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Wer immer liebend sich bemüht... Von Bernd Stopka / Fotos: Monika Rittershaus
Wie einfach wäre es, wenn es im
Leben nur schwarz oder weiß gäbe,
nur gut oder schlecht, nur Engel
oder Teufel… wie einfach – und wie
öde, langweilig und leer. Bei ihrer Uraufführung 1927 wurde die Oper von vielen als stilistisch antiquiert und nicht zeitgemäß erlebt. Die Ächtung Korngolds durch die Nationalsozialisten gab der Heliane den Rest und schickte sie in die Versenkung, aus der sie seitdem nur sehr selten hervorgehoben wurde. Die Berliner Produktion ist geeignet, aus der Versenkung einen Dornröschenschlaf zu machen und das Werk dem Opernleben nachhaltig zurückzugeben. Der Fremde (Brian Jagde), Heliane (Sara Jakubiak)
Die Handlung im Wesentlichen: Der Fremde (Brian Jagde), Heliane (Sara Jakubiak) Christof Loys Inszenierung für die Deutsche Oper Berlin lässt Das Wunder der Heliane in einem realistischen, sachlichen Raum spielen, der einem holzgetäfelten, unbestuhlten Gerichtssaal gleicht; mit Uhr und Kreuz, einem einzelnen Tisch und Stuhl (Bühnenbild: Johannes Leiacker). Von der Decke scheint blendendes Neonlicht in den ansonsten überwiegend düster, aber atmosphärisch eindrucksvoll ausgeleuchteten Raum. Das ist nicht nur ein Bild, denn hier wird in jeder Hinsicht zu Gericht gesessen, sondern auch eine sachliche Dimension, die Text und Musik zwar nicht konterkariert, ihr aber eine geradezu befreiende Bodenhaftung verleiht. Die schwarz/weißen Kostüme von Barbara Drosihn zeigen die Personen in Geschäfts- bzw. Abendkleidung, symbolisieren die Sehnsucht nach Eindeutigkeit und unterstreichen in ihrer Gegensätzlichkeit zur Handlung indirekt deren Uneindeutigkeit. Umso stärker erscheint dann die Nacktheit der Heliane als einzig echt und wahr. Der Regisseur gibt Libretto und Musik in diesem Bühnenbild viel Raum sich zu entfalten und zeigt die Handlung so, wie sie geschrieben steht. Kein Überaktionismus, keine provokativen Gegenaktionen, keine oberflächliche Aktualisierung oder Politisierung. Die Personenführung wirkt sparsam, ist aber auf den Punkt genau überlegt und psychologisiert die Charaktere sehr differenziert. Geschickt platziert er Chor und Solisten immer wieder zu ausdrucksstarken Bildern, ohne dabei pathetisch zu werden. Der Fremde (Brian Jagde), Heliane (Sara Jakubiak) und der Herrscher (Josef Wagner) Der Herrscher ist ein Despot, aber nicht um der Macht willen, sondern aus seiner verletzten Seele heraus, ein Liebender, der nicht wiedergeliebt wird, der mit der Botin (mit klangvollem und warm timbriertem Mezzo: Okka von der Damerau) die körperliche Liebe erlebt hat, weshalb sie voller Eifersucht Gift gegen Heliane versprüht. Ihre Sehnsucht gilt der Leidenschaft des Herrschers, der sich diese aber nur von Heliane wünscht und doch nicht bekommt. Insofern ist sein Liebes- und Freude-Verbot für sein Volk aus dem eigenen Mangel geboren: Wenn ich nicht glücklich bin, dürfen es andere auch nicht sein. Ein vielschichtiger Charakter zwischen Wut und Sehnsucht, Verletztheit und Eifersucht getrieben und immer in Bewegung. So zeichnet ihn der Regisseur und so gestaltet ihn Josef Wagner szenisch wie gesanglich mit seinem beweglichen und klangvollen Bassbariton höchst intensiv. Der Freude und Glück verbreitende Fremde erscheint wie ein ganz natürlicher junger Mann, mit dem Drang, die Menschen glücklich zu machen und da auch er ein Mensch ist, gilt das auch für ihn: lebt, liebt und genießt. Wobei für ihn die körperliche Liebe erklärtermaßen eine hohe Form der Zuneigung ist und keine animalische Triebbefriedigung – auch, wenn das momentweise so aussieht... Die Schlussapotheose scheint ihm dann fast ein bisschen unheimlich. Brian Jagde vermag dies überzeugend darzustellen und bewältigt die ungemein anspruchsvolle Partie mit Bravour und Durchschlagskraft. Dabei zeigt sein heldisch strahlender, kraftvoller Tenor keinerlei Ermüdungserscheinungen, so sehr er die Leidenschaften auch toben lässt. Heliane ist die einzige Figur, die einen Namen hat, alle anderen Figuren tragen nur Bezeichnungen. Nur sie ist ein Individuum und handelt individuell. Sehr individuell. Ist sie schuldig? Ist sie unschuldig? Kann man das, was geschehen ist, überhaupt in diese Kategorien einteilen? Über einer Tür des Gerichtssaals hängt ein Kreuz. Religiös-christlich gesehen kann man ja in Gedanken, Worten und Taten sündigen… und „Wer eine Frau [oder einen Mann] ansieht und begehrt, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen“. Dabei spielt die Versündigung aus Sicht des Herrschers nicht wirklich eine Rolle – aber seine Verletzung ist durchaus nachvollziehbar, wenn Heliane sagt, sie habe sich dem Fremden in Gedanken hingegeben, nur in Gedanken, aber immerhin in Gedanken. Dass sie sich in Gedanken einem anderen hingegeben hat, bedeutet einen emotionalen und damit viel tiefer gehenden Ehebruch als einen körperlichen. Doch so einfach ist Helianes Handeln gar nicht. Ist es nicht auch hochchristlich, in mitleidsvoller Liebe einem Gefangenen die letzten Stunden zu mildern? „Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr habt mich besucht.“. Heliane hat zunächst aus Menschenliebe und Mitleid gehandelt – aber auch aus Sehnsucht nach einem Menschen, der Freude bringen und sie vielleicht auch aus dem Elend des unglücklichen Lebens befreien kann. Ganz uneigennützig ist das nicht und sie spielt durchaus mit dem Feuer… Es gibt eine Vielfalt von Beweggründen und ihre unterschiedlichen Aussagen machen das deutlich. Sara Jakubiak ist eine wundervolle, ausdrucksstarke Heliane, die alle diese Facetten zeigt. Mühelos schwingt sich ihr gleichmäßig durchgeformter, charakteristisch timbrierter Sopran in vielfarbig leuchtende Höhen, bewirkt tief bewegende Momente und ratloses Mitgefühl mit dieser Figur. Heliane (Sara Jakubiak) und der Herrscher (Josef Wagner) Das erlösende Finale (inwieweit der Tod zur gemeinsamen Liebe eine vervollkommnende Erlösung ist, müsste man Tristan und Isolde mal nach ihren Erfahrungswerten befragen), besingt ein ewiges Lied der Liebe: „Selig sind die Liebenden. Die der Liebe sind, sind nicht des Todes. Und auferstehen werden, die dahingesunken sind um Liebe.“ Das erinnert ein bisschen an den Faust II-Schluss, der einerseits den ewigen Fortschritt belohnt: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ und andererseits die Liebe als die stärkste positive Kraft apostrophiert: „Das Unbeschreibliche, hier ist's getan; Das Ewig-Weibliche, zieht uns hinan“. Christoph Loy stellt das Finale mit entwaffnender Sachlichkeit dar, keine Apotheose mit Donner und Sternenfunkeln. Die beiden Auferstandenen sehen so natürlich aus, als ob man Seelenfrieden und zwischenmenschlichen Frieden durch Liebe auch im Diesseits erreichen könne.
Während sich Die
tote Stadt einen
festen Platz
im Repertoire
erobert hat,
fristet Das
Wunder der
Heliane
ein
Schattendasein.
Dabei ist sie
das
wichtigere,
gewichtigere –
und
kompliziertere
Werk Korngolds
mit
Klanggewalten,
die nicht nur
abheben
lassen,
sondern auch
erschlagen
können. Dies
zu verhindern,
gelingt Marc
Albrecht am
Pult
außerordentlich
gut, denn er
vermag es, der
Partitur
einerseits ihr
schwelgerisches
Recht, ihre in
polyphonen
Strukturen
gewaltigen
Klänge zu
geben, sie
aber nicht
überborden zu
lassen. Das
macht das
Schwelgen
nicht nur
schön, sondern
auch
hochspannend.
Das Orchester
geht mit
Engagement und
Leidenschaft
mit, ebenso
bewältigt der
Chor seine
umfangreiche
und
anspruchsvolle
Aufgabe. FAZIT Eine spannende Inszenierung, die in schlichten, aber eindrucksvollen Bildern den Fokus auf die Charakterisierung der Figuren richtet, die szenisch und sängerisch ganz exzellent dargestellt und gesungen werden. Das Orchester schwelgt und tobt in ebenso üppiger wie differenzierter Leidenschaft. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Licht Chor Dramaturgie SolistenHeliane Der Herrscher, ihr Gemahl Der Fremde Die Botin Der Pförtner Der blinde Schwertrichter Der junge Mann 6 Richter 2 Seraphische Stimmen
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