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Irgendwie faustischVon Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire
Eigentlich sollte Das Lied der Frauen vom Fluss bereits vor ein paar Jahren, nämlich 2012, in Köln erklingen, und das auf einem Schiff (was den Titel irgendwie plausibel gemacht hätte). Der Wasserstand des Rheines, noch mehr der Kassenstand der Kölner Oper verhinderten aber lange die Uraufführung, die dann 2015 am inzwischen koproduzierenden Theater Luzern stattfand, und jetzt kann man das Stück endlich am Rhein bewundern - wenn auch einen Steinwurf vom Fluss entfernt am festen Ufer im Obergeschoss des Staatenhauses. Grundsätzlich ist die Messehalle aus den 1920er-Jahren auch keine schlechte Lösung für ein Theater, das die Distanz zum Publikum aufheben will, nur ist das Staatenhaus bereits allzu lange die wenig geliebte Ausweichspielstätte der Kölner Oper während der Sanierung des Stammhauses, da fehlt der Reiz des Außergewöhnlichen, der doch ein Moment der Überraschung ausmachen sollte. Fausta (Adriana Bastidas Gaboa) dirigiert das Maschinentheater
Ursprünglich also sollte die Naumon, das Schiff des katalanischen Künstlerkollektivs La Fura dels Baus, Spielstätte sein, ein ausgedienter Eisbrecher. Die lag im Jahr 2000 in Duisburg vor Anker, und von ihr ging ein Spektakel mit Feuerwerk, Akrobatik und losen Beziehungen zu Wagners Rheingold aus. In diesem Rahmen soll die Idee zum Lied der Frauen am Fluss entstanden sein: Eine Folge berühmter Opernarien im Umfeld des Cabarets, sozusagen von der Hochkultur ins Volksnahe gewandelt. Nun sind La Fura dels Baus und Carlus Padrissa inzwischen längst Teil der Opernhochkultur geworden, haben in Valencia den Ring des Nibelungen inszeniert, in Köln Sonntag aus Licht, Parsifal und Benvenuto Cellini (Bernd Alois Zimmermanns Soldaten sollen in der kommenden Spielzeit folgen). Die Ästhetik der Künstler ist, nicht ohne Erschöpfungseffekte, in Köln bekannt. Trotzdem hat es natürlich Charme, ein Stück gemäß den Wünschen und Möglichkeiten der Truppe zu entwickeln. Singendes Krakenwesen im Aquarium: Claudia Rohrbach
Howard Arman, bis 2016 Chefdirigent in Luzern, inzwischen Chordirektor beim Bayerischen Rundfunk und auch musikalischer Leiter dieser Aufführung, hat die Musik geschrieben - unter Einbeziehung von Opernszenen von Purcell, Monteverdi, Vivaldi, Händel, Offenbach, Saint-Saens und Dvorak, die er mehr oder weniger stark verfremdet. Teile der Instrumentalbegleitung sind zehn Sound Machines, von Bühnenbildner Roland Olbeter konstruierten elektronischen Instrumenten, abgetreten, was für durchaus reizvolle synthetische Klänge sorgt. Auch wenn Armans eigens komponierte Passagen ein paar interessante Wendungen aufweisen, bleiben sie unvermeidlich der Füllstoff zwischen den wunschkonzertartig aufgereihten Arien, aber das ist gar nicht so falsch, schließlich will das Stück ja keine neue Oper sein, sondern die alte Oper neu interpretieren. Mit den Maßstäben des normalen Opernbetriebs lässt sich diese Produktion ohnehin nicht messen. ... und dann singen sie zu zweit im Wasser: Adriana Bastidas Gamboa und Claudia Rohrbach
Zwischen zwei langgezogenen Zuschauertribünen für insgesamt 200 Besucher findet das multimediale, nebel- und technikgesättigte Spektakel statt, das man von La Fura dels Baus erwarten durfte. Die Sänger hängen an Seilen oder den Auslegern eines wippenartigen Gefährts oder schwimmen in wassergefüllten Plexiglasbecken; die Fantasiekostüme erinnern mitunter an die Spermien aus Woody Allens Was sie schon immer über Sex wissen wollten; es riecht nach ätherischen Substanzen, und für den Geschmackssinn gibt es ab und zu etwas zum Probieren (bis zum Platz des Rezensenten gelangt das nicht). Inhaltlich gibt der Faust-Mythos den Rahmen; der lebensmüde Gelehrte verwandelt sich in eine junge Frau, sucht nach dem "Gottesteilchen" (wobei die Videosequenzen die Welt der Teilchenbeschleuniger heraufbeschwören) und nach der Schönheit und endet mit den berühmten Goethe-Versen Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis in der Vertonung von Franz Liszt. Letztendlich ergeben diese Inhalte aber nicht mehr als eine lose Assoziationskette, zumal das Libretto von Marc Roisich in der deutschen Übersetzung (Volker Gleb) in seinem bemühten Ernst sich oft hart an der Grenze zum Lächerlichen bewegt. Suche nach dem Urknall? Fausta (Adriana Bastidas Gamboa)
Adriana Bastidas Gamboa schlägt sich als Faust oder besser Fausta tapfer, singt die Musik von Arman intensiv, überzeugt als Saint-Saens' Dalila ("Mon coeur s'ouvre à ta voix", mit Jeongki Cho als strahlendem Tenor, und dass Didos tieftrauriges "When I am laid in earth" (Henry Purcell) nicht die nötige lyrische Entrücktheit besitzt, dann liegt das womöglich daran, dass die Sängerin derweil, an zwei Seilen in waagrechter Haltung aufgehängt, mit einer öligen Flüssigkeit übergossen wird. Maria Kublashvili singt, notfalls auch kopfunter hängend, bestechend souveräne Koloraturen unter anderem aus Händels Semele ("Endless pleasure") und der Arie der Puppe Olympia aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen, und Claudia Rohrbach präsentiert mit schönem Sopran Rusalkas "Lied an den Mond". Sehr gut gelingen die Duette und Ensembles, solistisch sind Tenor Martin Koch und Bariton Matthias Hoffmann wenig gefragt. Das Gürzenich-Orchester in kleiner Besetzung bewältigt den permanenten Stilwechsel exzellent. Und in der Summe aller Elemente? Kitsch und Pathos sind nie weit, aber wenn man sich auf diese diskursfreie Ästhetik zwischen Maschinen-Theater und naiver Science-Fiction-Story einlässt, gibt es immer wieder eindrucksvolle Momente, in denen die Musik eine ganz eigene Wirkung entfaltet. Anders als in "normalen" Operninszenierungen wird Carlus Padrissa hier durch keine Handlung, die mit der Bühnenshow kollidiert, ausgebremst und kann sich ganz seinen Ideen hingeben, oft mit faszinierendem Effekt. Auf der anderen Seite ist es eben doch ein großes, merkwürdig bebildertes Wunschkonzert.
Das Lied der Frauen vom Fluss ist eine mit knapp 90 Minuten überschaubar dimensionierte Show mit ganz neuer und populärer alter Opernmusik in einer Gestalt , wie man sie von Carlus Padrissa und La Fura dels Baus hinlänglich kennt - und daher ist diese Form von Theaterästhetik nicht so überraschend, wie sie wohl sein möchte. Als Abwechslung vom konventionellen Opernbetrieb ist das für einen Abend nicht uninteressant, mehr dann aber auch nicht. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Sound Machines
Kostüme
Licht
Video
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Fausta
Sopran 1
Sopran 2
Tenor 1
Tenor 2
Bassbriton
Sprecher
Tänzer
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