Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Groovin' Bodies

Ballett von Ralf Rossa
Musik von Ivo Nitschke


Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Halle (Raumbühne) am 7. Oktober 2016


Opernhaus Halle

Einschlagende Körperwelten

Von Joachim Lange / Fotos: © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Anna Kolata und Falk Wenzel

„Der Weltraum - unendliche Weiten“ so begannen einst die Fern-Abenteuer auf der Mattscheibe. „Die Raumbühne - unendliche Möglichkeiten“ so könnte man beim Neustart-Abenteuer in der Oper Halle kalauern. Der Einbau der Raumbühne HETEROTOPIA von Sebastian Hannak jedenfalls, mit dem der neue Hallenser Opernintendant Florian Lutz als Regisseur für den Hingucker beim Landgang seines Fliegenden Holländers sorgte, funktioniert. Auch da, wo sich die Mitstreiter vom Schauspiel mit Elfriede Jelineks Wut in der Inszenierung von Henriette Hörnigk und jetzt das Ballett Rossa mit Groovin' Bodies vom Elan des neuen Intendanten anstecken lassen und den vorübergehenden Bruch im Raumkontinuum als Chance begreifen.


Vergrößerung Die Musiker: Ralf Schneider (links) und Ivo Nitschke (Foto: Falk Wenzel)

Man muss früh kommen, damit man den Platz kriegt, den man will. Wenn man dann doch wieder „nur“ - wie beim Holländer - auf der Hinterbühne auf den Bänken vor dem Dreigeschosser landet, dann hat das nicht nur etwas Anheimelndes: Die Vorzüge der Nähe und damit des unmittelbaren Energiestroms von der Spielfläche auf einen selbst haben diesmal keinen akustischen Preis. Die funktioniert nämlich exzellent. Was die beiden Schlagzeuger der Staatskapelle Ivo Nitschke und Ralf Schneider mit ihren zwei Percussion-Inseln im XXL-Format (mit Schlagwerk, Pauken, Vibraphon und etlichen neckischen Erweiterungskleinigkeiten) liefern, füllt den Raum wie maßgeschneidert aus. Für die Rossa-Truppe wird das zum puren Treibstoff: Zur Bewegung, die eskaliert und wieder abbricht, Formationen bildet und Chaos schafft, das in eine neue Ordnung findet, einfriert, das hektisch urbane Leben abbildet, daraus in die Natur flieht und überhaupt der Fantasie Tür und Tor für die eigenen kleinen Geschichten im Kopf öffnet.

Wenn sich hier das Leben mit seiner Leidenschaft zwischen Liebe und Zorn also in einem musikalischen Aggregatzustand aufgelöst haben, der dann wieder in die Körper der Tänzer fährt und eben diese Groovin' Bodies daraus macht, dann ist Ralf Rossa in seinem Element, dann ist er richtig gut! So wie diesmal, wo eben nicht bis an die Grenzen des Genres nacherzählt, sondern kreativ nachempfunden wird. Da springt der Funke über und die eigenen Geschichten werden hervorgelockt.

Vergrößerung

Ensemble (Foto: Anna Kolata)

Im Dunkeln kommen die Tänzer über den Rang in die Raumbühne, schweben ein wie Glühwürmchen in eine Sommernacht, durchstreifen die drei Stockwerke des Hauses, bevölkern die Piazza in der Mitte der ringsum verteilten Zuschauer. Dort marschieren sie durcheinander durch. Faszinieren die, die so nah dran sitzen, dass sie den Atem hören und den Schweiss tropfen sehen, mit der Konzentration und Spannung der Körper. Und die, die den Fernblick von oben haben, mit den Bewegungsmustern, denen sie folgen. Manchmal sind die Frauen auf einem Nenner und die Männer auf einem anderen. Manchmal gibt es die Bewegung aufeinander zu oder voneinander weg. Dann wieder haut es alle um und sie liegen am Boden wie Fische auf dem Trockenen. Einige Ensemble-Szenen erinnern an die Zeitrafferaufnahmen von üppigen Blüten. Oder sie imaginieren einen ganz frühen Morgen, oder das Flirren der Luft zum Zirpen von Zickaden.


Vergrößerung Michal Sedlácek, Yuliya Gerbyna (Foto: Anna Kolata)

Natürlich wird hier vor allem Rhythmus zur Kraftentfaltung der Körper, das pointiert Minimalistische mit seinem Crescendo wird zur Exkursion der Tänzer an ihre Grenzen. Aber es gibt auch den Sound zum Spiel mit dem klassischen Bewegungsrepertoire, mit Hebefiguren oder atemberaubenden Sprüngen und Pirouetten, die wie Schmuckstücke über den ganzen Abend verteilt sind. Ausstattung braucht es da kaum. Einmal bringen sie Stühle mit, die Damen werfen sich in Positur, die Herren balzen. Im Handumdrehen wird aus der Reise nach Jerusalem eine in den Alltag der allgegenwärtigen Konkurrenz. Wenn danach ein Stuhl übrig bleibt und man noch überlegt, ob sie den eventuell vergessen haben, gibt es einen Lichtspot darauf. Ivo Nitschke setzt sich mit einer Rahmentrommel und geht dann nacheinander einen Dialog mit Martin Viella Medina, Thiago Fayad und Dalier Burchanow ein. Das fasziniert schon deshalb, weil man rätseln kann, wer da wem folgt. Ob hier der Klang zur Bewegung oder die Bewegung zum Klang wird. Analyse, Methode und Virtuosität der Interpreten verbunden mit szenischem Witz. Das muss man erstmal hinkriegen.

Vergrößerung

Ensemble (Foto: Anna Kolata)

Sie kriegen es hin! Alles. Die kleinen assoziativen Miniszene und den großen Bogen. Die Soli und Ensembles. Am Ende gab es stehende Ovationen von den Zuschauern, die wohl noch nie so dicht dran waren, wie diesmal. Schade nur, dass die aufgedrehte Lautstärke bei der Premierenfeier verhinderte, dass man sich die Geschichten, die man an diesem Abend erlebt hat, auch erzählen konnte.


FAZIT

Mit Groovin’ Bodies landet Ralf Rossas Ballett zu dem von Ivo Nitschke und Ralf Schneider entfesselten Rhythmus einen Volltreffer.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Komposition
Ivo Nitschke

Inszenierung und Choreographie
Ralf Rossa

Bühne
Sebastian Hannak

Kostüme
Mechthild Feuerstein



Percussion:
Ivo Nitschke und Ralf Schneider


Solisten

Rahmentrommel
Marti Viella Medina
Thiago Fayad
Dalier Burchanow

Nocturne
Yulyia Gerbyna
Michal Sedlacek
Anastasia Melero
Enno Kleinehanding

Atmosphäre
Emma Louise Harrington
Ayana Kamemoto

Ensemble
Denise Dumröse
Laura Busquets Garro
Yuliya Gerbyna
Emma Louise Harrington
Ayana Kamemoto
Anastasia Melero Marchal
Margherita Sabbadini
Olga Shalaevskaya
Janina Strejcek
Naomi Uji
Dalier Burchanow
Pietro Chiappara
Thiago Fayad
Enno Kleinehanding
Marti Viella Medina
Yannick Neuffer
Johan Plaitano
Michal Sedlacek
Martin Zanotti


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Halle
(Homepage)






Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2016 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -