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Dido and Aeneas

Oper in drei Akten
Libretto von Nahum Tate
ergänzt um die Suite Abdelazer or The Moor's Revenge
Musik von Henry Purcell

In englischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 5' (eine Pause)

Produktion der Opéra de Rouen Haute-Normandie

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 9. Mai 2017
(rezensierte Aufführung: 14.05.2017)

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Unglückliche Liebe am (im) Meer

Von Thomas Molke / Fotos von © Lorraine Wauters - Opéra de Wallonie

Während sich im ausgehenden 17. Jahrhundert die Barockoper in Italien und Frankreich bereits als feste Größe im kulturellen Leben etabliert hatte, steckte das Genre in England noch in den Kinderschuhen und brachte mit John Blows Venus and Adonis und Henry Purcells Dido and Aeneas zwei Werke hervor, von denen vor allem letzteres nicht zuletzt durch das berühmte Lamento der Dido am Ende des dritten Aktes, "When I am laid in earth", große Berühmtheit erlangt hat. Wann genau Purcells einzige Oper entstand, lässt sich nicht genau rekonstruieren. Die erste belegte Aufführung fand 1689 in Josias Priest's Boarding School for Young Gentlewomen in Chelsea statt, aber es ist unwahrscheinlich, dass Purcell das Werk für diesen Anlass komponiert hat. Die aufwändige musikalische Gestaltung lässt vermuten, dass das Stück als Divertissement für König Karl II. gedacht war, der nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil wie sein Cousin Ludwig XIV. die Künste zur Verewigung seiner Macht und persönlichen Unterhalten förderte. Lange Zeit hat man auch geglaubt, dass Purcell die Oper im Herbst 1689 dem neuen König William III. gewidmet habe, doch das hält man heutzutage für unwahrscheinlich, da es sicherlich nicht angemessen wäre, die Krönung mit einer Geschichte über einen Prinzen zu feiern, der seine Geliebte verlässt und damit in den Selbstmord treibt.

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Belinda (Katherine Crompton, rechts) und die zweite Dame (Jenny Daviet, links) merken, dass die Königin Dido (Roberta Invernizzi, Mitte) leidet.

Der Stoff geht auf die antike Mythologie über den Trojaner Aeneas zurück, der auf seiner Irrfahrt nach Italien zunächst in Karthago bei Königin Dido landet und durch seine Liebe zu ihr für eine Weile seine eigentliche Bestimmung, in Italien eine neue Heimat zu suchen, vergisst, bevor er von den Göttern in Gestalt des Götterboten Merkur ermahnt wird, Dido wieder zu verlassen. Als er dem göttlichen Befehl Folge leistet, verflucht Dido den Geliebten und schwört ewigen Hass zwischen Rom und Karthago. Anders als bei Vergil wird in der Oper nun eine Zauberin eingeführt, die auf Didos Liebesglück eifersüchtig ist und deshalb die Königin vernichten will. Merkur ist ein verwandelter Geist, der von der Zauberin zu Aeneas geschickt wird, um ihm zu befehlen, Dido zu verlassen. Zwar beschließt Aeneas wie bei Vergil, der göttlichen Weisung Folge zu leisten, ändert aber angesichts der leidenden Dido seine Meinung. Nun ist es die Königin, die ihn regelrecht zur Abreise zwingt. Nachdem Aeneas Dido verlassen hat, bricht Dido in ihrem großartigen Lamento "When I am laid in earth" zusammen und nimmt Abschied vom Leben, ohne den Geliebten wie bei Vergil zu verfluchen.

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Moment des Glücks: Dido (Roberto Invernizzi) und Aeneas (Benoît Arnould) auf der Jagd (rechts und links: die beiden Tänzerinnen Sayaka Kasuya und Sarasa Matsumoto)

Anders als die bekannte Vertonung von Hector Berlioz ist Purcells Fassung mit einer knappen Stunde Spielzeit relativ kurz, so dass es auf den ersten Blick verwundert, wie die in Liège gezeigte Produktion der Opéra de Rouen Haute-Normandie auf gut zwei Stunden Spielzeit inklusive Pause kommt. Das liegt jedoch daran, dass der eigentlichen Oper noch die Suite Abdelazer or The Moor's Revenge vorangestellt wird, die mit der Geschichte um Dido und Aeneas zwar überhaupt nichts zu tun hat, aber ebenfalls von Purcell komponiert wurde. Es handelt sich dabei um eine Ouvertüre und Zwischenspiele zu dem gleichnamigen Theaterstück der englischen Schriftstellerin Aphra Behn. Die in zehn Sätze gegliederte Suite, von der der zweite Satz, das Rondo, bekannt klingt, da Benjamin Britten es als Hauptthema für seine Variationenreihe im Stück The Young Person's Guide to the Orchestra verwendet, ist zwar nett anzuhören und wird vom Ensemble Les Agrémens, das sich auf Barockmusik spezialisiert hat, unter der Leitung von Guy Van Waas eindringlich und differenziert interpretiert, bleibt jedoch völlig isoliert vom eigentlichen Stück stehen, und es drängt sich die Frage auf, wieso diese Suite der Vorstellung vorangestellt wird.

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Die Zauberin (Carlo Allemano, Mitte) will mit den beiden Hexen (links: Caroline Meng, rechts: Benedetta Mazzucato) Dido vernichten.

Doch über den fragwürdigen Beginn der Vorstellung sieht man schnell hinweg, wenn man in die märchenhafte Inszenierung von Cécile Roussat und Julien Lubek eintaucht, die beide auch noch für das Bühnenbild, die Kostüme und die Choreographie der Tanz- und Akrobatikeinlagen verantwortlich zeichnen. Das Königreich Karthago befindet sich bei ihnen auf zwei hochragenden Felsen, die von wehenden Tüchern als Meer umspült werden. Hier gibt die Königin dem Werben des trojanischen Prinzen nach und begibt sich mit ihm in einer pittoresken Muschel auf eine Jagd über das Meer, bei der Aeneas ein riesiges Meerungeheuer erlegt. Die Zauberin erscheint als Kraken auf einem Stein und stachelt die anderen Meeresbewohner an, der Liebe zwischen Dido und Aeneas ein Ende zu bereiten. Zwei Hexen schweben an Seilen aus dem Schnürboden wie Wassernixen über die Bühne. Später tauchen sie dann in dem von Tüchern dargestellten Wasser auf. Die weich fließende Beleuchtung von Marc Gingold versetzt den Zuschauer in eine Meeres- oder Unterwasserwelt und lässt einzelne Figuren in der Dunkelheit regelrecht abtauchen. Bevölkert wird dieser maritime Ort auch noch von zwei Tänzerinnen und mehreren Akrobaten, die mit gewagten Sprüngen oder Kunststücken an einem Ring oder Seil in schwindelerregender Höhe begeistern. Zwar stören die lauten Sprunggeräusche bisweilen Purcells Musik, aber auch darüber lässt sich hinwegsehen.

Einen szenischen und musikalischen Höhepunkt stellt Didos berühmtes Lamento im dritten Akt dar. Roberta Invernizzi findet in dieser Szene mit warmem Sopran zu einer Innigkeit, die unter die Haut geht und zu Tränen rührt. Von ihrem Kleid wird dabei ein riesiges Tuch gelöst, das bald die ganze Bühne einnimmt und den Eindruck erweckt, sie stehe im Wasser. Nach ihren letzten Tönen taucht sie dann durch dieses Tuch ab und verschwindet in den ewigen Fluten des Meeres. Das Publikum lässt seiner Begeisterung in gewaltigem Jubel freien Lauf. Benoît Arnould stattet die Partie des Aeneas mit kräftigem Bariton aus und gibt mit Invernizzi stimmlich und darstellerisch ein ideales Paar ab, dem leider kein glückliches Ende beschieden ist. Katherine Crompton hat als Didos Vertraute Belinda in den Höhen leichte Probleme, überzeugt jedoch durch eine warme Mittellage. Carlo Allemano gefällt als Zauberin mit exaltiertem Spiel und hellem Tenor. Caroline Meng und Benedetta Mazzucato harmonieren als erste und zweite Hexe mit frischem Sopran und Mezzosopran. Der von Thibaut Lenaerts einstudierte Chœur de Chambre de Namur begleitet die Vorstellung aus dem Orchestergraben und punktet ebenfalls durch harmonischen Klang. So gibt es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten. Auch das Regie-Team kommt bei dieser Derniere auf die Bühne, da es obendrein an diesem Nachmittag noch mit einem Preis für die beste Opernproduktion der letzten Spielzeit, Die Zauberflöte in Liège, ausgezeichnet wird.

FAZIT

Cécile Roussat und Julien Lubek gelingt eine bewegende Umsetzung von Purcells kurzer Oper. Auf die Suite am Anfang hätte aus dramaturgischen Gründen jedoch verzichtet werden können.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Guy Van Waas

Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und
Choreographie
Cécile Roussat
Julien Lubek

Licht
Marc Gingold

Chorleitung
Thibaut Lenaerts

 

Chœr de Chambre de Namur

Ensemble Les Agrémens


Solisten

Dido, Königin von Karthago
Roberta Invernizzi

Aeneas, Trojanischer Prinz
Benoît Arnould

Belinda, Didos Vertraute
Katherine Crompton

Sorceress / Sailor
Carlo Allemano

Second woman
Jenny Daviet

First witch
Caroline Meng

Second witch
Benedetta Mazzucato

Spirit
Kamil Ben Hsain Lachiri

Tänzerinnen
Sayaka Kasuya
Sarasa Matsumoto

Akrobaten
Edwin Condette
Tarzana Foures
Mélanie Malet
Adèle Alaguette
Antoine Helou
Ahmed Said

Double Spirit
Rudy Goddin

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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