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Die sizilianische Vesper
(Les Vêpres Siciliennes)


Oper in fünf Akten
Text von Eugène Scribe und Charles Duveyrier nach dem Libretto Le Duc d'Albe (1839)
Musik von
Giuseppe Verdi


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Wiederaufnahme an der Oper Frankfurt am 26. November 2017 (Premiere: 16. Juni 2013)
(rezensierte Aufführung: 30.11.2017)



Oper Frankfurt
(Homepage)
Aus der Trutzburg der Macht

Von Christoph Wurzel / Fotos: Barbara Aumüller


Im Verdijahr 2013 hatte die Frankfurter Oper nicht auf einen der Repertoirerenner des Jubilars gesetzt, sondern sich in einer Neuinszenierung  Die sizilianische Vesper vorgenommen - verdienstvoll weil Verdis Grand Opéra für die Pariser Oper (immer noch) eher selten auf den Bühnen hierzulande zu erleben ist und zudem, weil man die französische Urfassung gewählt hatte; diese Entscheidung allerdings nur halbherzig, denn gerade deren Besonderheit, das ausgedehnte Ballett im 3. Akt, entfiel in der Frankfurter Inszenierung (siehe unsere damalige Rezension). Nach der zweiten Wiederaufnahme nun in diesem November hat die Produktion allerdings ein wenig Raureif angesetzt, was wohl weniger an der Konzeption an sich liegt, sondern möglicherweise daran, dass der Regisseur von 2013 Jens-Daniel Herzog nicht selbst die Einstudierung betreute. Mag sein, dass zudem die Neubesetzung der Hauptrollen zu dem gewissen Verschleiß an überzeugender Personenführung geführt hat, was die hier rezensierte Aufführung teilweise kennzeichnete. Eigentlich ist man diesbezüglich in Frankfurt anderes gewohnt, denkt man z.B. allein an die subtil ausgearbeiteten Händelproduktionen der letzten Jahre.

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Offene Feindschaft zwischen den Sizilianern (rechts) und den französischen Besatzern: Ensemble

Die Inszenierung verlegt die Handlung der Oper aus dem französisch besetzten Palermo des späten 13. Jahrhunderts an die Schwelle der sechziger/siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts in eine unbestimmte Stadt. So wird aus Hélène, der Schwester des von den Besatzern ermordeten Herzogs  Friedrich und Führerin der sizilianischen Widerstandsgruppe gegen die Fremdherrschaft,  eine Untergrundkämpferin, die unverkennbar Züge Ulrike Meinhofs trägt. Ein Moment, das glücklicherweise nicht weiter trägt, denn eine derartige Parallele ließe sich durch keinerlei inhaltliche Konstellation der Oper rechtfertigen. Zu Recht entwickelt die Regie die Konfliktlage im Weiteren hauptsächlich aus den persönlichen Auseinandersetzungen der Protagonisten. Nur dem sizilianischen Freiheitskämpfer Procida, der auch die einzige historisch verbürgte Figur dieser Oper ist, sind im Libretto prononciert patriotische Worte in den Mund gelegt.

Außer der Hintergrundfolie des Sizilianeraufstands, der wegen heftiger Provokationen vonseiten der Franzosen vor Beginn des österlichen Vespergottesdienstes 1282 in Palermo ausbrach, geht es bei Verdi hauptsächlich um einen doppelten Loyalitätskonflikt zwischen den Hauptfiguren der Oper, vornehmlich Henri, der zwischen Vater und Geliebter hin- und hergerissen ist; denn ausgerechnet das Haupt der verhassten Franzosen Guy de Montfort eröffnet ihm, sein Vater zu sein. Gleichzeitig liebt Henri aber Hélène, die sich nach inneren Kämpfen schließlich für ihn entscheidet, damit aber Verrat an ihren Rachegefühle gegenüber den Mördern ihres Bruders übt. Politischen Charakter erhält dann nochmals das tragische Finale, wenn in einem coup de théâtre sowohl Montfort und alle Franzosen als auch Henri und Hélène als Überläufer von den sizilianischen Aufständischen ermordet werden. Beim historischen  Blutbad  sollen an diesem einen Tag 8000 Franzosen umgekommen sein.

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Hin- und Hergerissen zwischen kalter Machtausübung und sehnsuchtsvoller Vaterliebe: Guy de Montfort (Christopher Maltman)

Die Ursachen für den Hass der Sizilianer auf die Franzosen werden in der Inszenierung deutlich herausgestellt. Arrogant und herablassend gegenüber der sizilianischen Bevölkerung und gegenüber ihren Frauen übergriffig treten die Franzosen auf, was allerdings einen Teil von ihnen nicht von Fraternisierung abhält. Eindrucksvoll ist auch das Bühnenbild, eine regelrechte Trutzburg, mittels der Drehbühne mal von außen gesehen eine einschüchternde Geheimdienstzentrale, dann das Interieur einer technokratisch kalten Machtzentrale der Fremdherrschaft. Dass sich die Gefängnisszene des 4. Aktes dann allerdings im Zwischenbereich von Innen und Außen dieses Gebäudes abspielt, wirkt weniger glaubwürdig.

Eine spannende Entwicklung der Handlung gelang in der gesehenen Aufführung leider nur teilweise und schien vom individuellen Gestaltungsvermögen der Sängerdarsteller abhängig. Manche Szenenkonstellation geriet nur steif und gekünstelt. Interessante Regie erweist sich ja auch in der lebendigen Rollengestaltung von Nebenfiguren, was hier z.B. im Falle von Ninetta und Danieli, der beiden Freunde von Hélène, nur unzureichend gelang. Der Chor sang ganz ausgezeichnet, ist aber meistens sehr statisch geführt, stand wie eine Phalanx und sang fast ausschließlich einheitlich nach vorn gerichtet. Überhaupt wird viel nach vorn und an der Rampe gesungen.

Wie angesagt war der Darsteller des Procida, Kihwan Sim, durch  Hexenschuss gehandicapt. Mit sonorem Bass vollbrachte er aber sängerisch eine Glanzleistung. Die Rolle des Henri wurde von Leonardo Caimi verkörpert, einem italienischen Tenor mit wenig farbenreicher Stimme und jedenfalls an diesem Abend recht eingeschränktem darstellerischen Repertoire. Ihm hätte die Abendregie manch altbackenes Händestrecken oder Verlegenheitsgelaufe ausreden sollen.

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Zwischen den Fronten: Henri (Leonardo Caimi) und Hélène (Barbara Haveman)

Dafür gaben Christopher Maltman als Montfort und Barbara Haveman als Hélène eindrucksvolle Rollenportraits. Maltman gestaltete die lange Szene und Arie zu Beginn des 3. Aktes „Ja, ich gestehe meine Schuld“ zu einer intensiven Selbstreflexion und machte die Sehnsucht des Vaters nach seinem ihm entfremdeten Sohn glaubhaft. Mit Verve zeigte Barbara Haveman die seelischen Abgründe ihrer Figur, die ihre widersprüchlichen Gefühle nicht zu innerer Ruhe kommen lassen. Ihre vokale Gestaltung war  technisch exzellent, besonders aber auch im Ausdruck facettenreich und anrührend.

Und besonders eine Szene hatte doch starke Intensität: die Szene im Gefängnis, wo Montfort seinen Sohn mit dem Verlangen unter Druck setzt, ihn als seinen Vater anzuerkennen und dafür ihm und Hélène die Freiheit verspricht - dem kritischen Moment, welcher der Handlung die entscheidende Wende zu geben scheint, bis im Finale unerwartet doch das schreckliche Ende eintritt.

Unter der straffen Leitung von Stefan Soltesz spielte das  Frankfurter Opern- und Museumsorchester handfest und kernig, dabei in vielen Einzelstimmen klangschön und präsent.

FAZIT

In dieser Wiederaufnahmeproduktion blieb vieles in der Personengestaltung arg konventionell und hölzern, aber es gelangen auch Momente szenischer Intensität. Besonders zwei Hauptrollen waren exzellent besetzt. Das Orchester enttäuschte nicht - wie in Frankfurt gewohnt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Regie
Jens-Daniel Herzog

Szenische Leitung der Wiederaufnahme
Hans Walter Richter

Bühnenbild und Kostüme
Mathis Neidhardt

Licht
Olaf Winter

Chor, Extrachor Herren
Tilman Michael

Dramaturgie
Norbert Abels

 

Chor und Extrachor (Herren)
der Oper Frankfurt

Statisterie der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

Guy de Montfort
Christopher Maltman

Sire de Béthune
Abrandon Cedel

Graf von Vaudemont
Jonathan Beyer

Henri, ein junger Sizilianer
Leonardo Caimi

Jean Procida, Arzt aus Sizilien
Kihwan Sim

Herzogin Hélène
Barbara Haveman

Ninetta, ihr Kindermädchen
Nina Tarandek

Danieli
Hans-Jürgen Lazar

Mainfroid
Michael McCown

Thibault
Jaeil Kim

Robert
Dietrich Volle



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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