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Les Huguenots (Die Hugenotten)

Grand opéra in fünf Aufzügen
Libretto von Eugène Scribe und Émile Deschamps
Musik von Giacomo Meyerbeer

In französischer Sprache mit ungarischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 h (zwei Pausen)

Premiere im Erkel-Theater Budapest am 28. Oktober 2017


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Staatsoper Budapest
(Homepage)
Religionskonflikt nach opernmusealer Art

Von Stefan Schmöe / Fotos © Valter Berecz / Ungarische Staatsoper

500 Jahre Reformation - so etikettiert die Ungarische Staatsoper diese Premiere, die fast genau auf den großen Jahrestag fällt. Meyerbeers Hugenotten sind ja auch ein passendes Werk, immerhin geht es da um die blutigen Konflikte zwischen den protestantischen Hugenotten und den Katholiken, was 1572 im Massaker der "Bartholomäusnacht" gipfelte. Meyerbeer hat das in seiner zur Entstehungszeit und noch lange danach ungeheuer erfolgreichen Oper musikalisch thematisiert, indem er immer wieder den Luther-Choral Ein feste Burg ist unser Gott verwendet. Und auch wenn das inhaltlich mit einer operntypischen Liebesgeschichte des 19. Jahrhunderts nicht gerade eine Diskursoper ist (aber immerhin eine ganz reizvolle Variante des Romeo-und-Julia-Motivs, weil die Liebeshochzeit zwischen der Katholikin Valentine und dem hugenottischen Edelmann Raoul durchaus erwünscht ist, aber an Missverständnissen und allzu heftigen Emotionen scheitert), taugt der Konflikt, sollte man denken, als Vorlage für eine Interpretation aus heutiger Sicht. Das Spannungsfeld von Toleranz und Überzeugung, das wäre doch ein großes Thema für das Theater.

Entschuldigung - Foto kommt später

Da sieht es noch so aus, als könne die Angelegenheit glimpflich ausgehen: Die Königin und Raoul

Regisseur János Szikora sieht, so steht's im Programmheft, in dem Konflikt zwischen Katholiken und Hugenotten eine Art Prototyp für ideologische Verblendung auf beiden Seiten, die zu einem schematischen Schwarz-Weiß-Denken führt - und genau das möchte er auch zeigen. Folglich sind die Katholiken in Weiß, die Hugenotten in Schwarz. Durchaus plausibel ist auch der Ansatz, die Oper einerseits über weite Strecken vor quasi-barocken Prospekten spielen zu lassen, die historische Kupferstiche zeigen, dann aber immer wieder auf eine abstrakte Ebene zu wechseln. Dazu fahren die "historischen" Prospekte hoch, und auf der leeren Bühne werden mit riesigen Buchstaben schlagwortartig leitmotivische Begriffe dargestellt wie AMOR oder REMÈNY (das ungarische Wort für "Hoffnung", bei dem durch ein paar Buchstabendreher MERÉNY wird, was auf "Angriff" oder "Anschlag" anspielt). Wäre das mit einer Spur Ironie umgesetzt (wie etwa die comichafte Werbekampagne der Budapester Oper), dann hätte das Pathos des Werkes geschickt unterlaufen werden könne. In der hier gezeigten, durch und durch ernsten Variante hat es etwas bemüht Belehrendes - und doch sind das die besseren Szenen der Aufführung. Denn die ungeheuer aufwendig gestalteten historischen Kostüme (Yvette Alida Kovács) engen die Sänger ein, und womöglich liegt hier ein Denkfehler: Falls die Regie einen zeitlosen Konflikt im historischen Gewand zeigen wollte, hätte sie wohl besser moderne Menschen in historischem Ambiente gezeigt; hier aber sind es Kostümträger, die nicht mehr als Klischees transportieren.

Entschuldigung - Foto kommt später Keine Kompromissbereitschaft: Der Hugenotte Marcel

Das liegt (auch) an der weitestgehend fehlenden Personenregie, die sich offenbar auf Anweisungen der Art "tritt von links auf" beschränkt hat. Szikora schickt die Sänger an die Rampe und lässt sie ins Publikum singen; etwaige Gestik scheint dem Zufall oder dem Vermögen des Darstellers überlassen zu sein. So wird dem Stück jede Dramatik ausgetrieben, es ist über weite Strecken eine konzertante Aufführung in opulenten Kostümen. Da dürfen die Katholiken sich martialisch auf das Gemetzel einschwören, ohne dass die Regie erkennbar Stellung nimmt. Aber selbst elementare Momente der Handlung wie der Tod von Valentine und Raoul (die beiden fallen einfach um, als es dumpf kracht) werden ohne das erforderliche Mindestmaß an Sorgfalt abgehandelt. Einen Bezug zur Reformation oder gar eine zeitgemäße Auseinandersetzung gibt es auf der Bühne überhaupt nicht. Mitunter bleibt der Eindruck, hier werde die betagte Gattung der Grand opéra wie im Opernmuseum ausgestellt - als überaus statische Ausstattungsoper. Die Etikettierung "500 Jahre Reformation" ist letztendlich ein Marketing-Gag, mehr nicht.

Entschuldigung - Foto kommt später

Kein Platz für Zwischentöne: Katholiken (weiß) und Hugenotten (schwarz)

Die musikalische Seite ist da weitaus besser gelungen, angefangen beim ausgezeichneten Orchester der Staatsoper unter der Leitung von Oliver von Dohnányi, der auf transparenten Klang statt schwerem Pathos und drängende Tempi setzt. Nicht immer folgen die mitunter allzu schwerfälligen Ensembles dem, und der große Chor (Einstudierung: Kálman Strausz) singt betörend klangschön, neigt aber zum Verschleppen der Tempi (und das bei den oratorisch astatischen Tableaus mit optimalem Blick auf den Dirigenten!). Sehr achtbar schlägt sich der junge Tenor Gergely Boncsér als Raoul. Sicher ist er vom Timbre kein "französischer" Tenor, aber die Stimme ist geschmeidig, dabei nicht zu leicht und weitestgehend sicher in der Höhe. Mit vollem, leuchtendem Sopran singt Gabriella Kiss Létay die Valentine. Klára Kolonits besticht als Königin Margarete von Navarra in ihrer atmosphärisch luftigen Auftrittsarie mit glasklaren, keineswegs leichtgewichtigen Koloraturen, wofür sie (mit Recht) umjubelt wurde, das muss man erst einmal so singen. Ganz jung klingt die Stimme nicht mehr, mitunter leicht verschattet und etwas ausgedünnt bei den Spitzentönen. Im weiteren Verlauf der Oper fehlt schlicht die dramatische Kraft, um sich durchzusetzen.

Entschuldigung - Foto kommt später Keine Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft: Raoul und Valentine

Großartig ist Gábor Bretz als noch jugendlicher Draufgänger Marcel und Weggenosse Raouls; auch Zsolt Haja gibt dem katholischen Grafen Nevers nobles, elegantes Format. Antal Cseh ist ein wuchtiger Graf Saint-Bris und Vater Valentines, Gabriella Balga ein quirliger, szenisch wie stimmlich sehr präsenter Page Urbaine. Auch die kleineren Partien sind bestens besetzt (sieht man von dem schon erwähnten Hang zum Schleppen ab, sobald sich die Figuren zu Ensembles vereinigen). Stimmlich wird die Budapester Staatsoper dem schwierigen Werk also (mit kleinen Abstrichen) gerecht, und Meyerbeers Musik erweist sich als mitreißend und füllt manche Leerstelle der Regie aus - da hätte man bei den Kürzungen (mit zwei Pausen kommt man immer noch auf vier Stunden Spieldauer) durchaus noch zurückhaltender sein dürfen.


FAZIT

Musikalisch gelingen diese Hugenotten sehr eindrucksvoll, szenisch ist das Werk als Ausstattungsoper und Rampenstehtheater leichtfertig verschenkt.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Oliver von Dohnányi

Inszenierung
János Szikora

Bühne
Balázs Horesnyi

Kostüme
Yvette Alida Kovács

Choreographie
Csaba Sebestyén

Chor
Kálmán Strausz



Chor und Orchester der
Staatsoper Budapest


Solisten

* Besetzung der Premiere

Marguerite de Valois, Königin von Navarra
Orsolya Hajnalka Rőser /
* Klára Kolonits

Urbain, Page der Königin
Melinda Heiter /
* Gabriella Balga

Graf de Saint-Bris
Tamás Busa /
* Antal Cseh

Valentine, seine Tochter
Kinga Kriszta /
* Gabriella Létay Kiss

Raoul de Nangis
Boldizsár László /
* Gergely Boncsér

Marcel, sein Diener
Géza Gábor /
* Gábor Bretz

Graf Nevers
Csaba Sándor /
* Zsolt Haja

Cossé
József Mukk /
* Tivadar Kiss

Tavannes
Béla Turpinszky Gippert /
* Jenő Dékán

Thoré
András Kőrösi /
* Ferenc Cserhalmi

De Retz
Zoltán Gradsach /
* Máté Fülep

Méru
Attila Erdős /
* Béla Laborfalvi Soós

Maurevert
Zsolt Molnár /
* András Kiss

Bois-Rosé
László Beöthy-Kiss /
* Ferenc Kristofori

Valet
Dániel Roska

Ehrendamen
Judit Kerék
Mónika Németh

Nachtwächter
Attila Búra

Drei Mönche
Gábor Csiki
Géza Zsigmond
Attila Fenyvesi

Zwei Protestanten
Géza Zsigmond
Attila Fenyvesi



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Staatsoper Budapest
(Homepage)



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