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Drei radikale Ereignisse des 20. Jahrhunderts als Video-Oper
Die Wuppertaler Oper hat wieder ein Solisten-Ensemble. Diese
Aussage vom neuen Opernintendanten Berthold Schneider wurde bei der Gala zur
Spielzeiteröffnung vor zwei Wochen mit großer Begeisterung vom Publikum
goutiert, und damit hat Schneider schon einmal einen Grundstein dafür gelegt,
dass er in Wuppertal mit offenen Armen aufgenommen wird. Bei einer so großen
Erwartungshaltung ist es verständlich, dass er die Saison direkt mit zwei
Produktionen eröffnet nach dem Motto: Nicht kleckern, sondern klotzen. Den
Anfang macht am Samstag eine Video-Oper, die ihre Uraufführung 2002 bei den
Wiener Festwochen erlebte und seitdem nur auf Festivals gespielt wurde, ein
absolutes Novum also für ein Opernhaus. Die Musik stammt von Steve Reich, der
als Mitbegründer der Minimal Music gilt, und um das Publikum mit dessen
Musikstil vertraut zu machen, lässt Schneider das Publikum vor der Vorstellung
gemeinsam mit einem Schlagzeuger Reichs Clapping Music klatschen. Als
witzige Eselsbrücke für den Rhythmus beweist Schneider mit dem Spruch "Wuppertal
- Barmen - El-berfeld" auch bereits eine Spur Lokalpatriotismus. Three Tales ist ein Stück über die technischen
Entwicklungen des 20. Jahrhunderts und greift drei Ereignisse heraus, die für
das Jahrhundert von großer Bedeutung waren: die Explosion des Luftschiffes
Hindenburg in New Jersey 1937, die Atombombenversuche auf dem Bikini-Atoll
zwischen 1946 und 1952 und das geklonte Schaf Dolly 1997. Beryl Korot verwendet
für die Projektionen dokumentarisches Videomaterial, das er mit neuen Mitteln
der Technik bearbeitet. Die gesprochenen Texte in den Videos werden dabei von
Reich in den Rhythmus der Musik integriert und teilweise von fünf technisch
verstärkten Solisten verzerrt übernommen. Das Publikum sitzt auf der Bühne des
Opernhauses auf klinisch weißen Drehstühlen, die an ein Versuchslabor erinnern,
und wird somit Teil der Aufführung. Die Videos werden beim ersten Teil auf die
Rückwand, bei den anderen beiden Teilen auf eine Leinwand über dem Orchester und
den Solisten projiziert, so dass die Zuschauer von den Bildern gewissermaßen
eingerahmt werden. Auch musikalisch hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu
sein, wenn vom hinteren Teil der Bühne aus ein Klang erzeugt wird, der an die
Ambosse bei Wotans und Loges Abstieg nach Nibelheim in Wagners Das Rheingold
erinnert. Das Publikum zwischen den
Musikern und Solisten auf der linken und Video-Projektionen der Hindenburg auf
der rechten Seite Die erste Geschichte behandelt mit der Explosion und dem
Absturz der Hindenburg die erste technische Katastrophe, die auf Film
festgehalten ist. Zu unruhigen Klängen, die sich in leichter Variation ständig
wiederholen, sieht man auf der Rückwand in historischen Aufnahmen, wie die
Hindenburg in New Jersey in Flammen aufgeht. Die Großaufnahme des brennenden
Luftschiffes führt dem Zuschauer das Ausmaß der Katastrophe vor Augen. Die
Solisten erinnern in ihrem Gesang an einen klagenden antiken Chor. Kolot zeigt
nun das Luftschiff in mehreren kleineren Abbildungen auf seinem Flug, um es dann
immer wieder in Großaufnahme explodieren zu lassen. So korrespondieren die sich
ständig wiederholenden Bilder mit Reichs musikalischem Aufbau der Szene.
Interessant wird vor allem der zweite Abschnitt der Geschichte gestaltet, wenn
der Bau der Hindenburg in modernen Bildern nachgestellt wird und die Musik mit
den Ambossen zum einen das oben erwähnte Thema aus dem Rheingold
aufnimmt, zum anderen aber in der Melodie auch an den Walkürenritt erinnert.
Wenn man dazu Techniker quasi in das Bild klettern sieht, hat man das Gefühl von
Wesen, die sich wie die Walküren durch die Lüfte schwingen. Atombombentests im Bikini-Atoll:
Jonathan Stockhammer mit den Musikern (im Hintergrund von links: Dustin Smailes,
Andreas Karasiak, Christian Sturm, Rlitsa Ralinova und Nina Kouvochristou) Erwähnenswert sind auch die religiösen Anspielungen. Wenn man
die Hindenburg auf ihrem Flug hinter Kirchturmspitzen sieht, wird die
menschliche Hybris deutlich, die dem ganzen Projekt zugrunde lag. Deutlicher
werden die Anspielungen in der zweiten Geschichte über die Atombombenversuche
auf dem Bikini-Atoll. Reich und Kolot greifen dabei auf die Schöpfungsgeschichte
zurück. Die Amerikaner, die mit ihren Tests auf den Marschallinseln den Anfang
des Kalten Krieges markieren, stehen für die Menschen, denen die Herrschaft über
die Erde und das Leben auf diesem Planeten übergeben wird. Die Bewohner der
Insel symbolisieren den friedlichen Menschen, der den Garten Eden bebauen soll.
Beeindruckend lässt Korot die historischen Bilder mal in eine Art Negativ
umspringen, so dass man das Gefühl einer Explosion hat, und mal in ein Gemälde
übergehen, das die Menschen seltsam verzerrt. Die Vertreibung der Inselbewohner
aus ihrer Heimat erreicht in den Bildern damit eine bedrückende Intensität.
Grausam wirken auch die Bilder, in denen Tiere gegen ihren Willen
abtransportiert werden, um die Auswirkungen der Atombombentests auf "Fleisch" zu
sehen. Wenn dann während der ganzen Geschichte auch noch von zehn auf eins
herabgezählt wird, hat man den Wunsch, die Geschehnisse aufzuhalten, muss
allerdings erkennen, wie machtlos der Mensch als "Herrscher" über die Erde
geworden ist. Künstliche Intelligenz als
Technologie der Zukunft in "Dolly" Nach diesen beiden Katastrophen kommt man in der dritten
Geschichte in der Gegenwart an, die mit dem geklonten Schaf Dolly und den ersten
sprechenden Maschinen keineswegs beruhigender wirkt. Hier nehmen die Interviews
mit diversen Wissenschaftlern einen ganz besonderen Raum in der Musik und der
Rhythmik ein. So wird beispielsweise bei einem Wissenschaftler immer wieder das
Wort "Machines" dupliziert. Als Gegenpol zu den Wissenschaftlern wird der
Rabbiner Adin Steinsaltz eingespielt, der die religiöse Komponente auch in die
dritte Geschichte einbindet, indem er zum einen eine Geschichte erzählt, in der
ein Mensch einen Maschinenmenschen geschaffen hat, der ihn bittet, ihn zu
zerstören, wenn man den Unterschied zwischen Mensch und Maschine nicht mehr
feststellen könne, und zum anderen kritisiert, dass es die eigentliche Sünde des
Menschen sei, es zu eilig zu haben und zu viel in die Schöpfung einzugreifen. So
lässt auch die dritte Geschichte den Zuschauer nachdenklich zurück. Reichs
Musik, die von nur acht Musikern unter der Leitung von Jonathan Stockhammer
umgesetzt wird, geht eine großartige Symbiose mit den erzählten Geschichten ein.
Unter den fünf Solisten befinden sich zwar mit Ralitsa Ralinova und Nina
Koufochristou nur zwei neue Ensemble-Mitglieder, aber Christian Sturm, der für
diese Produktion als Gast zurückkehrt, ist hier in Wuppertal kein Unbekannter,
da er doch vor Kamiokas Intendanz zum festen Opernensemble gehörte, und auch
Dustin Smailes ist dem einen oder anderen vielleicht noch aus der Zeit vor
seiner professionellen Ausbildung zum Musical-Darsteller aus dem TiC in
Cronenberg bekannt.
FAZIT Die Rezension zur Premiere Hoffmanns Erzählungen vom folgenden Tag finden Sie hier.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Szenische Einrichtung
Raum
Klavier Schlagzeug Vibraphon Violine 1 Violine 2 Viola Violoncello SolistenSopran Tenor
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- Fine -