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I due Foscari

Tragedia lirica in drei Akten
Libretto von Francesco Maria Piave nach George Byrons Drama The Two Foscari
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 6. Mai 2018
(rezensierte Aufführung: 29.06.2018)


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Theater Bonn
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Düstere Familientragödie in nüchternen Bildern

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Seit einigen Spielzeiten liegt ein Schwerpunkt der Oper Bonn auf frühen Verdi-Opern, die zu Unrecht im Schatten der späteren Meisterwerke stehen. Nach Giovanna d'Arco, Jérusalem und Attila steht nun I due Foscari auf dem Spielplan, das sich bis in die 1870er Jahre mit mäßigem Erfolg auf den Spielplänen in Europa hielt. Geplant hatte Verdi diese Oper eigentlich für das Teatro la Fenice in Venedig, von dem er nach den großen Erfolgen mit Nabucco 1842 und I Lombardi alla prima cruciata einen Kompositionsauftrag erhalten hatte. Die Geschichte um den berühmten Dogen Francesco Foscari, der über 30 Jahre die Macht in der Lagunenstadt ausgeübt hatte und dessen Bild auch heute noch zusammen mit dem berühmten Löwen die Porta della carta zwischen Dogenpalast und Markusdom ziert, schien ihm für Venedig passend. Doch die Zensur lehnte das Stück mit Rücksicht auf die lebenden Namensträger der historischen Gegner der Foscari ab, und Verdi debütierte in Venedig mit Ernani. I due Foscari gelangte dann erst ein Jahr später in Rom zur Uraufführung, wo die päpstliche Zensur eine Oper über Lorenzino de' Medici wegen der politisch brisanten Darstellung eines Tyrannenmords ablehnte, mit der Geschichte der Foscari jedoch keine Probleme hatte. Verdi selbst bezeichnete die Uraufführung der Oper als ein "mezzo-fiasco", was zum einen an der musikalischen Umsetzung gelegen haben mag, da die Sängerinnen und Sänger aufgrund hoher Nervosität in der Premiere laut Verdi "arg unrein sangen", und zum anderen aus der düsteren Geschichte resultieren könnte, die, wie Verdi später in einem Brief an Piave selbstkritisch bemerkte, mit einer allzu gleichförmigen Farbe schnell langweilig werde. Dennoch hat das Werk musikalisch seine Meriten, wovon man sich jetzt im Theater Bonn überzeugen kann.

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Lucrezia (Anna Princeva) bittet ihren Schwiegervater Francesco (Lucio Gallo), ihren Gatten im Prozess zu unterstützen.

Das Stück basiert auf der 1821 von Lord Byron verfassten gleichnamigen historischen Tragödie und spielt im Jahr 1457 während der letzten Tage der Amtszeit des venezianischen Dogen Francesco Foscari. Der Doge muss hilflos mit ansehen, wie die Mitglieder des mächtigen Rates der Zehn und des Senats über das Schicksal seines Sohnes Jacopo beraten, der beschuldigt wird, einen politischen Gegner der Foscari ermordet zu haben, nachdem er unerlaubt aus der Verbannung, in die er durch eine von Loredano angezettelte Intrige geschickt worden war, nach Venedig zurückgekehrt war. Loredano hat mit den Foscari noch eine Rechnung offen, da er der festen Überzeugung ist, dass der Doge vor etlichen Jahren seinen Vater und Onkel vergiften ließ. Daher macht er seinen Einfluss geltend, um an Francesco und dessen Sohn Rache zu nehmen. Während Jacopos Ehefrau Lucrezia wie eine Löwin darum kämpft, die Unschuld ihres Mannes zu beweisen, beruft sich Francesco auf die Einhaltung der Gesetze, gegen die er selbst als Doge machtlos ist. So muss er erleben, dass sein Sohn erneut in die Verbannung nach Kreta geschickt wird. Als Francesco die Nachricht erreicht, dass der wahre Mörder seines politischen Gegners gefasst worden sei, ist es für Jacopo bereits zu spät, da er kurz nach dem Verlassen Venedigs an gebrochenem Herzen gestorben ist. Loredano hat mittlerweile beim Rat der Zehn durchgesetzt, dass Francesco sein Amt als Doge als Altersgründen niederlegen muss. Als die große Glocke von San Marco die Ernennung des neuen Dogen verkündet, bricht Francesco tot zusammen.

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Zwischen Vaterliebe und Pflichtgefühl: Francesco Foscari (Lucio Gallo, Mitte) mit seinem Sohn Jacopo (Felipe Rojas Velozo, rechts) und seiner Schwiegertochter Lucrezia (Anna Princeva)

Das Regie-Team um Philipp Kochheim verlegt die Handlung aus dem 15. Jahrhundert in die Gegenwart. Piero Vinciguerra hat für den Dogenpalast eine moderne Machtzentrale entworfen, die durch Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenwechsel ermöglicht. Da ist zunächst die Halle im Dogenpalast im ersten Akt, bei der natürlich Kameras und Videoüberwachung nicht fehlen dürfen. Eine Treppe führt in eine obere Etage, in der mehrere Sicherheitskräfte das Geschehen an Monitoren zu überwachen scheinen. Ein Fernsehteam berichtet über die bevorstehende Sitzung des Rats der Zehn, und die Ausstattung erinnert stellenweise an einen Überwachungsstaat, in dem jede Äußerung aufgezeichnet wird. Im riesigen Sitzungssaal wird Francesco Foscari ganz allein gezeigt, um seine Isolation noch einmal hervorzuheben. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Sohn und seiner Aufgabe als Doge beklagt er sein Schicksal, bleibt jedoch hart, wenn seine Schwiegertochter Lucrezia ihn anfleht, seinen Sohn gegen die Anschuldigungen des Rates der Zehn zu verteidigen. Wahrscheinlich könnte er es allerdings auch nicht einmal, selbst wenn er es wollte, weil er in diesem Saal scheinbar ebenfalls überwacht wird.

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Loredano (Leonard Bernad) stimmt das Volk (Chor und Extrachor) auf die bevorstehende Regatta ein.

Das Staatsgefängnis, in dem sich Jacopo im zweiten Akt befindet, erinnert an einen Verhörsaal. Hinter einer riesigen Scheibe sieht Jacopo zunächst in einer Halluzination blutüberströmt Carmagnola, einen berühmten Söldnerführer, der in Venedig zu Unrecht verhaftet und hingerichtet worden ist. Wenn seine Frau Lucrezia in der Zelle erscheint, um ihm von der für ihn geplanten Verbannung zu berichten, tritt Loredano, der Erzfeind der Foscari an die Scheibe, um deutlich zu machen, dass er der Strippenzieher im Komplott gegen den Dogen und seine Familie ist. So setzt er unter anderem durch, dass Lucrezia und die gemeinsamen Kinder Jacopo nicht ins Exil folgen dürfen. Nach der Pause lässt Kochheim den Chor dann in den Farben den italienischen Nationalfarben auftreten. Vor einer riesigen italienischen Flagge feiert der Chor in farbig geordneten Gewändern eine bevorstehende Regatta, bevor die ausgelassene Stimmung durch den Auftritt Jacopos unterbrochen wird. Kochheim lässt Jacopo nicht bei der Abreise an gebrochenem Herzen sterben. Stattdessen jagt er sich eine Kugel durch den Kopf. So tritt Lucrezia im nächsten Bild auch blutüberströmt ihrem Schwiegervater entgegen, um ihm vom Tod seines Sohnes zu berichten. Auch Francesco wird nicht einfach tot zusammenbrechen, wenn er seines Amtes enthoben wird. Lucrezia reicht ihm die Waffe, mit der sich bereits ihr Mann das Leben genommen hat. Francesco setzt sie an die Schläfe, und das Licht verlischt zum letzten Takt der Musik, bevor der alte Foscari abdrücken wird.

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Loredano (Lonard Bernad, rechts) und der Rat der Zehn (Hintergrund) zwingen Francesco Foscari (Lucio Gallo, Mitte vorne), sein Amt als Doge niederzulegen.

Musikalisch weist das Werk einige Besonderheiten auf. So wird der stimmliche Kontrast zwischen Tenor und Bariton nicht wie in den meisten übrigen Verdi-Opern als Rivalität zwischen zwei Figuren um die Liebe des Soprans genutzt. Der eigentliche Bösewicht (Loredano, ebenfalls ein Bariton) spielt musikalisch als Gegenspieler des Tenors nur eine untergeordnete Rolle. Vielleicht liegt auch darin eine Schwäche des Stückes, die dazu führt, dass dem Werk auch heute noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eigentlich eilt das Stück nämlich von einer musikalischen Glanznummer zur nächsten, was der zahlreiche Szenenapplaus der Vorstellung belegt. Zu nennen sind hier zunächst die Motive, mit denen die drei Hauptcharaktere gezeichnet werden. Jacopos Trauer wird von einem melancholischen Klarinetten-Solo ausgeschmückt. Ein Flötenthema bringt Lucrezias bedingungslose Liebe zu ihrem Mann wunderbar zum Ausdruck, und die schwankende Gefühlswelt Francescos findet in den Cello-Klängen mit den Bratschen eine bewegende Umsetzung, wobei sich hier bereits Anklänge an Philipp II. aus Don Carlo heraushören lassen. Begleitet werden diese Motive von einer Fülle an anspruchsvollen Arien, die in Bonn großartig umgesetzt werden. Anna Princeva begeistert als Lucrezia mit sauber angesetzten, hochdramatischen Spitzentönen, die die kämpferische Natur von Jacopos Ehefrau unterstreichen, und verfügt über eine samtige Mittellage. Felipe Rojas Velozo glänzt als Jacopo mit kraftvollem Tenor, der sich direkt in seiner Auftrittsarie mit scheinbarer Leichtigkeit in schwindelerregende Höhen emporschraubt, ohne dabei zu forcieren. Auch Lucio Gallo lässt in der Partie des Francesco keine Wünsche offen und punktet mit grandiosem Bariton, der sowohl über markante Tiefen verfügt, als auch in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Leonard Bernad gestaltet die Partie des Loredano mit diabolischem Bariton. Der von Marco Medved einstudierte Chor überzeugt genauso wie die übrigen Solisten in den kleineren Partien. Will Humburg arbeitet mit dem Beethoven Orchester Bonn Verdis süffigen Klang differenziert heraus, so dass es am Ende großen Jubel für alle Beteiligten gibt. Nur etwas mehr Publikum hätte man sich an diesem ersten spielfreien Tag während der Fußball-Weltmeisterschaft gewünscht. Vielleicht hat das schöne Wetter viele Besucher davon abgehalten, sich statt des warmen Sommers mit der düsteren Geschichte der Foscari zu beschäftigen.

FAZIT

I due Foscari mag inhaltlich nicht zu Verdis besten Werken zählen, musikalisch weist es aber zahlreiche Glanznummern auf, so dass es durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Will Humburg

Inszenierung
Philipp Kochheim

Bühne
Piero Vinciguerra

Kostüme
Mathilde Grebot

Licht
Max Karbe

Choreinstudierung
Marco Medved

 

Chor und Extrachor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn

Statisterie des Theater Bonn


Solisten

*rezensierte Aufführung

Francesco Foscari
*Lucio Gallo /
Ivan Krutikov

Jacopo Foscari
Felipe Rojas Velozo

Lucrezia Contarini
Anna Princeva

Pisana
Aniara I. Bartz /
*Ava Gesell

Jacopo Loredano
Leonard Bernad

Barbarigo
Christian Georg

Ein Söldner
Jeongmyeong Lee

Diener des Dogen
Nicholas Probst

 


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