Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 29. April 2017
(rezensierte Aufführung: 05.05.2017)

Homepage

Musiktheater im Revier
(Homepage)

Don Giovannis Totentanz

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski

Mozarts Don Giovanni ist nicht nur ohne Zweifel die bedeutendste musikalische Umsetzung des Don Juan-Stoffes, sondern hat auch wie kaum eine andere Oper aus dem 18. Jahrhundert ganze Generationen über Fragen philosophieren lassen, die die Geschichte unbeantwortet lässt. Wie schafft es dieser unmoralische Herzensbrecher, auf sämtliche Frauen eine derartige Faszination auszuüben, dass sie ihm erliegen, ohne dass er sie sich mit Gewalt gefügig machen muss? Wieso erträgt Leporello die ewigen Demütigungen seines Herrn und quittiert nicht einfach seinen Dienst? Was geschah wirklich in Donna Annas Schlafzimmer, und warum hält sie den ihr treu ergebenen Verlobten Don Ottavio das ganze Stück über hin? Welche Funktion erfüllt der steinerne Gast, den Don Giovanni am Ende zum Essen einlädt? Mit all diesen Fragen muss sich ein Regisseur bei der Inszenierung dieser Oper auseinandersetzen, und das gelingt mal besser und mal schlechter. Ben Baur findet in Gelsenkirchen einen weniger glücklichen Ansatz.

Bild zum Vergrößern

Don Giovanni (Piotr Prochera) mit dem toten Komtur (Statist)

Ausgangspunkt scheint bei Baur Arthur Schnitzlers Traumnovelle von 1926 zu sein. So lässt er zu Beginn der Ouvertüre auf den schwarzen Vorhang ein Zitat des Arztes Fridolin projizieren, der sich in der Novelle auf eine visionäre nächtliche Abenteuerreise durch Wien begibt und dabei in zahlreiche erotische Abenteuer verstrickt wird: "In allen Wesen, die ich liebte, habe ich immer nur dich gesucht." Zu Recht fragt man sich, was das mit Don Giovanni zu tun haben soll. Aber bei Baur gibt es Don Giovanni eigentlich gar nicht. Er ist ein Alter Ego seines Dieners Leporello. Dieser steht während der Ouvertüre als Bräutigam gekleidet auf der Bühne und will sich erschießen, wird daran allerdings von Don Giovanni gehindert, bevor wie in einem wirren Traum nacheinander die Figuren des Stückes auftreten. Elvira ist zwar die potenzielle Braut, scheint jedoch auch Masetto gegenüber nicht abgeneigt zu sein, und Zerlina hat hier ebenfalls mehrere Eisen im Feuer. So hat man das Gefühl, dass hier jeder mit jedem Zärtlichkeiten austauscht und die Paarkonstellationen völlig aufgelöst werden, was die Geschichte noch verworrener macht.

Bild zum Vergrößern

Donna Anna (Alfia Kamalova) fordert von Don Ottavio (Ibrahim Yesilay) Rache für ihren ermordeten Vater.

Als Bühnenraum, für den Baur ebenfalls verantwortlich zeichnet, fungiert ein großer ausladender Saal mit einem grünen Vorhang im Hintergrund und pittoresken Spiegeln mit in Gold verzierten Rahmen an den Wänden. Vor diesen Spiegeln hängen Kerzen, die ohne erkennbaren Grund mal angezündet und dann wieder gelöscht werden. Hinter dem grünen Vorhang befinden sich zahlreiche Stühle, mehrere Sockel mit Kerzenständern und Blumen, die dann im zweiten Akt, wenn der Saal aus unerklärlichen Gründen teilweise in den Schnürboden emporgezogen worden ist, wie ein Sammelsurium die ganze Bühne füllen und den Solisten die Möglichkeit nehmen, ihr Spiel frei zu entfalten. Die Kostüme von Uta Meenen sind in Schwarz und Weiß gehalten, wobei die Frauen entweder in Brautkleidern oder in Negligés auftreten. Der Maskenball wird als Totentanz in schwarzen Negligés mit weißen Totenmasken inszeniert. Die Herren tragen entweder schwarze Anzüge, wobei sich Don Giovanni auch gerne mal mit nacktem Oberkörper präsentiert. Der Kleidertausch zwischen Don Giovanni und Leporello im zweiten Akt macht überhaupt keinen Sinn, da beide hier die gleiche weiße Weste tragen.

Bild zum Vergrößern

Donna Elvira (Petra Schmidt) leidet unter ihrer unerwiderten Liebe zu Don Giovanni.

Auch in der Personenregie bleibt vieles unschlüssig. So lässt sich zwar am Anfang erahnen, dass Don Giovanni nur eine Vision seines Dieners Leporello sein soll, da er bei den ersten Sätzen seines Dieners die Lippen bewegt und den Text lautlos mitzusprechen scheint. Dieser Ansatz geht jedoch im weiteren Verlauf des Abends verloren. Stattdessen wird Don Giovanni als dämonischer Strippenzieher gezeigt, bei dem es nicht glaubhaft ist, dass ihm die Frauen reihenweise zu Füßen liegen. Dabei hätte Piotr Prochera darstellerisch und optisch sicherlich das Zeug dazu. Stattdessen muss er am Schluss, wenn er den steinernen Gast empfängt, Donna Elviras leicht angestaubtes weißes Kleid anziehen und mit dem Komtur tanzen, bevor er sich in diesem Kleid auf den Tisch zur ewigen Ruhe legt. Damit verpufft die Dramatik seiner Höllenfahrt komplett und lässt den Zuschauer vollkommen kalt. Donna Annas große Arie im zweiten Akt, "Non mi dir", wird völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Laut Libretto versucht sie damit, sich vor Don Ottavio zu rechtfertigen, der ihr Vorwürfe macht, weil sie die Hochzeit immer wieder hinausschiebt. Baur setzt die Arie als Reaktion auf Don Giovannis Werben um Elviras Zofe an. Donna Anna hat vorher die ganze Zeit mit dem Rücken zum Publikum Totenwache an einem Tisch gehalten, auf dem ihr toter Vater aufgebahrt ist, und wendet sich in der genannten Arie im Anschluss mit einer Totenmaske an Don Giovanni. Auch der Mord an ihrem Vater wird fragwürdig umgesetzt. Baur doppelt die Figur mit einem Statisten. Während Dong-Won Seo mit Totenmaske hinter dem Komtur den Text singt, stolpert der Statist einfach zu Boden, ohne dabei überhaupt von Don Giovanni berührt worden zu sein. Umso alberner wirkt es dann später, dass Don Ottavio und Donna Anna in Don Giovanni den Mörder erkennen, während der tote Komtur aufgebahrt vor ihnen auf dem Tisch liegt.

Bild zum Vergrößern

Der steinerne Gast (Dong-Won Seo, hinten) holt Don Giovanni (Piotr Prochera, auf dem Tisch), unter dem Tisch: Leporello (Urban Malmberg)).

Enttäuschend wird auch die große Versöhnungsszene zwischen Masetto und Zerlina umgesetzt. Während die Musik deutlich macht, mit welchen Zärtlichkeiten Zerlina ihren Bräutigam tröstet, nachdem er von Don Giovanni übel zugerichtet worden ist, lässt Baur dieses Duett ohne jegliche Nähe spielen. Stattdessen deckt Zerlina währenddessen den Tisch und nimmt mit Masetto anschließend dort zum Essen Platz. Ob man bei den in Schwarz und Weiß gehaltenen Kostümen den roten Farbtupfer auf Zerlinas Negligé benötigt, um anzudeuten, dass Don Giovanni ihr beim Maskenball die Unschuld geraubt hat, ist genauso diskutabel wie das schwarze Hochzeitskleid, mit dem Zerlina ihrem Masetto zugeführt wird. Am Ende des Stückes kommt es dann zur Hochzeit zwischen Elvira und Leporello. Damit soll zwar die Idee vom Anfang des Stückes wieder aufgegriffen werden. Einen sinnvollen Zusammenhang zu dem, was sich dazwischen abgespielt hat, ist jedoch nicht erkennbar.

Musikalisch hat der Abend Licht- und Schattenseiten. Rasmus Baumann hat man mit der Neuen Philharmonie Westfalen schon wesentlich besser gehört. In der Ouvertüre wackelt so einiges. Die Tempi wirken unsauber, und der Esprit, der in Mozarts Musik steckt, wird nicht entfaltet. Im Laufe des Abends findet Baumann mit dem Orchester zwar zu einem besseren Fluss, richtig überzeugen kann er dabei jedoch nicht. Das überträgt sich natürlich auch auf die Solisten, die trotzdem ihr Bestes geben. Vielleicht ist deshalb der Applaus zwischen den einzelnen Bravourarien eher verhalten. Piotr Prochera besitzt für die Titelfigur viel darstellerisches Potenzial, das in einer anderen Inszenierung sicherlich besser zur Geltung gekommen wäre. Stimmlich überzeugt er mit sauber geführtem Bariton. Urban Malmberg gefällt als Leporello vor allem in der Katalogarie mit großem Spielwitz und weichem Bariton. In der von Baur eingeführten Rahmenhandlung wirkt er hingegen nicht wirklich überzeugend. Ibrahim Yesilay geht als Don Ottavio mit weichen Höhen auf Nummer sicher und präsentiert seine großen Arien mit sauber angesetzten Spitzentönen, ohne zu forcieren. Marvin Zobel gefällt als Masetto mit dunklem Bass, wird von der Personenregie jedoch genauso ausgebremst wie Katharina Borsch, die seine Braut Zerlina mit leuchtendem Sopran ausstattet. Alfia Kamalova punktet als Donna Anna mit dramatischen Höhen und beweglichen Läufen. Auch Petra Schmidt weiß als Donna Elvira mit lyrischen Bögen zu überzeugen, klingt in den Höhen aber bisweilen ein bisschen schrill. Dong-Won Seo verleiht dem Komtur mit schwarzer Tiefe die nötige Autorität und rundet das Solisten-Ensemble gut ab.

FAZIT

Ben Baurs Inszenierung findet keinen überzeugenden Zugang zum Stück. Die Personenregie ist eher hinderlich und bremst die stimmlich gut aufgelegte und als spielfreudig erprobte Solistenriege ein wenig aus.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung und Bühne
Ben Baur

Kostüme
Uta Meenen

Chor
Alexander Eberle

Licht
Mariella von Vequel-Westernach

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opernchor des MiR

Statisterie des MiR

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Don Giovanni
Piotr Prochera

Der Komtur
Dong-Won Seo

Donna Anna
Alfia Kamalova

Don Ottavio
Ibrahim Yesilay

Donna Elvira
Petra Schmidt

Leporello
Urban Malmberg

Masetto
Michael Dahmen /
*Marvin Zobel

Zerlina
Bele Kumberger /
*Katharina Borsch


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Musiktheater im Revier
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2017 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -