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Musiktheater
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Falstaff

Commedia lirica in drei Akten
Text von Arrigo Boito nach The Merry Wives of Windsor von William Shakespeare
Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Veranstaltungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden am 25. März 2018
(rezensierte Aufführung: 1. April 2018)


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Staatsoper Berlin
(Homepage)
Falstaff mit verwitterter Grandezza

Von Roberto Becker / Fotos von Matthias Baus

Giuseppe Verdis Falstaff steht bei Regisseuren höher im Kurs, als man denkt. An der Flämischen Oper in Antwerpen hat sich Schauspielstar Christoph Waltz das solitäre Alterswerk für seine zweite Opernregie ausgesucht (und als Fast-Novize verhoben). Am anderen Ende der Skala hat der Luzerner Intendant Benedikt von Peter, der als Regisseur für seine radikalen Perspektivenwechsel bekannt ist, seine Methode auf den Ritter und seine Abenteuer angewendet. Und sich erwartungsgemäß nicht verhoben. Verglichen damit ging es jetzt an der Berliner Staatsoper Unter den Linden gemäßigt, aber keinesfalls belanglos langweilig zu. Es ist die erste Premiere, die in der Verantwortung von Jürgen Flimms (76) Intendanten-Nachfolger Matthias Schulz (41) stattfindet. Vor allem dass Daniel Barenboim dabei am Pult seiner Staatskapelle stand und die Premiere im Rahmen der von ihm installierten Festtage (inklusive entsprechend "festlicher" Preise) stattfand, hat etwas Programmatisches.

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Falstaff im Hinterhofambiente

Barenboim (das personelle Kontinuum der Nachwendezeit) setzt am Pult der Staatskapelle auf die Déjà-vu-Funken dieser Musik, steuert die melodischen Inseln an, macht Leitmotive hörbar und, erzählt ganz nebenbei auch noch eine gut funktionierende Geschichte. Regie führte der Italiener Mario Martone, der sich vor allem als Filmemacher und im Theater Meriten erworben hat. In der Oper beim Rossini-Festival und zuletzt im Dezember 2017 zur Spielzeiteröffnung des Teatro alla Scala in Mailand mit Umberto Giordanos Andrea Chénier. In Berlin hatte er jetzt für seine Inszenierung mit Michael Volle einen Bilderbuch-Falstaff zur Verfügung, der in jedem zeitlichen Kontext die Würde des notorischen Schwerenöters wahrt und auch dann nicht der Lächerlichkeit preisgibt, wenn er im Wäschekorb bzw. in der Themse landet.

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Die Objekte seiner Begierde bekommen Post ...

Im Libretto von Arrigo Boito hat Falstaff mit seinem "Tutti gabbati" das letzte Wort-gerichtet an seine Mitspieler. Und ans Publikum. Das funktioniert auch in der Vorstadt-Hinterhof-Absteige, in der Sir John in Berlin untergekommen ist. Dieser Typ wirkt zwar etwas windig, könnte aber durchaus Chancen bei den Frauen von Windsor haben. Bei den leichten Mädchen in der Absteige hat er sie ohnehin. Die würden ihn bei Bedarf sicher als Zuhälter akzeptieren. Wenn Mrs. Quickly hier die kuppelnde Botin spielt, kommt sie mit dem Motorrad. Damit käme sie schnell wieder weg, falls nötig.

Margherita Palli (Bühne) und Ursula Patzak (Kostüme) sorgen für einen Kontrast zwischen dieser Halbwelt und dem bürgerlichen Zuhause der eher eleganten Damen. Diese Vorstadtweiber mit eher italienischem Schick leben im Bungalow mit Swimming Pool nebst Fitnessraum und einer schützenden Mauer drumherum. In dem Haus wirken der Paravent, hinter dem sich Fenton (Francesco Demuro) und Nannetta (in der Damenriege mit dem stärksten Eindruck: Nadine Sierra) und der berühmte Wäschekorb zwar etwas deplatziert. Die Teile werden aber nun mal gebraucht. Aber nicht (wie man durchaus erwarten könnte) Falstaff im Wäschekorb landet im Pool, sondern die Frauen schubsen den voll angezogenen Fenton hinein. Wenn der klatschnass herausklettert, ist das auch ganz lustig. Wenn sie dann aber so tun, als würden sie den Ritter über die Mauer ins Wasser kippen, ist das eher "na ja".

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Aufregung im Hause Ford - aber kein Ritter hinter Paravent

Anstelle des Parks gibt es für das Mittsommernächtliche finale Verwirrspiel verlassene Industriearchitektur, und der Dresscode für die Maskerade ähnelt mehr dem Personal der Traumnovelle bzw. der cineastischen Version Eyes wide shut. Die hier entfesselte Orgie samt Partnertausch, inklusive einer immer mal vorbeischauenden Polizeistreife, wirkt verglichen mit der optischen Behauptung in der Ausführung doch etwas betulich. Immerhin gelingt es Mrs. Quickly hier endlich, Sir John zu kapern, dessen eher zufälligen Avancen sie vorher schon mehr als aufgeschlossen gegenüberstand.

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Zum Finale: klarer Durchblick trotz Dunkelheit

Für ihre Intrige laufen Alice Ford (Barbara Frittoli) und Meg Page (Katharina Kammerloher), mithilfe ihrer Freundin Mrs. Quickly (Daniela Barcellona) zu komödiantischer Hochform auf. Die Männer von Windsor (Alfredo Daza als Ford und Jürgen Sacher als sein Wunschschwiegersohn Dr. Cajus) laufen da Gefahr, in den Schatten ihrer Frauen zu geraten. So wie Bardolfo (Stefan Rügamer) und Pistola (Jan Martinik) in den von Falstaff. Ohne Abstriche der Mittelpunkt ist aber Michael Volle als Falstaff. Der Mann ist in jeder Hinsicht eine Klasse für sich. Vokal den anderen Herren immer einen Schritt voraus (auch wenn die ihn an der Nase herumführen) und darstellerisch mit einer Natürlichkeit, bei der ihn auch das Loblied an seinen Bauch nicht so lächerlich macht, wie das bei ausgestopften Kollegen manchmal der Fall ist. Hier ruht tatsächlich ein stattlicher Mann in sich. Und ist eben nicht aus dem Spiel, sondern tatsächlich das Salz in der Suppe des Lebens der anderen.

FAZIT

An der Staatsoper in Berlin wird Verdis Falstaff zu einem musikalischen Fest. Im Ganzen funktioniert die Übertragung der hintersinnigen Komödie in die Gegenwart in der Berliner Inszenierung gut.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Barenboim

Inszenierung
Mario Martone

Bühne
Margherita Palli

Kostüme
Ursula Patzak

Choreographie
Raffaella Giordano

Licht
Pasquale Mari


Chor der Staatsoper

Staatskapelle Berlin


Sänger

Sir John Falstaff
Michael Volle

Ford
Alfredo Daza

Fenton
Francesco Demuro

Dr. Cajus
Jürgen Sacher

Bardolfo
Stephan Rügamer

Pistola
Jan Martiník

Mrs. Alice Ford
Barbara Frittoli

Nannetta
Nadine Sierra

Mrs. Quickly
Daniela Barcellona

Mrs. Meg Page
Katharina Kammerloher



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



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