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Musiktheater
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Sunset Boulevard

Musical in zwei Akten
Buch und Gesangstexte von Don Black und Christopher Hampton,
basierend auf dem Film von Billy Wilder, Deutsch von Michael Kunze

Musik von
Andrew Lloyd Webber

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Neuinszenierung der Bad Hersfelder Produktion von 2011

Premiere im Opernhaus Dortmund am 8. Oktober 2016




Theater Dortmund
(Homepage)
Falscher Traum vom Glück

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk (Stage Picture)

Nachdem man in Dortmund 2014 mit Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar und Alexander Klaws als prominentem Zugpferd in der Titelpartie einen Kassenschlager gelandet hatte, der auch in der vergangenen Spielzeit noch für ausverkaufte Vorstellungen gesorgt hat, hat man sich überlegt, dieses Erfolgsrezept mit der diesjährigen Musical-Produktion zu wiederholen. Die Wahl ist erneut auf Webber gefallen, dessen Musicals wesentlich dazu beigetragen haben dürften, dass in Deutschland neben den staatlich subventionierten Theatern auch kommerzielle Musical-Hochburgen existieren können. Man denke nur an Starlight Express, das seit 1988 in Bochum in der eigens dafür eingerichteten Starlight-Halle läuft, oder Cats und Phantom of the Opera, die viele Jahre die Musical-Landschaft in Hamburg geprägt haben. In Dortmund hat man sich nun für Sunset Boulevard aus dem Jahr 1993 entschieden. Nachdem dieses Stück in Niedernhausen von 1995 bis 1998 lief, wurden die Aufführungsrechte für Stadttheater erst 2010 freigegeben. Als "Stargast" hat man Pia Douwes engagiert, die die Partie der Norma Desmond bereits 2008 bei einer niederländischen Tournee verkörperte. Regie führt, wie bei Jesus Christ Superstar, Gil Mehmert, und während es sich bei Jesus Christ Superstar um eine Koproduktion mit dem Theater Bonn handelte, ist Sunset Boulevard eine Neuinszenierung der Bad Hersfelder Festspiele 2011, die anschließend noch als Landgraf-Produktion durch die Städte tourte. Erstmalig in Deutschland erklingt in Dortmund hingegen die Version für großes Orchester, die Webber für Aufführungen im Opernhaus Göteborg und an der English National Opera verfasste.

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Joe Gillis (Oliver Arno) trifft auf die alternde Stummfilm-Diva Norma Desmond (Pia Douwes).

Die Geschichte basiert auf der gleichnamigen Verfilmung von Billy Wilder aus dem Jahr 1950. Die ehemalige Stummfilm-Diva Norma Desmond träumt, abgeschottet in ihrer Villa auf dem Sunset Boulevard, von ihrem vergangenen Erfolg. Bestärkt wird sie darin von ihrem Butler Max von Mayerling, der als ihr ehemaliger Ehemann und Regisseur versucht, diese heile Welt aufrecht zu erhalten. Als dann durch eine Verstrickung von Zufällen der arbeitslose Schriftsteller Joe Gillis auf ihrem Anwesen landet, hofft sie, in ihm einen Verleger für ihr verfasstes Drehbuch zu finden, das ihr ein Comeback in Hollywood ermöglichen soll. Joe lässt sich in seiner finanziellen Not auf diesen Deal ein und wird sogar Normas Liebhaber. Allerdings arbeitet er im Stillen an einem ganz anderen Drehbuch, das er gemeinsam mit Betty Schaefer, der jungen und hübschen Verlobten seines Freundes Artie Green, in nächtlichen Sitzungen entwickelt. Als Norma eine Einladung zu den Paramount Studios erhält, glaubt sie, nun endlich wieder ins Filmgeschäft einsteigen zu können. Doch Max erfährt, dass man kein Interesse an Norma, sondern nur an ihrem Wagen habe, den man gerne für einen Filmdreh nutzen wolle. Immer schwieriger wird es für ihn, die Wahrheit vor Norma zu verschweigen. Als diese hinter Joes heimliche Treffen mit Betty kommt, versucht sie, die Beziehung zwischen den beiden zu beenden. Doch Joe ist nicht länger bereit, für Norma eine Scheinwelt aufzubauen, und will sie verlassen. Da erschießt Norma ihn. Als die Reporter und die Polizei am nächsten Tag vor der Villa stehen, um Norma abzuführen, glaubt Norma immer noch an ihr Comeback ins Show-Business und bereitet sich auf ihren großen Auftritt vor.

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Norma Desmond (Pia Douwes) träumt von einem Comeback.

Heike Meixner hat für Normas Villa ein beeindruckendes dunkles Bühnenbild entworfen, das schnell für die zahlreichen Szenenwechsel in die Paramount Studios, Schwab's Drugstore oder Bettys Büro verwandelt werden kann. Auf der linken Seite führt hinter einer hohen schwarz-marmorierten Wand mit großen weißen Kerzen als Beleuchtung eine riesige Wendeltreppe auf die Bühne herab, über die Douwes als alternde Hollywood-Stummfilm-Diva ihre Auftritte zelebriert. Ihre opulenten Kostüme, für die ebenfalls Meixner verantwortlich zeichnet, sind in gedeckten Farben gehalten. Im Hintergrund sieht man ein riesiges Fenster mit zahlreichen Scheiben, von denen viele mittlerweile blind sind, was ebenfalls auf den längst vergangenen Ruhm hinweist. Die Rückwand vor diesen Fenstern kann emporgezogen werden und gibt den Blick auf ein Gerüst frei, wenn man sich in den Paramount Studios beim Filmdreh befindet. Außerdem wird der berühmte Schriftzug "Paramount" für die Szenen im Filmstudio auf die Bühne getragen. Ein großes Podest in der Mitte der Bühne fungiert zu Beginn des Stückes als Pool, aus dem die zahlreichen Briefe gefischt werden, die Joe in der letzten Auseinandersetzung mit Norma in das Becken geworfen hat. Einzelne Klappen lassen sich in diesem Boden öffnen und zeigen üppige rote Polster, die zum einen andeuten, dass mit Joe für Norma das Leben in ihre an ein Mausoleum erinnernde Villa zurückgekehrt ist. Zum anderen weisen sie mit der blutroten Farbe aber auch schon auf das tragische Ende hin. Die hohe Stellwand auf der rechten Seite zeigt durch Drehung mal das Zimmer über der Garage, das Joe zunächst in Normas Haus bezieht, und im zweiten Akt das Büro, in dem er mit Betty an seinem eigenen Drehbuch arbeitet, dann die Probebühne 18 des Hollywood-Studios und schließlich riesige Orgelpfeifen, die den musealen Charakter von Normas Anwesen unterstreichen.

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Betty Schaefer (Wietske van Tongeren) verliebt sich in Joe (Oliver Arno).

Hervorzuheben ist auch die Beleuchtung von Stefan Schmidt, dem es gelingt mit nur vier an zwei Stangen befestigten Scheinwerfern die Auto-Verfolgungsjagd im ersten Akt zu simulieren. Die Szenen in Normas Villa sind in unheimlich kaltem Licht gehalten, so dass auch die Beleuchtung suggeriert, dass hier die Zeit stehen geblieben ist, während die Aufnahmen im Studio oder in Schwab's Drugstore am Silvesterabend das pulsierende Leben der jungen Leute in leuchtenden Farben zeigen. Unterstützt wird dies auch noch durch die zeitgenössischen bunten Kostüme, die sich deutlich von Normas Welt abheben. Beeindruckend gelingt auch der Rolls Royce, der sekundenschnell aus mehreren Einzelteilen auf dem Podest in der Mitte der Bühne zusammengesetzt wird und Norma imposant vor den Paramount Studios vorfahren lässt. Ästhetisch schön sind außerdem die zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien, die im letzten Gespräch zwischen Betty und Joe in Normas Villa auf die Bühne getragen werden und auf denen Norma in großen Rollen der Vergangenheit abgebildet sind. Hier wird klar, dass Joe nicht in der Lage ist, sich für Betty aus dem lieb gewonnenen Luxus zu befreien.

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Zerbrochener Traum vom Glück: Norma Desmond (Pia Douwes)

Dass Pia Douwes ein absoluter Star der Musical-Szene ist, wird bereits bei ihrem ersten Auftritt als Norma Desmond deutlich. Ein Teil des Publikums begrüßt sie wie bei einem Popkonzert mit frenetischem Applaus, was an dieser Stelle musikalisch überhaupt nicht vorgesehen ist. Ältere Semester erinnert es vielleicht an das Ohnsorg- oder Millowitsch-Theater, weil dort der erste Auftritt von Publikumslieblingen wie Heidi Kabel oder Willy Millowitsch ebenfalls von Applaus begleitet wurde. Doch das Publikum beruhigt sich schnell und lässt Douwes ihren exaltierten Auftritt, in dem sie auf den Bestatter ihres geliebten Schimpansen wartet. Dabei geht Douwes in der Partie der Norma absolut auf und changiert großartig zwischen ausladender Mimik und Gestik eines Stummfilmstars und bewegenden Gefühlen einer gebrochenen Frau. Bei ihren beiden musikalischen Nummern "Nur ein Blick" ("With One Look") und "Träume aus Licht" ("New Ways to Dream") gibt es im Publikum kein Halten mehr. Hier begeistert Douwes mit großartiger Emotionalität. Bitterböse gelingt hingegen die Nummer "Ein bisschen Leiden" ("Eternal Youth is Worth a Little Suffering"), in der das spielfreudige junge Ensemble als Ärztin, Kosmetikerinnen und Masseurinnen den alternden Star einer Verjüngungskur unterzieht, um Norma für ihr vermeintliches Comeback in Hollywood vorzubereiten. Wenn Douwes dann anschließend mit dem Satz kokettiert, sie habe schon ein halbes Kilo abgenommen, besitzt das traurige Komik. Auch das Finale des Abends geht unter die Haut. Während Douwes zunächst immer noch versucht hat, mit aufwändigen Frisuren zu strahlen, verliert sie nun ihren Glanz. Die grauen Haare werden nicht mehr verborgen, und sie fleht Joe demütig an, bei ihr zu bleiben. Nach dem Schuss auf ihn verliert sie jeglichen Realitätsverlust und lässt sich bei ihrer Verhaftung immer noch von Max einreden, dass die Reporter für ihr ruhmvolles Comeback gekommen sind. Douwes Darstellung ist dabei an Tragik kaum zu überbieten.

Dass der Abend dennoch nicht zu einer One-Woman-Show wird, ist vor allem Oliver Arno, Wietske van Tongeren und Kammersänger Hannes Brock zu verdanken. Arno ist als Joe Gillis ebenfalls eine Idealbesetzung. Sein Aussehen und seine Darstellung lassen gut nachvollziehen, wieso sich sowohl Norma als auch Betty zu ihm hingezogen fühlen. Glaubhaft gestaltet er den inneren Kampf zwischen Gier nach Ruhm und ehrlichen Gefühlen. Dabei wird ihm selbst nicht bewusst, wie das Mitleid für Norma und seine Angst vor der Armut ihn schließlich so tief in die Geschichte ziehen, dass der Ausgang für ihn tödlich ist. Mit großer Stimme präsentiert er den Titelsong "Sunset Boulevard", in dem er zwar die Vorzüge eines Lebens in Luxus besingt, sich andererseits von diesen aber am liebsten abwenden möchte. Van Tongeren gestaltet die Partie der Betty Schaefer mit jugendlichem Charme und hätte eigentlich mit Arno ein ideales Paar abgeben können, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre. Wie Arno und van Tongeren sich während der Arbeit am gemeinsamen Drehbuch allmählich annähern, wird von den beiden eindringlich umgesetzt. Brock legt den Butler Max absolut unnahbar an und gibt die Geheimnisse seiner Vergangenheit, nämlich dass er der ehemalige Regisseur und Ehemann Normas ist und sämtliche Fanpost an sie gefälscht hat, erst nach und nach preis. Dabei schleicht er stets wie ein unheimlicher Schatten durch das Haus und offenbart mit bewegender Stimme in den Songs seine Gefühle für Norma. Auch die kleineren Partien sind mit einem jungen Ensemble ambitioniert besetzt. Ingo Martin Stadtmüller führt die Dortmunder Philharmoniker mit leichter Hand durch einen Webber-Sound, der die Melancholie des Stückes unterstreicht und die emotionsgeladenen Melodien wunderbar zur Geltung bringt. So gibt es am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten, in die sich auch das Regie-Team zu Recht mit einreiht.

FAZIT

Diese Musical-Produktion dürfte in Dortmund wieder ein absoluter Kassenschlager werden, die auch Fans des "kommerziellen" Musicals begeistern dürfte. Dabei ist der Eintritt wesentlich günstiger als beispielsweise bei Tarzan in Oberhausen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Ingo Martin Stadtmüller /
Manuel Pujol

Regie
Gil Mehmert

Choreographie
Melissa King

Bühne und Kostüme
Heike Meixner

Licht
Stefan Schmidt

Sound-Design
Marc Schneider-Handrup

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek

 

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Norma Desmond
Pia Douwes

Joe Gillis
Oliver Arno

Betty Schaefer
Wietske van Tongeren

Max von Mayerling
Ks. Hannes Brock

Artie Green
Morgan Moody

Cecil B. DeMille
Hans Werner Bramer

Sheldrake u. a.
Daniel Berger

Manfred u. a.
Joshua Whitener

Lisa / Kosmetikerin
Lina Gerlitz

Heather / Masseurin
Sarah Wilken

Jean / Haremsgirl / Masseurin
Yara Hassan

Ursula / Haremsgirl / Ärztin / Reporter
Anneke Brunekreeft

Katherine / Astrologin
Natascha Valentin

Joanna / Kosmetikerin
Martina Vorsthove

Mary / Psychologin
Charlotte Katzer

Schuledneintreiber / Richard T. / Verkäufer
Alexander Sasanowitsch

Jonesy / Hog-Eye
Henry Lankester

John / Verkäufer
Marvin Schütt

Sammy / Verkäufer
Anton Schweizer

Cliff / Verkäufer
Pascal Cremer

Wunderkind / Orlando / Verkäufer
Tomas Stitilis


Weitere
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Theater Dortmund
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Da capo al Fine

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