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Musiktheater
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Das Lied der Nacht 

Dramatische Ballade in drei Bildern
Text von Karl Michael von Levetzow
Musik von Hans Gál

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 29. April 2017
(rezensierte Aufführung: 05.05.2017)

 

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Theater Osnabrück
(Homepage)

Das Lied der Nacht          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg

Braunfels Die Vögel, Gurlitt Soldaten. Immer mal wieder sorgt das Theater Osnabrück in der Sparte Musiktheater für Überraschungen, kramt seltene Werke aus, richtet in Ausstellungen sein Augenmerk auf in Vergessenheit geratene Künstler. In dieser Spielzeit ist es Hans Gál und seine zweite Opernkomposition, die dramatische Ballade Das Lied der Nacht. 1890 bei Wien geboren und 1987 in Edinburgh verstorben, fand Gáls Karriere in Deutschland mit der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 trotz seiner traditionellen, im Tonalen verhafteten Tonsprache ein abruptes Ende. Wie alle jüdischen Künstler erhielt er Aufführungs- und Arbeitsverbot. 1938, nach der Annexion Österreichs emigrierte Gál nach England und fand schließlich in Edinburgh eine neue Heimat. Aber auch nach dem zweiten Weltkrieg blieben Komponist und Opernwerke in Deutschland so gut wie ungespielt. Dabei erfreuten sie sich gerade in den 1920er Jahren hier großer Beliebtheit.

Vor allem Das Lied der Nacht, die zweite Zusammenarbeit Gáls mit seinem ungewöhnlichen Librettisten Karl Michael von Levetzow fand regen Zuspruch. Im April 1926, einen Tag früher als die themenverwandte Puccini-Oper Turandot, wurde das Werk in Breslau uraufgeführt. Im Unterschied zu Turandot blieb die Oper jedoch seit 1930 in Deutschland ungespielt. Auch Tonaufnahmen existieren bisher nicht. Umso bedeutender die Wiederentdeckung des Theater Osnabrück.

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Prinzessin Lianora (Lina Liu, mit dem Damenchor) will nicht heiraten.

Protagonistin Lianora ähnelt Puccinis Turandot, doch Gáls Librettist Karl Michael von Levetzow setzt andere Akzente. Auch Erbprinzessin Lianora soll heiraten, um das Land zu retten und verweigert sich. Während Turandot den Bewerbern Rätsel stellt und die Prinzen hinrichten lässt, wenn sie die Fragen nicht beantworten können, entschließt sich Lianora, ins Kloster zu gehen. Zuvor sucht sie Rat bei der steinernen Fürstin-Äbtissin, die ihr die Augen öffnet: „In uns ist die Nacht und ihr großes Werden, in uns ist die Welt und ihr Neugebären“ klärt sie Lianora auf und empfiehlt ihr, sich für die Liebe zu entscheiden, den zu erwählen, vor dem sie „erbebe“. Es ist zunächst nur seine Stimme, der sehnsuchtsvolle Gesang, der sie Nacht für Nacht betört. Schwarz gewandet und maskiert bleiben Identität und Herkunft verborgen, bis er sie vor den gewaltsamen Zugriffen ihres Vetters Tancreds rettet und küsst. Die Geschichte nimmt – trotz des unbeschwerten Beginns – eine tragische Wendung. Lianora bekennt sich zwar zu dem großen Unbekannten und erklärt ihn vor aller Öffentlichkeit zu ihrem Gemahl, doch als sich der Zukünftige als Bootsmann Ciullo, als einfacher Mann aus dem Volke entpuppt, zieht sie ihr Eheversprechen zurück.

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Lianora (Lina Liu, links) sucht Rat bei der steinernen Äbtissin (Gritt Gnauck, rechts).

Mascha Pörzgen, die für die Neuinszenierung, die neue Erstbegegnung des Theater Osnabrück verantwortlich zeichnet, erzählt aus der Perspektive einer pubertierenden, von Ängsten und Verlockungen geplagten Lianora, bereitet jedoch die vorhersehbare Handlung ohne dramatische Spannung auf. Frank Fellmann hat ein Mädchenzimmer mit Meertapete,  großem Himmelbett und aufgebrochener Zimmerdecke auf die Bühne gestellt. Seine Kostüme versinnbildlichen den Mädchentraum schlechthin. Lianoras Dutt, fantasievoll arrangierte Röcke und farbenprächtige Wollstrümpfe erinnern an die exotischen Welten einer kirgisischen Prinzessin. Die rosa gewandeten Gespielinnen tragen romantisch bunte Blumenkränze und Schleifchen im Haar und Märchenprinz Tancred changiert zwischen blondem Lohengrin in azur leuchtendem Anzug, Abenteurer und Ritterrüstung. Kontrastierend zu den Märchenfiguren erscheint Bootsmann Ciullo im Profil als ganz in schwarz gehüllter, symbolistischer Fährmann. Fellmann schuf auch die Videoinstallation für das lanagatmige Orchesterstück im zweiten Akt. Ruhig bewegt oder aufgewühlt schillert da das Meer, führt anspielungsreich aber ohne Tiefgang die Ängste, Träume und unerfüllten Sehnsüchte einer jungen Frau vor Augen.

Ganz anders der alle Märchenfiguren berauschende Gesang des Bootsmanns, das „Lied der Nacht“ selbst. Da erklingt kein „Nessun dorma“, eher ein schlichter, im 6/8-Rhythmus von Ferne rufender Gesang eines Gondoliere, den Ferdinand von Bothmer klangschön, lyrisch schlank und hell timbriert gestaltet. Gáls Musik ist tonal verankert und für eine Komposition der 1920er Jahre konservativ. Und doch schillert und fließt harmonisch ein von Brüchen und Kontrasten durchsetzter Farbenreichtum, den das Osnabrücker Symphonieorchester unter der Leitung von Andreas Hotz transparent in Szene setzt. Lina Liu singt die anspruchsvolle Partie der Lianora. Textverständlich, mit strömenden, klangschönen Melodiebögen, stechend hohen Spitzentönen und warm grundierter Tiefe rührt ihr Gesang. Überzeugend verkörpert auch Susann Vent-Wunderlich die Rolle der Freundin Hämone sowie Gritt Gnauck die Fürstin-Äbtissin.

Hans Gáls Oper Das Lied der Nacht wartet auf weitere Interpretationen, auf detaillierte, die Musik einbeziehende Auseinandersetzungen von Fantasie und Wirklichkeit. Ulrike Schumann erwähnt in ihrem Beitrag im Programmheft zum Beispiel den Bezug des Librettos zu Familiengeschichte und Bohemienleben des Librettisten und homosexuellen Außenseiters von Levetzow. Man darf gespannt sein.

FAZIT

Das Lied der Nacht ist eine Entdeckung, die mit spannenderen Inszenierungen unser Musikleben bereichern kann und vor allem die Rezeption der 1920er Jahre in Deutschland erweitert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Mascha Pörzgen

Bühne, Kostüme und Video
Frank Fellmann

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ulrike Schumann

 

Osnabrücker Symphonieorchester

Opern- und Extrachor
des Theater Osnabrück

Statisterie


Solisten

Die Fürstin-Äbtissin
Gritt Gnauck

Lianora
Lina Liu

Galwine
Elzbieta Schiffer

Hämone
Susann Vent-Wunderlich

Tancred
Rhys Jenkins

Der Kanzler-Reichsverweser
José Gallisa

Ciullo, der Bootmann / der Namenlose Sänger
Ferdinand von Bothmer




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





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