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Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (keine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 6. Mai 2017

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Ausgeburten des kollektiven Unterbewusstseins

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre (© Theater Hagen)

Die Bühne steht knöcheltief unter Wasser. Mit hohen Stiefeln waten die Menschen schwerfällig hindurch. Auch schwimmen Wasserleichen darin, blonde Frauengestalten, die mitunter geisterhaft daraus wieder auferstehen. Natürlich verweist dieses Wasser auf das See- und Seemannsstück, das gerade gespielt wird (wobei der Antagonismus zwischen Wasser und Land, zwischen Seefahrern auf der einen, Spinnerinnen und dem Jäger Erik auf der anderen Seite, angesichts dieser uferlosen Wasserfläche verloren geht). Aber es ist vielmehr ein mythischer Raum, den Ausstatter Peer Palmowski für die Inszenierung der Schwestern Beverly und Rebecca Blankenship gebaut hat; Wasser als Urelement, das die Personen der Bodenhaftung und der Realität entzieht. Auch wenn die Geschichte im Wesentlichen stringent erzählt wird, bleibt vieles unbestimmt.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Menschen zwingen ihn Kraft ihrer Unterbewusstseins herbei: Der satanische Holländer

Es geht um den Mythos hinter der Geschichte, um dessen Triebfedern und Psychologie. Viele kluge Gedanken findet man im Programmheft (schon die Inhaltsangabe muss erklären, dass manche Auftritte "geboren aus dem Unterbewusstsein" sind), wobei dann doch so manches auf der Bühne nicht recht erkennbar wird. Die Choristen, ob nun Matrosen oder Spinnerinnen, haben schwer zu arbeiten, ziehen an übermächtigen Tauen oder drehen einen rätselhaften, von einem überdimensionalen Tau umschlungenen Säulenstumpf wie eine riesige Winde - "Zwangvolle Plage! Müh ohne Zweck!" wird Wagner einige Opern später den Mime solche Tätigkeiten beschreiben lassen. Das ist offenbar der Nährboden, auf dem solche Mythen wachsen. Senta ist, auf der einen Seite, der Prototyp der opferwilligen Frau, die dem Dämon verfällt, wobei der düstere Holländer und der brave Erik sich durchaus ähnlich sehen, vielleicht nur unterschiedliche Projektionen des Männlichen sind. Aber sie ist auch eine durchaus selbstbewusste Frau. Der reiche Holländer, die arbeitsunwillige, statt dessen lesende Senta - die werden, beide auf ihre Weise, zu Opfern dieser Arbeitergesellschaft. Zumindest in Gedanken - oder eben im Mythos.

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Unbestimmte Zweierbeziehung: Senta und Erik

Es gibt viele kluge Gedanken in dieser mehrdimensional gedachten Inszenierung - wobei keineswegs alles bühnentauglich, ja "theatralisch" ist, anderes in die Nähe des Kitsches gerät (etwa Geistererscheinungen der ertrunkenen Frauen, auch die archaische Opferschale mit dekorativ loderndem Feuer im dritten Aufzug ist grenzwertig), wieder anderes einfach recht plump geraten ist (so der Rahmen um die Bühne herum mit einer schier unendlichen Strichliste, die wohl für die bisher vom Holländer in den Tod getriebenen Frauen steht - auch Senta wird eine dieser Wasserleichen sein). Auf der anderen Seite bietet das Wasser, auch in Verbindung mit Bühnennebel, Gelegenheit für eindrucksvolle Effekte, von den Rängen wohl besser zu sehen als vom Parkett aus. Und da, wo sich die Inszenierung einfach nur auf die Geschichte konzentriert, ist die Personenregie sehr genau gearbeitet. Mitunter drastisch, etwa wenn Daland seine Tochter Senta geradezu skandalös dem reichen Holländer als Sexualobjekt anbietet; sehr differenziert und vielschichtig vor allem bei Senta selbst.

Vergrößerung in neuem Fenster Orientierungslos: Die Norweger in Wasser und Nebel

Nun ist der fliegende Holländer auch musikalisch ein verteufelt schwieriges Stück. Sängerfreundlich ist die offene Bühne wohl nicht, jedenfalls brauchen die meisten Darsteller eine gewisse Anlaufzeit - mit einer Ausnahme: Joachim Goltz besticht vom ersten Ton an mit enormer Präsenz und ausgezeichneter Textverständlichkeit. Er ist kein "schwarzer" Holländer, sondern ein hell timbrierter, heldischer, vergleichsweise jugendlicher Bariton, durchweg souverän in der Gestaltung. Auch Mirko Roschkowski als Erik hat sich nach kleinen Unsicherheiten schnell gefangen, singt die Partie mit hellem und eher leichtem Tenor (heldentenorale Schwere hat die Stimme nicht) zupackend und gibt ihr auch szenisch Gewicht. Rainer Zaun als Daland neigt vor allem im ersten Aufzug zum Forcieren, und dann verliert die unausgeglichene Stimme entschieden an Kontur und Klang; seine stärkeren Momente hat er in den Passagen, in denen er als beweglicher Spielbass gefordert ist. Keija Xiong wirkt als Steuermann übernervös; die Rolle scheint ihm stimmlich gar nicht zu liegen - ziemlich unbestimmt in der Tongebung und teilweise abenteuerlich in der Intonation kämpft sich sein Tenor durch die Partie. Vera Kleifeld gibt eine zunächst etwas wacklige, aber letztendlich solide Mary im Stile einer strengen Oberaufseherin.

Veronika Haller wirkt als Senta zunächst unsicher; ihrer Ballade, immerhin dem Herzstück der Oper, fehlen der dramatische Impetus und die Kraftreserven - eine wirkliche jugendlich-dramatische Sopranistin ist sie (noch) nicht, die Stimme ist nicht uninteressant, aber einfarbig und ein wenig brüchig in der hohen Lage. Mehr und mehr singt sie sich frei, gewinnt erheblich an Souveränität (und ist dabei eine sehr differenziert spielende Darstellerin) - man darf gespannt auf die Entwicklung sein, wenn sie erst einmal die Routine von ein paar Vorstellungen erlangt hat. Chor und Extrachor singen ganz ausgezeichnet und trotz vergleichsweise kleiner Besetzung mit großer Klangfülle.

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Die Strichliste steht wohl für opferbereite Frauen: Der Holländer.

Der aus Estland stammende Dirigent Mihhail Gerts, erster Kapellmeister am Haus, hat sehr genau mit dem Philharmonischen Orchester Hagen gearbeitet. Vieles gelingt ganz ausgezeichnet, so die präzise federnde, dabei imposant wuchtige Chorszene "Steuermann, lass die Wacht". Gerts dirigiert ganz große Oper, hat Gespür für das Tempo, nimmt sich mitunter schier unendlich viel Zeit, und vieles, aber nicht alles, können Orchester und Ensemble umsetzen. Es gibt aber auch Momente, da hat man den Eindruck, er schießt über das Ziel hinaus: Man ahnt die Klangvorstellung, aber dafür bedürfte es schon einer hochkarätigen Festspielbesetzung und eines Wunderorchesters wie vielleicht der Dresdner Staatskapelle, um die Spannung zu halten. Entsprechend dem düsteren Regieansatz, der nicht an irgendeine Erlösung glaubt, spielt man die Urfassung mit dem schroffen, düsteren Schluss - und Gerts und das Orchester zeichnen diese Klangfarben plastisch nach.


FAZIT

Nicht alles läuft rund bei diesem durchaus spektakulären und spannenden Holländer, der sängerisch eine gewisse Anlaufzeit braucht, aber mit einem interessanten und bildmächtigen Regiekonzept ebenso sehens- wie hörenswert ist.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihhail Gerts

Inszenierung
Beverly Blankenship
Rebecca Blankenship

Ausstattung
Peer Palmowski

Choreographie
Alfonso Palencia

Licht
Hans-Joachim Köster

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Corinna Jarosch


Statisterie
des Theater Hagen

Chor und Extrachor
des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Daland, ein norwegischer Seefahrer
Rainer Zaun

Senta, seine Tochter
Veronika Haller

Erik, ein Jäger
Mirko Roschkowski

Mary, Sentas Amme
Rena Kleifeld

Der Steuermann Dalands
Kejia Xiong

Der Holländer
Joachim Goltz


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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