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Getanzte Passion Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß (Stage Pictures)
Der Dortmunder Bachchor an St. Reinoldi feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Da verwundert es nicht, dass man anlässlich dieses Jubiläums ein ganz besonderes Programm zusammengestellt hat. So beginnt das Jubiläumsjahr mit Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion, die mit der Doppelchörigkeit, den zwei Orchestern und fünf Solisten nicht nur das am stärksten besetzte, sondern auch gemessen an der Länge das umfangreichste Werk in Bachs Schaffen darstellt. Doch um das Projekt noch außergewöhnlicher zu machen, hat man den Ballettdirektor des Ballett Dortmund, Xin Peng Wang, gewinnen können, um die Passion mit Tanz zu bebildern, und so gibt es an diesem Abend in St. Reinoldi nicht nur etwas zu hören, sondern auch viel zu sehen. Durch den aufwändigen Aufbau der Bühne muss zwar an diesem Wochenende der Gottesdienst in der Kirche ausfallen, aber schließlich, so Chorleiter Klaus Eldert Müller in seiner kurzen Ansprache bei der Derniere, handele es sich bei der Passion ja in gewisser Weise auch um eine Art "Gottesdienst". Bachs Matthäus-Passion erzählt den Leidensweg Christi nach den Kapiteln 26 und 27 des Matthäus-Evangeliums in der Übersetzung Martin Luthers. Der Librettist C. F. Henrici, genannt Picander, hat die Bibelverse um kommentierende und betrachtende Rezitative, Arien und Chören ergänzt. Außerdem hat Bach selbst noch Strophen aus bekannten Passionschorälen eingefügt. Xin Peng Wang konzentriert sich in seiner Choreographie auf eine Bebilderung der Arien und der rahmenden Chöre, während er die eigentliche Passionserzählung größtenteils unkommentiert lässt. Für den Tanz ist eine kreuzförmige Bühne angelegt worden, die den Chor und das Orchester in zwei Einheiten teilt. Stellvertretend für die Gemeinde stimmen weitere Chormitglieder aus dem Hintergrund der Bühne bei den Chorälen mit ein. Der Evangelist, der in den Rezitativen die Geschichte erzählt, steht links hinten. Der Bass I, der die Partie des Jesus singt, befindet sich auf der rechten Seite im Hintergrund. Die weiteren Figuren, die vom Sopran, Alt und Bass II verkörpert werden, treten in der Regel vor dem Orchester auf der Bühne auf. Die Tänzerinnen und Tänzer sind von Emine Güner in weiße lange Gewänder gekleidet, wobei die Männer in einzelnen Szenen auch mit nacktem Oberkörper auftreten. Tess Voelker (vorne) und die Tänzerinnen des NRW Juniorballetts Dortmund Auf einer Leinwand im Hintergrund wird die Geschichte durch teilweise recht abstrakte Projektionen bebildert. Zu Beginn sieht man eine Art dunkles All, das an den Anfang der Schöpfungsgeschichte erinnert. Wenn die Passion beginnt, wird ein kreisrundes Kirchenfenster auf die Leinwand projiziert, das in stilistischem Einklang mit den Fenstern der St. Reinoldi-Kirche steht. Im weiteren Verlauf sieht man angedeutete Gestalten, bei denen es sich vielleicht um die Jünger handeln könnte, die mit Jesus das letzte Abendmahl feiern. Ein Kelch entsteht auf der Leinwand, in den einzelne Tropfen hinabfallen. Die Figuren sind ebenfalls zu sehen, wenn Jesus vor dem Hohen Rat steht. Später sind die Tropfen dann blutrot und symbolisieren wohl das Leiden Christi auf dem Weg zur Kreuzigung. Am Ende wird dann wieder das Kirchenfenster gezeigt. Der Leidensweg ist nun zu Ende und hat die Menschen im Glauben an Jesus vereint. Auch diese Bilder verleihen der Aufführung einen besonderen Reiz. Dayne Florence (Mitte) umringt von den Tänzerinnen des NRW Juniorballetts Dortmund, hinten rechts: Harald Martini (Jesus) Hinzu kommen die sieben Tänzerinnen und fünf Tänzer des NRW Juniorballett Dortmund. Beim Eingangschor "Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen" treten zunächst die Tänzerinnen auf und setzen die Klagen der Frauen mit weichen Bewegungen um, bevor die Tänzer hinzukommen und sich alle gemeinsam die Frage stellen "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen". Wang findet in seiner Choreographie eindringliche Bilder. Bei der zweiten Szene, dem Abendmahl, sind dann nur die Tänzer auf der Bühne und verkörpern wohl die Jünger, die mit Jesus das letzte Mal einnehmen. Leider sind die Bewegungen der Tänzer nicht von allen Plätzen in der Kirche gut einsehbar. Da die Reihen in der Kirche keinerlei Anstieg haben, ist es in den hinteren Reihen und auf den Seiten nahezu unmöglich, den Tanz in seiner ganzen Schönheit zu bewundern, besonders wenn sich die Tänzer wie in der vierten Szene "Jesus vor dem Hohen Rat" fast nur auf dem Boden bewegen. In der sechsten Szene endet der Tanz nach der Bass-Arie "Komm, süßes Kreuz", und der weitere Leidensweg wird ohne Ballett gezeigt. Erst beim Schlusschor tritt das gesamte Ballett noch einmal auf. Nun tragen die Tänzerinnen und Tänzer ein weißes Licht vor sich her, das ihnen neue Hoffnung spenden soll. Musikalisch leistet der Dortmunder Bachchor an St. Reinoldi Beachtliches und macht deutlich, dass er mit der Akustik der Kirche sehr vertraut ist. So gehen die Choräle mit sauberer Diktion und bewegender Interpretation unter die Haut und machen der Bedeutung des Wortes "Passion" alle Ehre. Ein musikalischer Höhepunkt neben den berühmten Chorälen "Ich will hier bei dir stehen" (3. Szene: Gethsemane), "Befiehl du deine Wege" (5. Szene: Jesus vor Pilatus), "O Haupt voll Blut und Wunden" und "Wenn ich einmal soll scheiden" (beides 6. Szene: Kreuzigung und Grablegung) ist vor allem der lautmalerische Doppelchor "Sind Blitze und Donner in Wolken verschwunden?" (3. Szene: Gethsemane) hervorzuheben, bei dem der Chor das drohende Unheil, unterstützt durch flackerndes Licht, spürbar macht. Klaus Eldert Müller führt als Leiter des unterteilten Chores beide Seiten zu einem homogenen Klangkörper zusammen. Leider ist der Tenor Markus Francke als Evangelist nicht immer gut zu verstehen, was bei den zahlreichen Passagen, die er zu singen hat, durchaus problematisch ist. Vielleicht hätte er weiter vorne in der Kirche positioniert werden sollen. Harald Martini stattet die Figur des Jesus mit samtweichem Bass und hervorragender Textverständlichkeit aus. Gregor Finke tritt in seiner Bass-Arie "Gebt mir meinen Jesum wieder!" (5. Szene: Jesus vor Pilatus) in einen betörenden Dialog mit der Sologeige. Leider fehlt ihm bei seiner letzten Arie "Mache dich, mein Herz rein" am Ende etwas das Volumen in der Tiefe, um dem Wort "begraben" die ihm gebührende Bedeutung zu geben. Maria Hilmes überzeugt mit kräftigem Mezzo. Hervorzuheben ist ihre Arie "Erbarme dich, mein Gott" (4. Szene: Jesus vor dem Hohen Rat), die sie zur Sologeige anstimmt und die von vier Tänzern bewegend bebildert wird. Martina Schilling gestaltet die 1. Magd, die Frau des Pilatus und die Sopran-Arien mit leuchtenden Höhen und klarer Diktion. Das Barockorchester Consortium Musica Sacra Köln, das ebenfalls von Klaus Eldert Müller geleitet wird, klingt stellenweise etwas dünn. Gerade die Bläser scheinen an einzelnen Stellen leichte Probleme mit der Akustik zu haben. Insgesamt kann das den musikalischen Genuss allerdings kaum schmälern, und so gibt es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten. FAZITXin Peng Wang findet mit seinen Tänzerinnen und Tänzern bewegende Bilder zu Bachs Matthäus-Passion. Der Bachchor wird mit diesem Konzert seinem Namen mehr als gerecht. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreographie
Kostüme
Dortmunder Bachchor an St. Reinoldi
Barockorchester
Solisten
Sopran (1. Magd, Pilati Weib, Arien)
Alt (2. Magd, Arien)
Tenor (Evangelist, Arien)
Bass I (Jesus)
Bass II (Judas, Petrus, Pilatus, Arien) Tänzerinnen und Tänzer
Ester Ferrini
Giovanni Cusin
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