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Die Csárdásfürstin

Operette in drei Akten
Libretto von Leo Stein und Béla Jenbach
Musik von Emmerich Kálmán

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 12. November 2016
(rezensierte Aufführung: 18.11.2016)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Schlag die Sorgen tot

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Als Emmerich Kálmáns Die Csárdásfürstin am 17. November 1915 in Wien uraufgeführt wurde, tobte bereits seit einem Jahr der Erste Weltkrieg. Dass das Werk auch in dieser schwierigen Zeit ein absoluter Welterfolg wurde, dürfte vor allem auf die Melodien zurückzuführen sein, die bei aller Operettenseligkeit wie ein Versuch erscheinen, den Schützengräben eine Scheinrealität entgegenzustellen und damit in solch hoffnungslosen Zeiten trotzdem noch einen Sinn im Leben erkennen zu lassen. Am deutlichsten wird dies in dem berühmten Lied "Jai Mamám, Bruderherz, ich kauf' mir die Welt!", im dritten Akt, wenn Feri Bácsi den Geiger auffordert, eine Melodie zu spielen, die "die Sorgen totschlägt", und Sylva überredet, wieder den Weg zurück auf die Bühne zu suchen.

Kaum ein anderes Stück dürfte im Moment passender für die Verhältnisse am Theater Hagen sein, über dem seit ein paar Wochen wieder ziemlich düstere Wolken hängen. Nachdem man nach zahlreichen erfolglosen Versuchen endlich mit Dominique Caron eine mögliche Nachfolgerin des zum Ende der Spielzeit scheidenden Intendanten Norbert Hilchenbach gefunden hatte, die bereit war, es mit den massiven finanziellen Einschnitten, die dem Theater Hagen bevorstehen, und mit dem daraus resultierenden Kampf um die Beibehaltung des bisherigen Niveaus aufzunehmen, kam zunächst die Hiobsbotschaft, dass Werner Hahn, Urgestein des Ensembles, der der Stadt Hagen mit dem Jugendtheater Lutz überregionale Anerkennung beschert hat, zum Ende der Spielzeit das Theater verlassen werde. Kurz darauf reichte Ballettdirektor Ricardo Fernando, der hauptverantwortlich dafür sein dürfte, dass Hagen überhaupt noch eine Tanzsparte hat, seine Kündigung ein, so dass Carons Anfang zur neuen Spielzeit unter einem noch schlechteren Stern stand. Und nun erklärte Caron, kurz nachdem sie nur mit einer knappen Mehrheit von acht zu sieben Stimmen vom Aufsichtsrat gewählt worden war, dass sie das Amt nicht antreten werde. Das Theater steht jetzt also vor einem noch größeren Scherbenhaufen und muss mit den Zukunftsplanungen wieder von vorne anfangen, während die Zeit unbarmherzig davonläuft.

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Sylva Varescu (Veronika Haller, in der Mitte mit dem Ballett Hagen) im Varieté in Ungarn (rechts und links: Chor)

Das Regie-Team um Holger Potocki hat zwar bis zur Premiere diese Entwicklung sicherlich nicht voraussehen können, setzt aber alles daran, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und entscheidet sich für einen sehr traditionellen Ansatz. Die Handlung spielt in der Vergangenheit kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und lässt nur in kleinen Andeutungen die Gegenwart durchschimmern. So ist es beim konservativen Fürsten Leopold Maria von und zu Lippert-Weylersheim eben die ungarische Chansonette, deren Gesangstalent man zwar bewundere, die man aber trotzdem nicht in seiner Nachbarschaft wohnen haben wolle, und nicht, wie bei einem heutigen konservativen Prominenten, ein Fußballer mit afrikanischen Wurzeln. Auch wenn Graf Boni seinem Freund Edwin Mut macht, zu Sylva trotz des Standesunterschiedes zu stehen und einen Blick in die nächsten 100 Jahre wagt, in denen man angeblich über solche Angelegenheiten lachen werde, lässt Potocki die Szene einfrieren und Volker Köster stellt in einer kurzen Video-Projektionen Zeitaufnahmen der folgenden Jahre zusammen, die Bonis Aussage durchaus in Frage stellen.

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Graf Boni (Richard van Gemert) und die "Mädis vom Chantant" (Ballett Hagen)

Das Bühnenbild und die Kostüme von Bernhard Niechotz kann man schon nahezu als opulent bezeichnen. Für den ersten Akt hat Niechotz eine schillernde Varieté-Welt entworfen, in der vier Tänzerinnen und vier Tänzer des Ballett Hagen in einer Choreographie von Alfonso Palencia die Sorgen des Alltags vergessen lassen. Veronika Haller begeistert im Rahmen der Tänzer nicht nur mit strahlendem Sopran, der leicht über das ein wenig laut auftrumpfende und damit ein einigen Stellen auch leider ein wenig scheppernde Philharmonische Orchester Hagen unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel hinwegkommt, sondern beweist auch in ihrer Auftrittsnummer "Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland" tänzerisches Talent. Richard van Gemert und Rainer Zaun stehen ihr diesbezüglich als Graf Boni und Feri Bácsi in nichts nach. Zaun setzt mit wunderbarem Akzent komische Akzente und glänzt mit kräftigem Bass. Van Gemert verfügt über einen leichten Spieltenor und ebenfalls großes komödiantisches Talent, was er besonders bei "Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht" zum Klingen bringt.

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Vertauschte Paare: links: Edwin (Kenneth Mattice) und Stasi (Maria Klier), rechts: Boni (Richard van Gemert) und Sylva (Veronika Haller)

Kenneth Mattice verfügt als Ewin Ronald über einen flexiblen Bariton, der ihn zwischen Lebemann im Kreis von Boni und Feri Bácsi einerseits  und leicht tragischem Liebhaber andererseits changieren lässt. Wenn er gemeinsam mit Haller im Duett im ersten Akt die große Liebe besingt, ist das zwar hart an der Kitschgrenze, aber man lässt sich gerne darauf ein. Maria Klier gestaltet die Komtesse Anastasia, genannt Stasi, mit sprühender Komik und großem Selbstbewusstsein. Wie Potocki in der Personenregie zwischen Boni und Stasi im zweiten Akt die Funken sprühen lässt, wird von Klier und van Gemert in bezauberndem Spiel umgesetzt. Der übermäßige Alkoholkonsum Stasis im zweiten Akt mag allerdings auch nicht unschuldig daran sein, dass sie auf gesellschaftliche Normen pfeift und sich Bonis Werben hingibt. Klier stattet die Partie mit mädchenhaftem Sopran aus, der im berühmten Duett mit Mattice, "Machen wir's den Schwalben nach", noch sehr lieblich und brav klingt, im anschließenden Duett mit van Gemert, "Das ist die Liebe" aber durchaus ihr freches Naturell unterstreicht.

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Edwin (Kenneth Mattice, Mitte) zwischen Sylva (Veronika Haller, links) und seinen Eltern Fürst Leopold Maria von und zu Lipperts-Weylersheim (Werner Hahn) und Fürstin Anhilte (Marilyn Bennett)

Auch Edwins Eltern sind mit Werner Hahn und Marilyn Bennett großartig besetzt. Hahn legt den konservativen Fürsten wunderbar steif an, während Bennett als Anhilte mit überbordender Bühnenpräsenz punktet. Natürlich kann sie ihren englischen Akzent in den Dialogen nicht ganz verbergen, so dass sie als Gag bisweilen ins Englische wechselt, um dann von Hahn in perfektem Wienerisch ermahnt zu werden, doch bitte Deutsch zu sprechen. Ob man in der Hotelhalle im dritten Akt die Flüchtlingen einbauen muss, die auf einem Berg von Koffern vom Portier einen Schlafplatz für die Nacht erhalten, ist fraglich. Hier scheint Potocki dann doch das Gefühl gehabt zu haben, er müsse dem Stück noch etwas mehr Aktualität verpassen. Auch das Happy End bleibt ein wenig düster. Die beiden glücklichen Paare entschweben und lassen einen einsamen Feri Bácsi zurück, der in eine ungewisse Zukunft blickt, wobei man unweigerlich wieder an das Theater Hagen denkt. Der Chor unter der Leitung von Wolfgang Müller-Salow präsentiert sich mit großer Spielfreude. Das Philharmonische Orchester Hagen unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel lässt das Publikum zwischen romantischem Walzerklang und feurigem Csárdás schwelgen, auch wenn, wie erwähnt, in der Lautstärke bisweilen kleine Abstriche zu machen sind. So gibt es für alle Beteiligten frenetischen Beifall am Ende des Abends, was beweist, dass traditionelle klassische Operette auch heute das Publikum noch begeistern kann, wenn man die Figuren ernst nimmt.   

FAZIT

Das Theater Hagen stellt wieder einmal unter Beweis, dass es traditionelle Operette ohne angesetzten Staub spielen kann. Es bleibt zu hoffen, dass dem Theater auch über diese Spielzeit hinaus diese Möglichkeit auf diesem Niveau gegeben wird.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Holger Potocki

Bühnenbild und Kostüme
Bernhard Niechotz

Licht
Ernst Schießl

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Choreographie
Alfonso Palencia

Video
Volker Köster

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Philharmonisches Orchester
Hagen

Chor des Theater Hagen

Ballett Hagen

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

*rezensierte Aufführung

Leopold Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim
Werner Hahn

Anhilte, seine Frau
Marilyn Bennett

Edwin Ronald, beider Sohn
Kenneth Mattice

Komtesse Anastasia, Nichte des Fürsten
Maria Klier

Graf Boni Káncsiánu
Richard van Gemert

Sylva Varescu
Veronika Haller

Feri von Kerekes, genannt Feri Bácsi
Rainer Zaun

Eugen von Rohnsdorff, Oberleutnant
Thomas Weber-Schallauer

Kiss, Notar
Wolfgang Niggel

Mac Grave, Botschafter
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Vier Chansonetten
Kisun Kim
Elizabeth Pilon
Eva Trummer
Diatra Zulaika

Rezeptionist
Dirk Achille

Bühnenmusiker
Violine
Werner Köhn /
*Yang Zhi

Kontrabass
Grzegorz Jandulski /
*Hubert Otten

Klavier
*Andrey Doynikov /
Andreas Vogelsberger


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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