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Musiktheater
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Die lustige Witwe

Operette in drei Akten
Libretto von Leo Stein und Victor Léon nach Henri Meilhacs Lustspiel L'attaché d'ambassade von 1861
Musik von
Franz Lehár


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 16. Dezember 2016

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Alte Liebe rostet nicht

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski

Franz Lehárs lustige Witwe gilt als die bekannteste und erfolgreichste Operette des österreichischen Komponisten ungarischer Herkunft und läutete ein neues Zeitalter des Genres, die sogenannte Silberne Operettenära, ein. Neben der stets aktuellen Geschichte um den drohenden Bankrott des fiktiven Balkanstaates Pontevedro, den die reiche Witwe Hanna Glawari mit der Heirat eines pontevedrinischen Diplomaten verhindern soll, sind es vor allem die eingängigen Melodien, die dem Werk seinen bis heute ungebrochenen Erfolg bescherten, auch wenn es zunächst einiger Aufführungen bedurfte, bis sich das Stück zu einem Publikumsmagneten entwickelte. Auch das berühmte Duett "Lippen schweigen" hätte es beinahe gar nicht gegeben. Lehár hatte die Melodie zunächst nur als Walzer-Intermezzo komponiert, bis ihn der Direktor des Theater an der Wien dazu drängte, sie zum Hauptthema für Hanna und Danilo auszubauen. Nachdem man am Musiktheater im Revier zum Ende der letzten Spielzeit Johann Strauß' Fledermaus eher unkonventionell in Szene gesetzt hatte (siehe auch unsere Rezension), war man gespannt, ob man auch Lehárs lustiger Witwe entgegen der Konventionen inszenieren würde. Doch Sandra Wissmann, die als Regisseurin in Gelsenkirchen dem Publikum unter anderem mit den Comedian Harmonists und dem Zauberer von Oz in guter Erinnerung geblieben ist, verzichtet darauf, in Zeiten der Euro-Krise die Geschichte mehr oder weniger passend in die Jetzt-Zeit zu übertragen, und vertraut ganz auf den "Charme" der Operette.

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Nicht kleckern sondern klotzen: Ball im Palast der pontevedrinischen Gesandtschaft (auf der linken Seite vorne: St. Brioche (Edward Lee), Olga (Judith Urban), Kromow (Lars-Oliver Rühl), Valencienne (Bele Kumberger), in der Mitte: Baron Zeta (Joachim Gabriel Maaß), rechts vorne: Cascada (Piotr Prochera) mit Herren des Chors, im Hintergrund: Chor)

Dafür baut sie die Figur des Njegus zu einer Art Spielleiter aus. Noch bevor die Neue Philharmonie Westfalen zur Ouvertüre ansetzt, ist es ein eingespielter Klingelton, der den Diener des pontevedrinischen Gesandten auf den Plan ruft und dazu führt, dass er eine kurze Ansprache ans Publikum hält, die bei anderen Produktionen vorher vom langjährigen Ensemble-Mitglied Joachim Gabriel Maaß über Band eingespielt wird. Dabei spannt er auch schon den Bogen zum Stück. Fotos seien verboten, auch wenn das opulente Bühnenbild - man spiele ja immerhin Operette - an diesem Abend besonders dazu einlade. Nach einem Gag über die "obligatorische Operettentreppe", die zwar nirgends hinführe, aber trotzdem immer da sein müsse, lässt er wie von Zauberhand bei der einsetzenden Ouvertüre den Rest des Bühnenbildes aus dem Schnürboden herabsinken. Und bezüglich der Opulenz hat er dabei nicht zu viel versprochen. Britta Tönne schafft mit hohen Säulen einen dekadenten Saal, in dem der pontevedrinische Gesandte, Baron Zeta, den Bankrott seines Landes überzeugend zu verbergen sucht. Im weiteren Verlauf lässt Njegus die Szene immer wieder einfrieren, um erläuternde oder ironische Kommentare abzugeben. Dirk Weiler gibt den Njegus mit großem, komischem Talent, auch wenn die wechselnden Anreden des Gesandten bisweilen etwas albern wirken. Außerdem bekommt Weiler sogar eine eigens eingefügte Gesangsnummer zwischen dem zweiten und dritten Akt und überzeugt dabei auch noch mit einer gekonnten Stepp-Einlage.

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"Ich bin eine anständige Frau": Valencienne (Bele Kumberger) und Camille de Rosillon (Ibrahim Yesilay)

Dass der Abend nicht zu einer One-Man-Show für Weiler wird, ist dem restlichen Ensemble zu verdanken, dass bis in die kleinste Partie gut besetzt ist. Hier ist zum Beispiel Gudrun Schade als Pritschitschs Ehefrau Praskowia zu nennen, die als männermordender Vamp mit enormer Bühnenpräsenz begeistert, und Judith Urban macht nicht nur als Kromows kesse Ehefrau Olga eine gute Figur, sondern überzeugt auch noch als Grisette. Piotr Prochera und Edward Lee sind als französische Mitgiftjäger Cascada und St. Brioche ebenfalls gut besetzt. Lee versucht auch noch, als Langfinger seiner ständigen Geldnot Abhilfe zu leisten. Wenn die beiden hinter zwei Kisten Kromows Frau Olga und Bogdanowitschs Gattin Sylviane (Katharina Borsch) vernaschen, tauchen sie jeweils auf den Punkt genau auf, wenn sie die Ankunft der wohlhabenden Witwe erwarten, um sich dann weiter ihren Liebschaften hinzugeben. Besonders hervorzuheben ist auch Ibrahim Yesilay als Camille de Rosillon, der eigentlich nur Augen für Baron Zetas Ehefrau Valencienne hat und nur ihr zu Liebe der reichen Witwe den Hof macht. Bei seinem lyrischen Tenor und den samtweichen Höhen wird es gut nachvollziehbar, dass Valencienne seinem Werben erliegt. Bele Kumberger stattet die Valencienne mit einem sauberen Sopran aus, bleibt aber im Spiel ein bisschen steif. So vermittelt sie in der berühmten Grisetten-Nummer im dritten Akt nicht wirklich glaubhaft, dass sie ebenfalls zu den leichten Damen gehört.

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"Ja, das Studium der Weiber ist schwer": von links: Baron Zeta (Joachim Gabriel Maaß), Pritschitsch (Tobias Glagau), Njegus (Dirk Weiler), St. Brioche (Edward Lee), Kromow (Lars-Oliver Rühl), dahinter: Cascada (Piotr Prochera), Danilo (Michael Dahmen) und Bogdanowitsch (Tomas Möwes) mit einer Tänzerin in der Mitte)

Eine Idealbesetzung ist Michael Dahmen als Graf Danilo Danilowitsch. Mit seinem jugendlichen Charme und markantem Bariton dürfte er das Herz mancher Dame im Publikum höher schlagen lassen. Seine Interpretation von "Dann geh' ich ins Maxim" lässt Erinnerungen an Johannes Heesters in jungen Jahren wach werden. Auch in den Tanzeinlagen weiß Dahmen zu überzeugen. Zu einem weiteren Höhepunkt avanciert die Nummer "Ja, das Studium der Weiber ist schwer", in der Dahmen mit seinen Kollegen das Publikum mitreißt. Joachim Gabriel Maaß gibt den pontevedrinischen Gesandten Baron Zeta mit großem Spielwitz und dunkel gefärbtem Bass. Mit wunderbar gespielter Naivität lässt er sich von seiner Ehefrau Valencienne an der Nase herumführen und bemerkt erst ganz zum Schluss, dass ihre Annäherung an Camille de Rosillon keinen diplomatischen Zweck verfolgt hat. Aber auch dann lässt er sich wieder von seiner Gattin einwickeln. Da genügt der Satz auf dem Fächer, dass sie eine anständige Frau sei, um ihn von ihrer vermeintlichen Treue zu überzeugen. Allerdings dürfte Hannas missverständliche Aussage, dass sie ihr Vermögen verliere, wenn sie sich erneut vermähle, für Zetas Rückkehr zu seiner Frau nicht ganz unbedeutend sein. All das spielt Maaß mit der ihm ganz eigenen Komik aus.

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Happy End für Hanna (Anke Sieloff) und Danilo (Michael Dahmen)

Die Titelpartie ist mit dem langjährigen Ensemble-Mitglied Anke Sieloff besetzt, und auch wenn sie in den Spitzentönen nicht immer ganz überzeugen kann und an einigen Stellen Schwierigkeiten hat, textverständlich über das Orchester zu kommen, versprüht sie darstellerisch und optisch großen Charme und stellt gemeinsam mit Dahmen ein Traumpaar dar, das dann im berühmten Duett "Lippen schweigen" zueinander finden darf. Auch vorher machen beide bereits deutlich, wie stark es zwischen Hanna und Danilo knistert und wie vehement sie diese Gefühle voreinander verbergen. In den Tanzeinlagen stellt Sieloff unter Beweis, welches Feuer in ihr lodert. Der Opern- und Extrachor des MiR unter der Leitung von Alexander Eberle präsentiert sich stimmgewaltig und spielfreudig. Britta Tönne entwirft auch für den zweiten und dritten Akt opulente Bilder, wobei für das nachgebaute Maxim in Hannas Palast der Bühnenboden hochgefahren wird und eine seidene Unterwelt sichtbar wird. Die Barockkostüme der Diener in Hannas Palast sollen wohl für die Dekadenz und den Reichtum der Witwe stehen. Rasmus Baumann rundet mit der Neuen Philharmonie Westfalen den Abend musikalisch schwungvoll ab, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Operetten-Liebhaber dürften bei dieser Produktion auf ihre Kosten kommen. Neueinsteigern sei die Produktion empfohlen, um ihr Herz an dieses Genre zu verlieren. Für den Silvesterabend stellt diese Produktion die perfekte Unterhaltung dar.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Sandra Wissmann

Bühne
Britta Tönne

Kostüme
Andreas Meyer

Choreographie
Kati Farkas

Chor
Alexander Eberle

Licht
Andreas Gutzmer

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opern- und Extrachor des MiR

Statisterie des MiR

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Hanna Glawari
Anke Sieloff

Graf Danilo Danilowitsch
Michael Dahmen

Baron Mirko Zeta
Joachim Gabriel Maaß

Valencienne
Bele Kumberger

Camille de Rosillon
Ibrahim Yesilay

Njegus
Dirk Weiler

Vicomte Cascada
*Piotr Prochera /
Marvin Zobel

Raoul de St. Brioche
Edward Lee

Bogdanowitsch
Tomas Möwes

Sylviane
Katharina Borsch

Kromow
Lars-Oliver Rühl

Olga
Judith Urban

Pritschitsch
Tobias Glagau

Praskowia
Almuth Herbst /
*Gudrun Schade

Grisetten
Daniela Günther
Marleen Jakob
Laura Trompetter
Judith Urban
Martina Vinazza
James Atkins
Nico Stank


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