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Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

Ballett von Kevin O'Day für Kinder und Jugendliche ab acht Jahren
nach dem Märchen von Hans Christian Andersen
Musik von David Lang


Aufführungsdauer: ca. 50' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Haus im MiR am 26. November 2016

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Musiktheater im Revier
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Ein Märchen für Erwachsene?

Von Thomas Molke / Fotos von Costin Radu


Die Vorweihnachtszeit hat auch in den Theatern wieder Einzug gehalten. Doch während in den meisten Häusern die Schauspiel- und Opern-Ensembles ein spezielles Kinderstück präsentieren, was den Nachwuchs für das Theater begeistern soll, ist es im Musiktheater im Revier die Ballettsparte, die ein Handlungsballett für Kinder und Jugendliche ab acht Jahren anbietet. Ob man mit der Musik von David Lang und dem ausgewählten Märchen von Hans Christian Andersen bei den jungen Menschen allerdings vorweihnachtliche Stimmung aufkommen lässt oder für Depressionen sorgt, ist fraglich. Kaum ein Märchen hat nämlich eine düstere Botschaft und traurigere Geschichte als Andersens Mädchen mit den Schwefelhölzern. Da helfen auch märchenhafte Traumsequenzen nichts. Am Ende ist das Mädchen trotzdem tot, und es tröstet nicht sehr, dass sie nun glücklich mit ihrer Großmutter im Himmel sein soll.

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Hitomi Kuhara als Mädchen mit den Schwefelhölzern

Kevin O'Day, der im MiR bereits im Mai 2015 zu dem dreiteiligen Ballettabend Sweet Tragedies die Uraufführung ... With the Lights On beisteuerte (siehe auch unsere Rezension), erzählt im Kleinen Haus die traurige Geschichte von dem armen Mädchen, das in einer eisigen Silvesternacht erfolglos versucht, Streichhölzer zu verkaufen und schließlich erfriert, nachdem es ein Streichholz nach dem anderen zum Schutz gegen die bittere Kälte abgebrannt hat. Zur Untermalung hat O'Day vier Werke des amerikanischen Komponisten David Lang ausgewählt. Neben seiner mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Vertonung The Little Match Girl Passion, die mit vier Gesangssolisten und Schlaginstrumenten die Atmosphäre der in Andersens Märchen beschriebenen Winternacht sehr bildlich einfängt, sind noch das Percussion Solo Unchained Melody, Press Release für die Bassklarinette und die Klavierkomposition This was Written by Hand zu hören. Der musikalische Leiter Alexander Eberle ist mit den vier mit Mikroports verstärkten Solisten auf der linken Seite im Rang positioniert.

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Die beiden Straßenjungs (links: Ledian Soto, rechts: Valentin Juteau) ärgern das Mädchen (Hitomi Kuhara).

Die eigentliche Geschichte beginnt bereits vor dem offiziellen Anfang der Aufführung. Während das Publikum noch in den Saal strömt, spricht Hitomi Kuhara als Mädchen einzelne Zuschauer an und versucht, ihnen Streichhölzer zu verkaufen. Dabei wird sie von Valentin Juteau und Ledian Soto als Straßenjungs abgelenkt, die ihr zunächst für einzelne Streichhölzer als Gegenleistung Bonbons anbieten, sie dann allerdings nicht bezahlen, bevor sie ihr auch noch ihre Schuhe rauben, so dass Kuhara anschließend barfuß durch den Zuschauerraum läuft. Erst dann verlöscht das Licht, und die eigentliche Vorstellung beginnt. Thomas Mika hat die Bühne mit hohen quaderförmigen Bühnenelementen ausgestattet, die einerseits durch Verschiebung immer neue Räume bilden und andererseits auch als Projektionsfläche dienen. Zunächst sieht man auf den grauen Elementen Schneeflocken herabrieseln, die die eisige Kälte deutlich machen. Kuhara wirkt in ihrem blauen ärmlichen Kleid vor dieser Kulisse regelrecht verloren. Mit intensiver Mimik und Gestik macht sie die Leiden des Mädchens in modernem Ausdruckstanz deutlich. Die Musik von David Lang verdeutlicht die Atmosphäre zwar gut, ob das allerdings der kindlichen und jugendlichen Erwartung an ein Vorweihnachtsstück entspricht, ist fraglich.

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Das Mädchen (Hitomi Kuhara, links) ist endlich wieder mit der Großmutter (Francesca Berruto, rechts) vereint.

Valentin Juteau, Ledian Soto und José Urrutia stellen dann in märchenhaften Kostümen, für die ebenfalls Mika verantwortlich zeichnet, die Traumerscheinungen des Mädchens dar. Dabei wird jeweils vor dem Auftritt ein Streichholz entzündet, das in einer überdimensionalen Projektion auf den Bühnenelementen flackert. Valentin Juteau stellt den Eisenofen dar, der dem Mädchen mit Hilfe des entzündeten Streichholzes einen kleinen Moment der Wärme schenkt. Juteau findet dabei mit Kuhara zu einem innigen Pas de deux, ganz im Gegensatz zu seinem fast bösartigen Spiel als Straßenjunge. Ledian Soto könnte als Weihnachtsbaum optisch auch aus einer Nussknacker-Aufführung stammen und gefällt ebenfalls durch märchenhafte Bewegungen. José Urrutia setzt dann abschließend als Weihnachtsgans komödiantische Akzente. Doch diese schönen Träume sind sehr schnell vorüber und werfen das Mädchen wieder zurück in die grausame Realität. Nun rieselt der Schnee nicht nur in einer Projektion auf das Mädchen herab. Das Licht-Design von Mariella von Vequel-Westernach unterstreicht die aussichtslose Situation für das Mädchen, das schließlich in einer Ecke tot zu Boden sinkt. Erst jetzt erkennen das Großstadtpaar (Tessa Vanheusden und José Urrutia) und die beiden Straßenjungs die ganze Tragik und versuchen, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, indem sie ihre Kleidung ablegen und das Mädchen damit zudecken. Auch sie sinken danach alle scheinbar leblos zu Boden, doch dies dauert nur einen Moment. Als sie erkennen, dass sie dem Mädchen mit ihrem Mitgefühl nicht helfen können, erheben sie sich wieder und verlassen die Bühne.

Nun hat Francesca Berruto als Großmutter ihren großen Auftritt. Nachdem sie dem Mädchen schon vorher in mehreren Traumsequenzen erschienen ist, kommt sie nun, um ihr Enkelkind abzuholen. Ob der Weg dabei allerdings wirklich in den Himmel führt, lässt die Inszenierung offen. Zwar wirkt Berruto in ihrem hellen langen Kleid wie ein Engel, der dem armen Mädchen eine bessere Welt verspricht. Wenn Berruto Kuhara allerdings von der Bühne führt, verschwinden die beiden hinter einem dunklen schwarzen Vorhang, der auch für das Nichts stehen könnte. Vorher ist den beiden allerdings noch ein bewegender Ausdruckstanz vergönnt, der die enge Verbundenheit zwischen der Großmutter und dem Mädchen deutlich macht. O'Day findet hier in der Choreographie betörend schöne Bilder, die von David Langs Musik bewegend getragen werden. Von daher verwundert es nicht, dass das überwiegend erwachsene Publikum alle Beteiligten am Ende mit großem Beifall überschüttet. Ob sich diese Begeisterung auch bei den Vormittagsvorstellungen auf die Kinder und Jugendlichen übertragen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht handelt es sich bei dieser Produktion doch eher um ein Märchen für Erwachsene.

FAZIT

Kevin O'Day erzählt Andersens traurige Geschichte in bewegenden Bildern, wobei David Langs Musik die düstere Atmosphäre überzeugend einfängt. Dennoch scheint die Produktion eher für Erwachsene als für Jugendliche und Kinder geeignet zu sein.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Eberle

Choreographie und Inszenierung
Kevin O'Day

Ausstattung
Thomas Mika

Licht
Mariella von Vequel-Westernach

Dramaturgie
Gabriele Wiesmüller

 

Vokalsolisten / Instrumentalisten
Judith Caspari
Sion Choi
Jacoub Eisa
Florian Neubauer

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Das Mädchen
*Hitomi Kuhara /
Sara Zinna

Die Großmutter
*Francesca Berruto /
Bridgett Zehr

Ein Großstadtpaar
*Tessa Vanheusden /
Sarah-Lee Chapman
*José Urrutia /
Carlos Contreras

Straßenjungs
*Valentin Juteau
*Ledian Soto /
Louiz Rodrigues
Carlos Contreras

Ein Eisenofen
*Valentin Juteau /
Louiz Rodrigues

Ein Weihnachtsbaum
*Ledian Soto /
Carlos Contreras

Eine Weihnachtsgans
*José Urrutia /
Carlos Contreras


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