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Lucia di Lammermoor

Oper in drei Akten
Libretto von Salvatore Cammarano nach dem Roman The Bride of Lammermoor von Sir Walter Scott
Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 21. Januar 2017
(rezensierte Aufführung: 27.01.2017)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Belcanto in Hagen

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

"Wir machen Theater. Gestern, heute... und morgen auch." postuliert das Theater Hagen mit Portrait-Fotos der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf seiner Theaterzeitung im Januar 2017 und trotzt damit der Ungewissheit, der das ab der nächsten Spielzeit immer noch intendantenlose Haus entgegensteuert. Immerhin hat man schon einmal mit Alfonso Palencia einen neuen Ballettdirektor gefunden, der als ehemaliger Trainings- und Probenleiter sowie Choreograph am Hagener Theater durchaus in der Lage sein dürfte, in Ricardo Fernandos Fußstapfen zu treten und dem Haus und dem Ensemble aufgrund seiner Erfahrungen eine gewisse Kontinuität zu geben. Was die Intendantensuche betrifft, weiß man allerdings immer noch nicht, wohin der Weg des Hauses gehen wird. Nun arbeitet erst einmal ein Interims-Team an der Planung der kommenden Spielzeit, und auch das aktuelle Programm unterstreicht in seinem breiten Spektrum, dass der Spruch auf der Theaterzeitung ernst gemeint ist. So steht mit Donizettis Lucia di Lammermoor nicht nur große Oper, sondern auch ein Höhepunkt des Belcanto auf dem Spielplan. Schade ist nur, dass bereits bei der zweiten Aufführung an einem Freitag zahlreiche Plätze im Zuschauerraum frei bleiben, wofür es keine nachvollziehbare Erklärung gibt. Nicht einmal der Winter zeigt sich nämlich an diesem Wochenende so streng, dass er viele Zuschauer von einem Besuch abgehalten haben dürfte.

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Lucia (Cristina Piccardi) liebt Edgardo (Kejia Xiong), den Erzfeind ihrer Familie.

Auch die Inszenierung von Thomas Weber-Schallauer, der in Hagen als Regisseur kein Unbekannter ist, hat nichts Provokantes, was auf das Hagener Publikum abschreckend wirken dürfte. Den Grundkonflikt der Geschichte, der kurz nach der Glorious Revolution von 1688/1689 in Schottland spielt, präsentiert Weber-Schallauer in modernen Kostümen von Christiane Luz relativ zeitneutral. Das Bühnenbild von Jan Bammes deutet im Hintergrund mit zerklüfteten Felsen die Ruine des ehemaligen Sitzes der Familie Ravenswood an, die nach der Absetzung des schottischen Königs ihren Besitz an die Ashtons verloren hat. Hierhin kehrt Edgardo di Ravenswood zurück und verliebt sich in Lucia, die Tochter der Ashtons. Das Anwesen der Ashtons wird mit hohen quaderförmigen Elementen auf der rechten und linken Seite relativ abstrakt gezeichnet und zeigt mit der leicht nach innen geneigten Stellung, dass auch die Ashtons um ihre Existenz fürchten müssen. Deswegen sieht Enrico, der seit dem Tod der Mutter das Oberhaupt der Familie ist, die einzige Rettung darin, seine Schwester Lucia mit dem einflussreichen Arturo Bucklaw zu verheiraten. Die aus mehreren Platten bestehende Decke kann aus dem Schnürboden herabgelassen werden und erzeugt dabei eine nahezu klaustrophobische Atmosphäre, die zeigt, dass Lucia jegliche Entscheidungsfreiheit genommen wird. Ob ihr Erzieher Raimondo deshalb allerdings ein Kreuz unter den Rock schieben muss, nachdem man sie an einen Stuhl gefesselt hat, ist fraglich.

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Lucias (Cristina Piccardi, vorne) Bruder Enrico (Andrew Finden, 2. von links) zwingt seine Schwester zur Hochzeit mit Arturo (Peter Aisher, links) (rechts: Raimondo (Rainer Zaun) und Alisa (Kristine Larissa Funkhauser)).

Nach den Produktionen in Liège und Köln in der letzten Spielzeit wird auch in Hagen in Lucias großer Wahnsinnsarie im dritten Akt eine Glasharmonika zur Begleitung eingesetzt. Dieses Instrument hatte Donizetti eigentlich schon für die Uraufführung in Neapel vorgesehen. Aus Kostengründen musste damals aber darauf verzichtet und eine Flöte als Begleitung gewählt werden, die sich dann auch im Repertoire etablierte. Erst als 1979 der ursprüngliche Notentext durch Jesús López Cobos herausgegeben wurde, konnte die von Donizetti geplante Fassung mit Glasharmonika rekonstruiert werden. 1991 war sie unter Michel Plasson in München erstmals zu erleben. Durch die besondere Vibration des Glases wird dabei ein Klang erzeugt, der seltsam hohl klingt und damit den Gemütszustand Lucias zu diesem Zeitpunkt eindrucksvoller beschreibt, als das ein Blasinstrument vermag. So erlebt man Lucias große Arie "Il dolce suono", in der sie von einer Hochzeit mit Edgardo träumt, seltsam entrückt. Cristina Piccardi begeistert in dieser Szene durch eine großartige Stimmführung mit sauber angesetzten Spitzentönen und tritt mit der Glasharmonika dabei in einen betörenden Dialog, der deutlich macht, dass sich Lucia nach dem Mord an Arturo am Übergang zu einer anderen Welt befindet. Dabei geht auch Piccardis Spiel in einem weißen Kleid mit großem roten Blutfleck im Schoß unter die Haut. Auch die große Arie im ersten Akt, "Regnava il silenzio", in der sie ihrer Dienerin Alisa (Kristine Larissa Funkhauser) die Geschichte von der an der Quelle erstochenen Frau erzählt, die ihr immer wieder als Geist erscheint, wird von Piccardi eindrucksvoll mit leuchtenden Koloraturen umgesetzt. Auf jeglichen Naturalismus wird in dieser und anderen Szenen in Bammes' Bühnenbild jedoch verzichtet.

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Lucia (Cristina Piccardi) verfällt dem Wahnsinn.

Leider kann Kejia Xiong als Lucias Geliebter Edgardo stimmlich nicht ganz mithalten. Zwar verfügt er in der Mittellage über einen angenehm weichen Tenor. In den Spitzentönen hat er allerdings enorme Probleme und muss stark forcieren. So fehlt ihm in der Schlussarie "Tu che a Dio spiegasti l' ali", in der er beschließt, der Geliebten in den Tod zu folgen, der Glanz, und das tragische Ende der Oper verflacht etwas im Gegensatz zu Piccardis Abgang, den sie in vorhergehenden Szene präsentiert. Anders als im Libretto ersticht sich Edgardo in Weber-Schallauers Inszenierung nicht, sondern wird von Lucias Erzieher niedergestreckt, der ihm zuvor noch den Schleier Lucias überreicht, hinter dem er das Messer verbirgt. Auch im großen Duett im ersten Akt, in der Lucia und Enrico voneinander Abschied nehmen, bleibt Xiong stimmlich hinter Piccardi zurück. Tenoral glänzen kann hingegen Peter Aisher als ungeliebter Bräutigam Arturo Bucklaw. In seinem relativ kurzen Auftritt punktet er mit sauberen Spitzentönen. Auch die Partie des Enrico ist mit Andrew Finden hochkarätig besetzt. Finden begeistert besonders im Racheschwur im ersten Akt mit kräftigem Bariton und überzeugt auch im Duett mit Xiong, wenn Enrico und Edgardo ein Duell für den nächsten Morgen vereinbaren, mit profunder Tiefe. Rainer Zaun stattet Lucias Erzieher Raimondo mit markantem Bass aus und gefällt vor allem in der schaurigen Schilderung des Mordes in der Hochzeitsnacht. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist das große Sextett am Ende des zweiten Aktes, "Chi mi frena in tal momento", wenn Edgardo in Lucias Hochzeit mit Arturo platzt und sie der Untreue beschuldigt.

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Edgardo (Kejia Xiong, vorne links) sieht nach Lucias Tod in seinem Leben keinen Sinn mehr (rechts: Raimondo (Rainer Zaun) mit den Herren des Opernchors).

Abstriche sind leider beim Philharmonischen Orchester Hagen unter der Leitung von Mihhail Gerts zu machen. Gerts gelingt es nicht, die Feinheiten der Partitur differenziert herauszuarbeiten, und so klingt gerade zu Beginn des Abends einiges recht grob und unkoordiniert. Gerade am Anfang gibt es auch große Abstimmungsprobleme in den Tempi mit dem Herrenchor. Da ist nicht alles auf den Punkt. Im weiteren Verlauf des Abends finden der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Opern- und Extrachor des Theaters Hagen mit dem Philharmonischen Orchester dann etwas besser zueinander. Das von Sascha Reckert gespielte Glasharmonika-Solo klingt voluminöser, als man es in Liège und Köln in der letzten Spielzeit erlebt hat, arbeitet aber auch in dieser Interpretation Lucias Verwirrung eindrucksvoll heraus. So gibt es am Ende, insgesamt betrachtet, verdienten Applaus. Da es sich um die zweite Aufführung handelt, verzichten nicht nur Peter Aisher als Arturo und Kristine Larissa Funkhauser als Lucias Vertraute Alisa auf den ihnen zustehenden Beifall, sondern auch das Regie-Team stellt sich nicht erneut dem Publikum. Es wäre sicherlich nicht für diese Inszenierung abgestraft worden.

FAZIT

Das Theater Hagen präsentiert eine insgesamt solide Produktion, die zwar vielleicht nicht das Zeug hat, überregional für Interesse zu sorgen, aber für die Region durchaus sehenswert ist. Also bitte hingehen. Ein gut besuchtes Theater ist wichtig für den Erhalt des kulturellen Angebots in Hagen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihhail Gerts

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Bühne
Jan Bammes

Kostüme
Christiane Luz

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Corinna Jarosch

 

Philharmonisches Orchester
Hagen

Glasharmonika Solo
Philipp Marguerre /
*Sascha Reckert

Chor und Extrachor
 des Theater Hagen

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Enrico Ashton
*Andrew Finden /
Kenneth Mattice

Lucia, seine Schwester
Cristina Piccardi

Edgardo di Ravenswood
Kejia Xiong

Arturo Bucklaw
Peter Aisher

Raimondo Bidebent, Erzieher Lucias
Rainer Zaun

Alisa, Lucias Vertraute
Kristine Larissa Funkhauser

Normanno, Hauptmann der Truppen
Matthew Overmeyer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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