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Die große ErnüchterungVon Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk"Und Du wirst mein Gebieter sein, und ich Dir untertan." Das sind merkwürdige Worte einer frisch verliebten, aber an sich ziemlich selbstbewussten jungen Frau. Im Uraufführungsjahr 1933 dürfte darin für das Publikum durchaus ein rückwärtsgewandtes Familienmodell mitgeschwungen sein wie auch die Begeisterung für den starken Mann, der mit den überholten Umgangsformen der dekadenten Gesellschaft nichts anzufangen weiß und sich kurzerhand darüber hinwegsetzt. Und heute? "In der Politik wäre er der Anti-Politiker, der die Wahl gewinnt, weil die Menschen der Politiker überdrüssig sind", schreibt Intendant und Regisseur Jens-Daniel Herzog im Programmheft über diesen Mandryka. Ein gewagter Vergleich, der sich im Detail anhand des Librettos nicht so einfach bestätigen lässt, in der Musik schon gar nicht, der aber mit einigem Recht darauf hinweist, dass im vermeintlichen happy end der Oper so manche wichtige Frage hinter der zuckersüßen Musik offenbleibt. Aber Herzog zeichnet diesen Mandryka weder als Nazi noch als Populisten und enthält sich überhaupt jeder solchen Anspielung. Er verzichtet aber auf jegliches altwienerische Dekor und versetzt die Oper in eine ausgesprochen unromantische Gegenwart mit Leuchtstoffröhren und Spielautomat an der Wand. Voneinander fasziniert: Arabella und Mandryka.
Der Mandryka, in den sich Arabella auf den ersten Blick verliebt, wird zum kraftmeiernden Ganoven aus Osteuropa (wo er laut Libretto ja auch herkommen soll), der vermutlich nicht auf legalem Weg zu seinem gewaltigen Vermögen gekommen ist. Sangmin Lee singt ihn mit großer, auftrumpfender Stimme, die zu Nuancen fähig ist - aber leider verzichtet die Regie auf die Vielschichtigkeit der Figur, das Doppelbödige: Strauss und Hofmannsthal haben ihm ja eine durchaus sensible Seite mitgegeben (er singt melancholisch von seiner engelsgleichen verstorbenen Frau), und er bemüht sich ziemlich unsicher, den richtigen Tonfall auf dem ungewohnten Wiener Parkett zu finden. Hier ist er ein ziemlich unangenehmer Typ, und es ist schwer vorstellbar (und das ist natürlich ein erhebliches Problem), dass sich Arabella gerade in ihn verliebt. Sie kommt zu Beginn des ersten Aufzugs von der Shopping-Tour heim, ein verwöhntes Kind, das mit den Männern spielt wie mit dem Modellauto, das sie gerade erstanden hat. Emily Newton (sie gestaltet die Partie alternierend mit Eleonore Maguerre) ist eine ausgesprochen gutaussehende Arabella mit hoher Präsenz. Ihr attraktiver, nicht übermäßig großer Sopran könnte in der Höhe noch mehr aufblühen, gibt der Figur aber jugendliches, keineswegs mädchenhaftes Format - da agiert eine selbstbewusste, verwöhnte Frau. Chancenlos: Matteo.
Der Traum von der ganz großen Liebe darf sich bei Herzog nicht erfüllen, denn alles Kitschverdächtige wird beiseite geräumt. Dadurch verschenkt die Regie aber auch manche Szene. Der Abschied Arabellas von ihren drei Verehrern etwa, eigentlich wunderbare Miniaturen, spielen sich hier unmittelbar neben dem chronisch eifersüchtigen Mandryka ab, der dem Grafen Elemer auch prompt eine blutige Nase verpasst. Der Wiener Charme, der dem Personal eingeschrieben und einkomponiert ist, geht verloren (und damit auch ein Stück ihrer Würde), allein Arabellas Vater, der Graf Waldner, darf ein wenig davon behalten - Morgan Moody singt und spielt das mit entsprechender Eleganz und Souveränität. Die Ernüchterung über das Verschwinden des "alten" Wiens ist (auch) ein Thema, dass Strauss und Hofmannsthal hier künstlerisch verarbeiten, aber diese Dimension ist gänzlich eliminiert. Der Auftritt der Fiakermilli (leichtgewichtig: Jeanette Wernecke) ist in diesem Kontext ziemlich albern. Der dauerunglückliche Matteo (Thomas Paul mit solidem, höhensicherem Tenor), hoffnungslos in Arabella verliebt, ist kein Offizier, sondern Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes und in der sozialen Skala ziemlich weit unten - das macht zwar drastisch deutlich, warum Arabella gar nichts mit ihm anfangen kann, aber wertet die Figur arg ab. Dass er eine Liebesnacht mit der falschen Frau, nämlich Arabellas Schwester Zdenka, verbringt, ohne das zu bemerken, war noch nie glaubwürdig, hier verweigert die Regie den beiden eine glückliche Zukunft (wäre ja auch Kitsch gewesen). Ashley Thouret wird in der hohen Lage manchmal etwas eng, was aber gar nicht so unpassend ist, schließlich gibt sich diese Zdenka ja am Tag immer als Junge aus, den burschikosen Gestus trifft die Sängerin stimmlich wie darstellerisch gut. Käuflich: Die Fiakermilli.
Herzog konzentriert sich auf die Entwicklung der Personen unter der Annahme, dass es eben ganz heutige Menschen sind. Das geht im dritten Aufzug, zumindest in dessen oft ziemlich zäher ersten Hälfte, recht spannend auf: Da müssen plötzlich alle Beteiligten sämtliche Illusionen und Wunschbilder aufgeben. Ernüchterung allenthalben. Letztendlich auch für das Publikum: Im Finale, wo Arabella ihrem Mandryka ein Glas Wasser nach angeblich slawonischer Tradition zum Zeichen der Treue reicht, verschläft ihr künftiger Gatte ganz unromantisch ihren großen Auftritt. Hofmannsthal hat sicher anderswo überzeugendere Lösungen gefunden als dieses arg konstruierte Ritual, aber die Musik entfaltet hier Größe, die man mitinszenieren müsste. Aber Mandryka selbst, gerade noch rechtzeitig aufgewacht, hält diese vermeintliche Sitte seiner Heimat offenbar auch für Kitsch und geht prompt zum Wodka über, und so sitzen die beiden auf der großen Treppe, gereift durch die Erfahrungen des verrückten Tages und im plötzlichen Bewusstsein, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Nichts da mit Untertänigkeit: Bleib, wie Du bist, das ist die Devise (so steht es übrigens auch im Libretto, was leicht übersehen wird). Bei aller Schmucklosigkeit gelingt es Herzog hier doch, seinen Figuren nahe zu kommen, nicht immer im Strauss'schen Sinne, aber doch tragfähig. Die Musik jedenfalls hält diese Spannung aus. Ernüchtert: Zdenka und Arabella (hier: Eleonore Maguerre; Emily Newton singt im roten Kleid)
Die musikalische Seite passt dazu. Gabriel Feltz dirigiert keine Ansammlung schöner Stellen, sondern eine sehr genau durchgearbeitete Arabella, bei der jedes Detail seinen Sinn hat. Sicher fehlt mitunter das betörende Moment, auch sind die Bläser oft zu laut und decken die Sänger zu, die Streicher dagegen klanglich unterrepräsentiert. Hier und da dürfte die Musik noch freier klingen (allerdings benötigen die Sänger oft noch die Sicherheit, die das strenge Dirigat vorgibt). Aber Feltz entgeht der Gefahr, dass die Oper in ein paar Höhepunkte auf eher mittelmäßigem Grund zerfällt, wie es oft der Fall ist. Vielmehr gewinnt die Musik insgesamt an Gewicht: Das ist keineswegs die opulente Operette, als die Arabella manchmal gesehen wird, sondern ein gewichtiges Meisterwerk. FAZITEine schmucklose Arabella aus dem 21. Jahrhundert, die im Verzicht auf jeden szenischen Prunk die Vorlage verkürzt und in der keineswegs jede Idee schlüssig ist, die aber in der szenischen Zuspitzung wie auch in der musikalischen Interpretation ihre berührenden Momente hat. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Graf Waldner
Adelaide
Arabella
Zdenka
Mandryka
Matteo
Graf Elemer
Graf Dominik
Graf Lamoral
Fiakermilli
Eine Kartenaufschlägerin
Drei Spieler
Welko, Leibhusar des Mandryka
Jankel, Diener des Mandryka
Ein Zimmerkellner
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