal zum Eurovision Song Contest ins Jahr 1976, als die Gruppe Brotherhood of Man mit
"Save Your Kisses For Me" gewann. Auch wenn der Text eigentlich an das
dreijährige Kind des Sängers gerichtet ist, wird der Song von Kirchmeier mit
leichtem Schmalz auf das Publikum mit dem Versprechen übertragen, dass man im
MiR immer einen Kuss für die Zuschauer bewahren würde. Natürlich lässt das
Publikum nach dieser kurzweiligen Show die Solisten nicht ohne Zugabe gehen.
Davon müsste es ja genug geben, da vieles für diesen Abend vorbereitet wurde,
was nun nicht zum Zug gekommen ist. Aber man greift nicht erneut in den Hut, in
dem all die Songs liegen, die in dieser Vorstellung noch zur Wahl gestanden
hätten, sondern präsentiert Roger Ciceros "Alles kommt zurück". Hoffentlich auch
die Zuschauer, da ja keine Show so ist wie die nächste und jedes Mal etwas
anderes auf dem Programm stehen kann.
FAZIT Zwei Stunden und 15 Minuten können
ohne Pause sehr kurz sein, wenn sie so abwechslungsreich gestaltet werden wie in
dieser Wunschkonzert-Show. Hingehen lohnt sich, und jeder Abend wird, was das
Programm betrifft, zumindest teilweise anders sein.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung und Arrangements Konzeption und Entwicklung Licht Bühneneinrichtung Kostüme
Band
Solisten
Christa Platzer
Moderation
Assistentin
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