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Musiktheater
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Giulietta e Romeo

Oper in drei Akten
Text von Arturo Rossato
Musik von
Riccardo Zandonai


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Erfurt am 8. April 2017


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Theater Erfurt
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Verbotene Liebe im Internat

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff

Riccardo Zandonai gehört zu den italienischen Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts, deren Werke heute eher selten auf den Spielplänen zu finden sind. Der 1883 geborene Zandonai versuchte sich sowohl vom Verismo als auch von den Musikdramen Richard Wagners abzuheben, ohne dabei eine komplett neue musikalische Richtung, wie beispielsweise in Deutschland Alban Berg, anzustreben. Inhaltlich konzentrierte er sich dabei auf Stoffe aus weit zurückliegenden Epochen der italienischen Geschichte. Sein größter Erfolg war Francesca da Rimini nach dem gleichnamigen Drama von Gabriele D'Annunzio, das auf einer Episode aus Dantes divina commedia basiert. Doch auch seine am 14. Februar 1922 in Rom uraufgeführte Oper Giulietta e Romeo fand in den folgenden Jahren internationale Anerkennung. So folgte noch in demselben Jahr eine Südamerika-Tournee, und in Deutschland wurde das Werk in Mainz, Nürnberg und Hannover aufgeführt. Nach Zandonais Tod 1944 verschwand das Stück allerdings von den Spielplänen. Dass man sich in Erfurt in dieser Spielzeit entschieden hat, diese Bearbeitung des berühmten Shakespeare-Stoffes auf den Spielplan zu nehmen, dürfte zwei Gründe haben. Zum einen hat es auch in Erfurt Tradition, vergessene Werke wieder zu entdecken. Zum anderen bildet die Oper in Erfurt einen wichtigen Bestandteil des Romeo und Julia - Schwerpunktes, der in dieser Spielzeit mit Bernsteins West Side Story begonnen worden ist und im nächsten Monat mit Gounods Roméo et Juliette fortgesetzt wird.

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Maskenball im Internat (Opernchor)

Dabei weist Zandonais Fassung nicht nur deutliche Unterschiede zu den bekannteren Versionen von Vincenzo Bellini und Charles Gounod auf, sondern nennt - darin folgt Zandonai wiederum Bellini - auch die um 1530 erschienene Novelle Giulietta e Romeo von Luigi Da Porto, und nicht William Shakespeare, als Hauptquelle für das Libretto. Bemerkenswert ist bei Zandonai die Reduzierung der Figuren auf drei zentrale Charaktere: Romeo, Giulietta und ihren Cousin Tebaldo. Pater Lorenzo kommt überhaupt nicht vor, was offen lässt, ob die beiden Liebenden wirklich heimlich getraut worden sind oder sich nur ewige Liebe geschworen haben. Was Giuliettas vermeintlichen Tod betrifft, erfährt der Zuschauer so wie Romeo erst in der Gruft, dass ein Schlaftrunk Giulietta in einen todesähnlichen Schlaf versetzt hat. Ob Giulietta sich nach Romeos Tod ebenfalls das Leben nimmt, legt die musikalische Gestaltung zwar nahe, wird jedoch im Text nicht explizit gesagt. Da Romeos Freund Mercutio ebenfalls nicht vorkommt, muss auch der Mord an Tebaldo anders motiviert werden. Folglich überrascht Tebaldo die beiden Liebenden bei einem heimlichen Treffen und droht, Giulietta öffentlich anzuprangern, woraufhin Romeo ihn im Affekt tötet. Die weiteren Figuren sind größtenteils namenlose Nebenrollen, wobei Giuliettas Dienerin Isabella der Amme bei Shakespeare noch am nächsten kommt, allerdings im Verlauf des Dramas ebenfalls keine bedeutende Rolle mehr spielt.

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Liebe auf Distanz: Giulietta (Jomantė Šležaitė) und Romeo (Eduard Martynyuk)

Intendant Guy Montavon hat die Inszenierung zur Chefsache erklärt und lässt die Geschichte zu Lebzeiten des Komponisten spielen. Als Ort der Handlung dient nicht Verona, in dem sich zwei Familienclans bekriegen, sondern ein Internat, in dem es augenscheinlich zwei rivalisierende Jugendgruppen gibt, die ständig aneinander geraten. Jungen und Mädchen werden natürlich getrennt unterrichtet, was erklären soll, weshalb Romeo und Giulietta mit ihrer Liebe Grenzen überschreiten. Der Ausrufer, der am Ende der ersten beiden Akte die kämpfenden Gruppen auseinander treibt und weiteres Blutvergießen unter Strafe stellt, tritt als eine Art Hausmeister auf, der im Internat für Ruhe und Ordnung sorgt. So weit mag Montavons Konzept aufgehen. Aber welche Funktion übernimmt Tebaldo? Ist er Lehrer im Internat? Dafür spricht, dass er im Gegensatz zu den anderen Figuren eine lange Hose trägt, während die Hosen der Schüler knielang sind und die Capuleti einheitliche graue Westen tragen, während die Montecchi in weißen Hemden mit blauen Krawatten und Hosenträgern auftreten. Das würde erklären, wieso Tebaldo es nicht dulden kann, wenn er Romeo nachts im Mädchentrakt bei Giulietta erwischt und es zur tödlichen Auseinandersetzung kommt. Unklar bleibt bei dieser Deutung allerdings, wer die maskierten Frauen sind, die im Klassenzimmer, das Francesco Calcagnini als riesigen Saal mit handschriftlichen Texten, die wahrscheinlich aus Shakespeares Drama stammen, an den getäfelten Wänden plötzlich auftauchen und ihn mit sich nehmen? Soll das die Doppelmoral des Lehrpersonals im Internat anprangern?

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Fatale Begegnung im Schlafsaal der Mädchen: Giulietta (Jomantė Šležaitė), Tebaldo (Siyabulela Ntlale, Mitte) und Romeo (Eduard Martynyuk)

Diskutabel ist auch Montavons Personenregie bezüglich des Liebespaars. Im ersten Akt verweigert er Romeo und Giulietta nahezu jegliche Nähe und lässt sie aus seltsamer Distanz ihre Liebesschwüre vortragen. Berührungen sind hier tabu. Wenn Romeo Giulietta umarmen will, wehrt diese ihn ab. Soll damit gezeigt werden, dass es sich bei den Liebesbeteuerungen nur um jugendliche Schwärmereien handelt, die keinen Gehalt haben? Dann wäre es eher unwahrscheinlich, dass Romeo Tebaldo am Ende des zweiten Aktes tötet. Noch undurchsichtiger wird der dritte Akt, da Montavon hier einfach einen Zeitsprung von 30 Jahren macht. Romeo befindet sich nun als Chauffeur in Mantua auf einer Hochzeit. Der nahende Sturm kündigt die Bomben des Zweiten Weltkriegs an. Was soll denn bitte in der Zwischenzeit passiert sein? Wartet Romeo über 30 Jahre darauf, dass Giulietta nach Mantua kommt? Wieso sollte sich Giulietta erst 30 Jahre später das Leben nehmen, was dann wiederum Romeo veranlasst, nach so langer Zeit trotz des Gewittersturms unverzüglich nach Verona zurückzukehren? An dieser Stelle ist Montavons Ansatz absolut unschlüssig. Wenn er den aufziehenden Krieg für die grandiose Gewittermusik verwenden will, hätte er die ganze Geschichte an den Beginn des Kriegs legen sollen.

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Bewegendes Schlussbild: Giulietta (Jomantė Šležaitė) auf der Treppe als alte Frau und Romeo (Eduard Martynyuk) als alter Mann auf dem Boden

Für das Ende findet Montavon jedoch bewegende Bilder. Ob sich Romeo die Pulsadern aufschneiden muss, ist zwar Geschmacksache, aber wie Giulietta am Schluss in eine Traumwelt entschwindet, ist großes Theater. Auf der Boden befinden sich die riesige Uhr ohne Zeiger, die im ersten Akt noch an der getäfelten Wand hing, und die Treppe, die im ersten Akt aus dem Klassenzimmer führte, nun allerdings unverbunden im Raum steht. Während Romeo stirbt, steigt Giulietta im letzten Duett diese Treppe empor. Dabei wird auf die Rückwand ein fantastisches Blumenmeer projiziert, das die Liebenden in eine Art Paradies entführt. Die Projektion dreht sich um Giulietta, so dass diese schließlich jeden Bezug zur Gegenwart verliert. Am Ende streift sie sich auch die Perücke mit den grauen Haaren ab und verwandelt sich wieder in das junge verliebte Mädchen aus dem ersten Akt. Damit wird deutlich, dass Montavon in seiner Inszenierung Giulietta Romeo in den Tod folgen lässt.

Musikalisch besticht die Oper durch eine Vielzahl an Klangfarben, die den Einfluss von Claude Debussy und Richard Strauss erkennen lassen. Myron Michailidis lenkt das um die Thüringen Philharmonie Gotha verstärkte Philharmonische Orchester Erfurt mit beherzter Hand durch die emotionsgeladene Musik, die stellenweise sehr laut wird und damit den Solisten einiges abverlangt. Grandios gelingt die Sturmmusik im dritten Akt, die Romeos Ritt von Mantua nach Verona sehr lautmalerisch beschreibt. Als Romeo gibt der in der Ukraine geborene Tenor Eduard Martynyuk sein Deutschland-Debüt und begeistert mit sauber ausgesungenen, kräftigen Höhen. Ein Höhepunkt ist seine große Arie im dritten Akt, wenn er zurück nach Verona zu seiner tot geglaubten Giulietta eilt. Ohne Forcieren gelingt ihm eine dramatische Umsetzung. Jomantė Šležaitė steht ihm als Giulietta in nichts nach und punktet mit leuchtenden Höhen und großer Dramatik. Die drei Duette entwickeln sich zu musikalischen Sternstunden des Abends. Siyabulela Ntlale überzeugt als Tebaldo mit markanten Tiefen, auch wenn seine Stimme in den hohen Passagen stellenweise ein bisschen dünn wird. Won Whi Choi stattet den Sänger im dritten Akt mit kräftigem Tenor aus, und auch Margrethe Fredheim, Vazgen Gazaryan, Paul Kroeger und Chao Deng gefallen in den kleineren Partien als Isabella, Ausrufer und Gefolgsleute der Capuleti, Gregorio und Sansone. Der von Andreas Ketelhut einstudierte Opernchor punktet mit kräftigem, homogenem Klang und kann auch in kleinen solistischen Partien überzeugen. So gibt es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten. Auch das Regie-Team erntet für den teilweise recht fragwürdigen Ansatz keine Unmutsbekundungen.

FAZIT

Musikalisch ist diese Oper von Zandonai eine Entdeckung wert, so dass es schön ist, dass man das Werk in einer anderen Inszenierung in dieser Spielzeit auch noch im Staatstheater Braunschweig erleben kann. Guy Montavons Regieansatz ist allerdings Geschmacksache.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Myron Michailidis

Inszenierung
Guy Montavon

Bühne
Francesco Calcagnini

Kostüme
Frauke Langer

Licht
Florian Hahn

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Arne Langer

 

Opernchor des Theaters Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt

Thüringen Philharmonie Gotha


Solisten

*Premierenbesetzung

Giulietta Capuleto
Jomant
ė Šležaitė

Romeo Montecchio
Eduard Martynyuk

Tebaldo Capuleto
Siyabulela Ntlale

Gregorio
Paul Kroeger

Sansone
Chao Deng

1. Mädchen
Christine Greese-Besel /
*Cornelia Ketelhut

2. Mädchen
*Stephanie Johnson /
Barbara Joseph

Ein Bursche
Mark Mönchgesang

Ein anderer Bursche
Jan Rouwen Hendriks

Eine Frau
Nicole Enßle

Ein Montecchio
Won Whi Choi

Ein Ausrufer
Vazgen Gazaryan

Isabella, Giuliettas Magd
Margrethe Fredheim

Der Sänger
Won Whi Choi

Bernabò, ein Wirt
Jan Rouwen Hendriks

Romeos Begleiter
Reinhard Becker

 


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