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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner



in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 50' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Musiktheater im Revier am 4. März 2017


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Musiktheater im Revier
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Die Utopie wird ganz kurz hinterfragt

Von Stefan Schmöe / Fotos: Forster

Isolde als fürsorgliche Mutter, die ihr schlafendes Kind liebevoll zudeckt? Einen kurzen Moment lang blitzt diese Vision auf, wenn Tristan und Isolde, während sie die Nacht der Liebe besingen, sich auf einen labyrithisch anmutenden Weg über die (zwei Akte lang eifrig genutzte) Drehbühne machen und auch am Kinderzimmer vorbeikommen. Ganz klar wird die Bedeutung dieses Bildes nicht. Isoldes Wunschvorstellung im Kontrast zum todessüchtigen Tristan? Karikierender Gegenentwurf zu Wagners Liebesutopie? Der Regie führende Intendant Michael Schulz bleibt hier allzu undeutlich. Vielleicht sollte man sich damit begnügen, das Bild als lose Assoziation an bürgerliche Liebesglücksvorstellungen aufzufassen. Und es folgt noch so eine Szene, die sich nicht eindeutig einordnen lässt: Am Ende des Duetts, wenn die Musik immer extatischer wird, sieht man in einem Glaskasten ein Paar beim Liebesakt, und da legt Schulz offensichtlich Wert auf eine erotisch-realistische Darstellung - während das Sängerpaar über ein paar unbeholfene Berührungen noch nicht hinausgekommen ist. Die hereinstürzenden Soldaten halten sich dann auch lieber an die kopulierenden als an die singenden Akteure.

Szenenfoto kommt später

Der Liebestrank wirkt: Tristan und Isolde kurz vor der Ankunft in König Markes Land

Den ersten Akt hatte Schulz noch ziemlich brav, fast behäbig, in realistischer Manier erzählt. Man erkennt das moderat verfremdete Segelschiff mit einer Kabine aus nicht allzu ferner präelektronischer Vergangenheit, und Isolde hatte vor Öffnen des Vorhangs offensichtlich einen heftigen Wutanfall. Man trinkt Tee aus Porzellangeschirr, der Liebestrank wird in güldener Schale kredenzt, und Marke ist ein Soldatenkönig mit exzellenten Manieren. Es gibt einen leichten Bruch zwischen dieser auf die unmittelbaren Handlungselemente fixierten Darstellung und dem folgenden, eher im Symbolischen belassenen Aufzug, und man wird nicht nur deshalb den Eindruck nicht los, dass dem Regisseur so wirklich viel Konzeptuelles zu dieser Oper nicht eingefallen ist. Im dritten Aufzug wechseln Schulz, Kathrin-Susann Brose (Bühne) und Renée Listerdal (Kostüme) auf eine vornehmlich ästhetische Ebene, bei der die Tag-Nacht-Dialektik einigermaßen konsequent in einem Schwarz-Weiß-Kontrast gespiegelt wird. Tristan singt vor einem schwarzen Vorhang, bei dem lange Zeit nur ein schmaler Streifen den Blick auf ein riesiges weißes Tuch im Hintergrund, das gleichermaßen Brautkleid wie Leichentuch sein könnte, frei gibt, davor eine schwarze Stele. Isolde erscheint dann, symbolisch passend, aber modisch grenzwertig im weißen Kleid mit schwarzem Sakko. Den Liebestod singt sie quasi konzertant. Alles ganz hübsch anzusehen, aber auch ein wenig bemüht, wobei die (wenigen) Buhs für das Regieteam doch ebenso übertrieben scheinen wie die (etwas stärkeren) Bravo-Rufe. Schulz hat schon bessere, aber auch schon schlechtere Inszenierungen abgeliefert, und Tristan und Isolde ist mit der extrem verdichteten äußeren und genauso extrem gedehnten inneren Handlung quasi uninszenierbar. Nebenbei, die weitgehend angenehm unaufgeregte Regie ist in ihrem Verzicht auf Umdeutung und Überinterpretation nicht das Schlechteste, was dieser Oper widerfahren kann.

Szenenfoto kommt später

Die Nacht der Liebe hat hier kosmische und bürgerliche Elemente.

Mag der Regisseur Schulz sich letztendlich wie so viele seiner Kollegen die Zähne an Tristan und Isolde ausbeißen, so ist dem Intendanten Schulz mit der Besetzung ein besonderer Coup gelungen: Mit Torsten Kerl und Catherine Foster in den Hauptpartien könnten auch die ganz großen Häuser reüssieren. Kerl ist ein maskulin dunkler, strahlkräftiger, zwar nicht durchgängig noten- und textsicherer, aber imposanter Tristan mit Kraft und Durchhaltevermögen, kein großer Darsteller (wie überhaupt alle Sänger zu übertrieben oder zu statisch, aber selten im richtigen Maß agieren), aber gerade im dritten Aufzug ein sehr eindringlich und mit ausdrucksstarker Wucht singend. Catherine Foster als Isolde steht ihm mit dramatisch-kraftvollem, auch im Piano substanzvollem Sopran die Partie differenziert gestaltend, nicht nach; ein paar Intonationstrübungen (leider auch im ansonsten sehr schön gesungenen Liebestod) eingeschlossen. Aber das ist Mäkeln auf hohem Niveau. Wer die beiden hören möchte, muss allerdings eine der Aufführungen im März besuchen - danach übernehmen Gerhard Siegel und Yamina Maamar.

Szenenfoto kommt später

Die Skandalbeziehung ist aufgedeckt: Vorne Tristan, hinten (von links) Isolde, Marke, Melot und Kurwenal.

Philipp Ens singt einen stimmlich recht schlanken und klaren König Marke, wobei es ihm nicht immer gelingt, die Stimme genau zu fokussieren, und so mischen sich ein paar brüchige Passagen in die ansonsten souverän gesungene, sorgsam artikulierte Interpretation. Sehr achtbar schlagen sich die hauseigenen Kräfte. Mit ausgewählt scheußlicher, gouvernantenhafter Perücke und erfreulicher dramatischer Attacke singt Almuth Herbst die Brangäne. Die "Habet Acht!"-Rufe vom obersten Rang aus singen zu lassen, ist allerdings keine glückliche Lösung, weil sie von dort unangenehm forciert, was sie auf der Bühne überhaupt nicht nötig hat, sondern mit Präsenz locker meistert. Urban Malmberg ist ein jugendlich anmutender, sehr ordentlicher Kurwenal mit Kraftreserven an den entscheidenden Stellen. Ibrahim Yesilay ist ein akkurat singender und klangschöner junger Seemann, William Saetre ein recht angestrengter Hirt, Piotr Prochera als Melot ein dämonisch finsterer Fiesling.

Szenenfoto kommt später

Tristan stirbt.

Der insgesamt guten Neuen Philharmonie Westfalen merkt man hier und da an, dass der Abend lang und anstrengend ist, aber vom vergleichsweise kontrollierten ersten Aufzug, in dem Chefdirigent Rasmus Baumann recht sängerfreundlich dirigiert, über den rauschhafteren zweiten bis zum geradezu entfesselten dritten Aufzug (bei dem Baumann mehr und mehr auf das stimmliche Durchhaltevermögen insbesondere von Torsten Kerl setzt) wird die orchestrale Interpretation freier und emotionaler. Die Begeisterung beim Premierenpublikum war zu Recht groß, und damit verbunden endet der Abend leider mit einem Unding: Den ersten übereifrigen Applaus gab es bereits einige Takte vor dem sanft verklingenden Schlussakkord. Dabei wäre ein Moment der Ruhe nach der musikalisch doch sehr fesselnden Aufführung angebracht gewesen.


FAZIT

Intendant und Regisseur Michael Schulz glänzt mehr als Möglichmacher einer musikalisch fulminanten Aufführung denn wegen der letztendlich ziemlich nichtssagenden, wenn auch optisch durchaus ansehnlichen Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Michael Schulz

Bühnenbild
Kathrin-Susann Brose

Kostüme
Renée Listerdal

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Gabriele Wiesmüller



Statisterie, Chor und Extrachor
des Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Tristan
* Torsten Kerl /
Gerhard Siegel

Isolde
* Catherine Foster /
Yamina Maamar

Kurvenal
Urban Malmberg

Brangäne
Almuth Herbst

Marke
* Phillip Ens /
Dong-Won Seo

Melot
* Piotr Prochera/
Marvin Zobel

Ein Hirte
William Saetre

Ein Steuermann
Jacoub Eisa

Stimme eines jungen Seemanns
Ibrahim Yesilay



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Da capo al Fine

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