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Otello

Melodramma in vier Akten
Libretto von Arrigo Boito nach William Shakespeare
Musik von
Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 26. März 2017




Theater Dortmund
(Homepage)
Otello Rot-Weiß

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk (Stage Picture)

Eigentlich wollte Giuseppe Verdi nach Aida keine neuen Opern mehr komponieren. Dass es dennoch anders kam, ist wohl auch Arrigo Boito zu verdanken, den Verdi nicht nur als Komponisten des Mefistofele, sondern auch als Librettisten schätzte. Nachdem Boito Verdi zunächst einen revidierten Text zur Überarbeitung seiner Oper Simon Boccanegra vorgelegt hatte, schrieb er ihm einige Jahre später auf Shakespeares Drama Othello ein Libretto, das Verdi einfach nicht ausschlagen konnte, und so schuf Verdi im Alter von 74 Jahren ein Meisterwerk, das noch dichter komponiert ist als die vorhergehenden Opern und neue Wege beschreitet. George Bernard Shaw soll einmal geäußert haben, dass Verdis Otello eigentlich keine italienische Oper im Stil von Shakespeare sei, sondern Shakespeare mit seinem Drama die spätere Oper bereits vorausgeahnt habe.

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Jago (Sangmin Lee, rechts) redet Otello (Lance Ryan, 2. von rechts) ein, dass Desdemona (Emily Newton, links mit Almerija Delic als Emilia) untreu sei.

Eine Kernfrage, mit der sich jeder Regisseur sowohl der Oper als auch des Dramas auseinandersetzen muss, dreht sich um die Hautfarbe der Titelfigur. Soll der "Mohr von Venedig" dunkelhäutig dargestellt werden oder liegt das Dunkle tief im Innern seines Charakters? Jens-Daniel Herzog entscheidet sich in seiner Inszenierung, den dunklen Dämon im Innern der Titelfigur zu suchen, und präsentiert dem Publikum die Figur "weiß", oder besser gesagt "rot-weiß". Denn Blut spielt in Herzogs Inszenierung eine zentrale Rolle und fließt in dem klinisch weißen Bühnenbild von Mathis Neidhardt in Strömen. Zunächst sieht man den aus dem Sturm geretteten Otello, wie er auf der Bühne einen riesigen Wolf erlegt und diesem den Kopf mit einem Messer abtrennt. Dieser Kopf wird später als Trophäe an der Rückwand aufgehängt. Dass der Wolf als Symboltier der Turkvölker für Otellos Sieg über die Türken steht, erschließt sich dabei nicht jedem. Jedenfalls hat Otello von diesem Kampf wohl auch zahlreiche Wunden davongetragen, die auf seinen Schläfen in dunkelroten Krusten sichtbar sind, und auch unter seiner Uniform ist sein Körper mit blutigen Wunden übersät. Roderigo wird bei der kämpferischen Auseinandersetzung mit Cassio mal eben die Nase gebrochen, und Otello knallt Jago in rasender Wut mit dem Kopf vor die weiße Wand, so dass auch hier das Blut in Strömen fließt. Da erklärt es sich natürlich von selbst, dass Otello seine Frau Desdemona am Ende nicht erwürgt, sondern mit einem Dolch mehrmals niedersticht.

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Jago (Sangmin Lee, Mitte mit Marc Horus als Cassio, links) liefert Otello (Lance Ryan, rechts) den scheinbaren Beweis.

Auch Herzogs Personenregie wirft zahlreiche Fragen auf. So wirkt Desdemona in ihrem silbergrauen Kostüm einer First Lady nicht ganz so devot, wie man es aufgrund der Textvorlage und der Musik erwarten würde. Emily Newton nimmt man es eigentlich in ihrer Darstellung nicht ab, dass sie sich derartige Demütigungen gefallen lassen würde, geschweige denn sich im letzten Akt verzweifelt ihrem Schicksal ergibt. Während sie ihr berühmtes Lied von der Weide "Piangea cantando" mit dem anschließenden "Ave Maria" im vierten Akt singt, befindet sich Otello schon längst im Zimmer. Dabei legt sie sich auch nicht schlafen, sondern versucht, ihrem Mann zu entkommen, der sie jedoch brutal niedersticht. Dass sie ihn nach mehreren Stichen bittet, sie nicht zu töten, wirkt absolut unglaubwürdig. Ähnlich problematisch ist die Personenregie bei Emilia, die das ganze Drama augenscheinlich nur im Suff ertragen kann. Wieso sie Cassio im dritten Akt derart plumpe Avancen macht, während er auf eine Aussprache mit Otello wartet, ist völlig unmotiviert. Auch dass sie am Ende neben ihrem Mann kauert, während Otello Desdemona umbringt, und sich dann entschließt, die ganze Intrige aufzudecken, wirkt konstruiert.

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Eklat vor versammeltem Hof: Otello (Lance Ryan) und Desdemona (Emily Newton) (im Hintergrund links: Cassio (Marc Horus), hinten: Ludovico (Karl-Heinz Lehner))

Mathis Neidhardt konzipiert den Raum als eine riesige Guckkastenbühne mit weißen, kahlen Wänden, wobei der Raum mit drei Zwischenwänden, die nach vorne gefahren werden, noch einmal unterteilt werden kann. Ganz links entsteht dabei eine Art Wartesaal. In der Mitte befindet sich die Schaltzentrale der Macht mit dem riesigen Wolfskopf an der Rückwand, einem mit Gold verzierten Tisch und zwei roten Stühlen. Der nächste schmale Raum ist eine Art Bad mit einem Waschbecken, das im ersten Akt bei der feierlichen Begrüßung Otellos noch auf dem Bühnenboden liegt, bevor Jago es schließlich an der herausgefahrenen Wand befestigt. Ganz rechts sieht man dann einen schmalen Raum mit zwei braunen Sesseln. Hier beobachtet Jago, wie seine Intrige aufgeht, und natürlich darf die obligatorische Zigarette an dieser Stelle nicht fehlen. Dieser Bühnenaufbau zwingt die Solisten zu häufigem Rampensingen. Die Kostüme von Sibylle Gädeke sind mit den dunkelblauen Uniformen der Hauptmänner recht modern gehalten. Die Videoprojektionen während des Sturms zu Beginn der Oper erwecken den Eindruck, dass Otello aus einer U-Boot-Schlacht zurückkehrt.

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Mörderische Jagd im Schlafzimmer: Otello (Lance Ryan) und Desdemona (Emily Newton)

Erntet das Regie-Team für diesen Ansatz auch vereinzelte Unmutsbekundungen, gibt die musikalische Umsetzung keinen Grund zur Klage. Gabriel Feltz lässt mit den Dortmunder Philharmonikern direkt zu Beginn der Oper einen regelrechten Orkan aus dem Orchestergraben erklingen. Der von Manuel Pujol hervorragend einstudierte Opern- und Extrachor des Theaters Dortmund, der zur Sturmmusik durch die Zuschauereingänge eintritt, bringt den Saal mit gewaltigem Klang regelrecht zum Beben. Auch auf der Bühne macht der Chor stimmlich und darstellerisch eine gute Figur. Bei Lance Ryan in der Titelpartie gibt es Licht- und Schattenseiten. Stellenweise muss er gerade in den hohen Passagen stark forcieren, so dass sein Tenor nicht an allen Stellen strahlenden Glanz entwickeln kann. Zwar findet er mit Emily Newton als Desdemona gerade im bewegenden Duett des ersten Aktes stimmlich zu einer betörenden Innigkeit, die die beiden szenisch allerdings in Herzogs Personenregie nicht richtig ausspielen dürfen. Newton begeistert mit leuchtendem Sopran und inniger Wärme, auch wenn man ihr das leidende junge Mädchen nicht wirklich abnimmt.

Star des Abends ist Sangmin Lee als Bösewicht Jago. Mit dunkler Schwärze arbeitet er das Dämonische der Figur glaubhaft heraus. Sein erschütterndes "Credi in un Dio crudel" geht in der Intensität durch Mark und Bein, und man kann vor dieser Figur richtig Angst bekommen. Wenn er sich am Ende der Oper in Otellos Todesszene über diesen lustig macht, indem er ihn mit übertriebenen theatralischen Gesten karikiert, passt das zwar eigentlich nicht zum Libretto, da Jago zu dieser Zeit schon längst geflohen ist, belustigt allerdings nicht nur den Chor, der in dieser Szene wieder im Publikum steht und aus der Position der Zuschauer Otellos Ende beobachtet. Almerija Delic überzeugt als Jagos Gattin Emilia mit sattem Mezzo. Auch die übrigen Partien des Cassio (Marc Horus mit hellem Tenor), Roderigo (Fritz Steinbacher), Montano (Luke Stoker) und Ludovico (Karl-Heinz Lehner) sind gut besetzt, so dass es am Ende großen Applaus für die Solisten, den Chor und die Musiker gibt. Beim Regie-Team halten sich Begeisterung und Unmutsbekundungen die Waage.

FAZIT

Musikalisch ist dieser Otello hörenswert, szenisch kann er nicht wirklich überzeugen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Regie
Jens-Daniel Herzog

Bühne
Mathis Neidhardt

Kostüme
Sibylle Gädeke

Licht
Ralph Jürgens

Chor
Manuel Pujol

Dramaturgie
Hans-Peter Frings
Georg Holzer

 

Dortmunder Philharmoniker

Opern- und Extrachor
des Theaters Dortmund

Statisterie des Theaters Dortmund

 

Solisten

Otello
Lance Ryan

Desdemona
Emily Newton

Jago
Sangmin Lee

Cassio
Marc Horus

Roderigo
Fritz Steinbacher

Ludovico
Karl-Heinz Lehner

Montano
Luke Stoker

Emilia
Almerija Delic

Herold
Youngbin Park

 


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Theater Dortmund
(Homepage)



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