Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Ein Frosch im Orbit
Von Roberto Becker / Fotos: © Thomas Jauk Rolando Villazón setzt sich beim Schlussapplaus gerne mal die rote Clownsnase auf. Das machte er auch nach der Fledermaus-Premiere an der Deutschen Oper, als ihm neben Beifall und Zustimmung auch ein paar Buhs entgegen geflogen kamen. Der Startenor gibt aber auch als Regisseur gerne den Spaßvogel. Dass er kräftig oder besser fröhlich zulangen würde, wenn er schon im Vorfeld seiner Inszenierung an in Berlin erklärt, dass der Wiener Operetten-Klassiker zu allen Zeiten gilt, war zu erwarten. Aber: Eigentlich ist ein Tenor, der Regie führt, eben auch nichts anderes als ein Regisseur, der zu singen versucht. In der Regel jedenfalls.
Natürlich demonstriert der Mexikaner bei jeder Gelegenheit, dass er weiß, wie man Musik in Bewegung umsetzt. Bei den Protagonisten und beim Chor. Auf dieser Ebene der Details funktioniert seine Inszenierung durchaus. Aber aus deren Summe entsteht noch längst nicht ein Großes und Ganzes. Dazu braucht es zunächst eine praktikable Bühne. Für die ist dank Johannes Leiackers drei Räumen auf der Drehbühne und mit seiner zerfließenden Dali-Uhr Richtung Graben gesorgt. Darüber hinaus bedarf es dann aber vor allem einer Idee, die ins Schwarze trifft. Und das ist gerade bei klassischen Selbstläufern wie der Fledermaus gar nicht so einfach. Die Zeitreise, zu der uns Villazón mitnimmt, vermag das jedenfalls nicht. Am stimmigsten ist noch der Salon der Eisensteins zu Beginn. Mondän mit einem flackerndem Kaminfeuer, das Dr. Falke auf einen Bildschirm zaubert. Thomas Lehman taucht da zunächst nur für die Zuschauer sichtbar als Magier wie aus einem Grusical auf. Bei Gabriel und Rosalinde von Eisenstein wird auf den ersten Blick gelogen wie immer. Alle sind angeblich traurig, dass sie voneinander scheiden müssen. Der Hausherr muss - angeblich - für eine Woche ins Gefängnis. Adele ihr "kranke" Tante besuchen. Und die zurückbleibende Rosalinde sieht ihrem öden Dasein als Strohwitwe entgegen. Dabei erwartet die ihren Liebhaber Alfred. Adele und Gabriel haben ihre Einladung zum Ball des Prinzen Orlowsky schon und Rosalinde kriegt sie umgehend, ist also auch für das vorher besungene Wiedersehen bereit, das sich freilich ganz anders gestaltet als gedacht. Es gehört zu den handwerklich perfekten Szenen, wie sie die drei hier anlügen, und wie man das durch einen geschickten, passgenauen Beleuchtungswechsel auch sieht.
Ohne Pause, nach einem Dreh der Bühne, finden sie sich allesamt in der Scheinwelt des Maskenballs von Prinz Orlowsky wieder. Der entpuppt sich als Reise in einen Party-Keller in der tiefsten DDR. Jedenfalls so, wie sich Villazón die DDR vorstellt. Mit einer dominierenden Vorliebe für NVA-Uniformen drüber und Dessous drunter. Mit Spitzeln, die auf den ersten Blick zu erkennen sind, mit Gardisten, die noch weiter aus dem roten Osten kommen, und mit allerhand Friedrichstadtpalast-Ballett-Trallala. Mit Sputnik-Bild an der Wand und mit einem vom Stalin-Nachfolger Nikita Chrustschow, das freilich auf wundersame Weise nach der Pause mitten im zweiten Akt durch ein Porträt seines Vorgängers Josef Stalin ersetzt ist.
Und dann wirft ein Urmensch wie in Stanley Kubricks Filmklassiker 2001 - A space Odyssey einen Knochen in die Höhe, und mit der Fanfare aus Also sprach Zarathustra (da bricht das Pathos von Richard Strauss in den Rausch von Johann Strauß) geht's direkt in einen Weltraumknast im Orbit mit Blick auf den Blauen Planeten. Dort wartet schon der Android Frosch. Florian Teichtmeister bleibt kein Raum fürs Politisieren, nur für die (schmerzliche) Erinnerung an den Slibowitz-Liebhaber. Der allerdings nur bei kurzen Störungen der Software "durchkommt". Sonst sucht der Ärmste - so wie einst Mr. Data aus der zweiten Enterprise-Generation - dauernd nach den Emotionen in seinen Schaltkreisen. Er probiert sogar (Tenor-)Witze zu erzählen und zu verstehen. "Kommt ein Tenor in eine Bibliothek" so fängt einer davon an. Und ist für den Gefängnisdirektor Frank auch schon der Witz. Markus Brück torkelt mit jeder Menge komödiantischem Talent durch sein seltsames Gefängnis. Der Prophet als König GMD Donald Runnicles versucht mit seinen Musikern im Graben, mit den Walzern, Couplets und dem Schmäh abzuheben. Bis ins All reicht es da freilich nicht. Auch seine Rosalinde Annette Dasch setzt auf Bodenständigkeit, kann sich in der Halbwelt des zweiten Aktes ebenso resolut behaupten, wie an der Spitze ihres Haushaltes. Angela Brower hat als Prinz Orlowsky nicht wirklich eine Chance gegen ihre übermächtige Vorgängerin in dieser Rolle an diesem Haus, Brigitte Fassbaender. Da hilft auch die Aufmachung als Transvestit kaum. Meechot Marrero ist eine selbstbewusst ehrgeizige Adele, Thomas Blondelle ein passend selbstverliebter Eisenstein. Markus Brück macht aus dem verkaterten Gefängnisdirektor Frank ein Kabinettstück. Enea Scala darf beim regieführenden Tenor natürlich ein Alfred mit dessen Temperament werden. Am Ende wird die ganze Szene zurück gespult. Alles auf Anfang im großbürgerlichen Salon? Aber da war doch was?
Die neue Fledermaus an der Deutschen Oper funktioniert vor allem bei den Fans von Rolando Villazón, die bereit sind darüber hinwegzusehen, dass ihm - trotzt der kosmischen Dimension - nicht wirklich etwas Erhellendes zu einem Klassiker, der es in sich hat, eingefallen ist. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Solisten
Gabriel von Eisenstein
Rosalinde
Alfred
Prinz Orlofsky
Adele
Dr. Falke
Frank
Dr. Blind
Frosch
Ida
|
© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de