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Musiktheater
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West Side Story

Musical in zwei Teilen
Buch von Arthur Laurents nach einer Idee von Jerome Robbins
Songtexte von Stephen Sondheim, deutsche Fassung von Frank Tannhäuser und Nico Rabenald
Musik von Leonard Bernstein

Songs in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln (Dialoge in deutscher Sprache)

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 2. Dezember 2015




Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Unter der Autobahnbrücke


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Seit der zum Ende der Spielzeit scheidende Opernintendant Toshiyuki Kamioka die Leitung der Musiktheatersparte in Wuppertal übernommen hat, hat er sich auf das klassische Opernrepertoire beschränkt. Operetten gab es unter seiner Leitung genauso wenig wie Musicals. Nun steht mit Leonard Bernsteins West Side Story nicht nur ein Meilenstein der Gattung Musical auf dem Programm, sondern es gibt auch bis Anfang Januar 2016 insgesamt 22 Vorstellungen, so dass das Stück in diesem Zeitraum in einer Häufigkeit präsentiert wird, die man ansonsten nur aus dem kommerziellen Musicalbereich der Stage Entertainment kennt. Und betrachtet man den enormen Aufwand an Tanzchoreographien und tontechnischer Ausstattung, der hier betrieben wird, kann diese Produktion es auch durchaus mit den kommerziellen Musicaltempeln aufnehmen. Ein nicht zu unterschätzender Unterschied besteht allerdings darin, dass die Eintrittspreise in Wuppertal wesentlich günstiger sind und hier ein absoluter Klassiker geboten wird. Natürlich kann man so ein Stück nicht mit einem Opernhaus-Ensemble besetzen, aber das gibt es ja in Wuppertal derzeit nicht mehr beziehungsweise noch nicht wieder.

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Jets (links mit Riff (Christopher Brose, oben) und von links: Big Deal (Benny Tyas), Snowboy (Patrick Stauf), Action (Andres Esteban), Diesel (Alex Hyne), Baby John (Benjamin A. Merkl), Anybodys (Sabrina Reischl) und A-Rab (Martin Ruppel)) kämpfen mit den Sharks (rechts mit Bernardo (Vladimir Korneev, oben) und von links: Pepe (Tim McFarland), Chino (Kevin Reichmann), Anxious (Michael Sattler), Indio (Oriol Sanchez i Tula) und Louis (János Harót)) um die Vormachtstellung auf der Straße (im Hintergrund Mitte: Tony (Gero Wendorff)).

Statt dessen hat man hier eine Crew hochkarätiger Musicaldarsteller verpflichtet, die nicht nur musikalisch sondern auch tänzerisch auf ganzer Linie überzeugen. Bereits im Orchestervorspiel lassen die einheimischen Jets und die südamerikanischen Sharks unter einer schäbigen Betonbrücke irgendwo in der Gegenwart in einer perfekt abgestimmten Choreographie von Christopher Tölle ihre gegenseitigen Anfeindungen zum Vorschein kommen, die sich zu den leicht aggressiven Klängen langsam zu einer kämpferischen Auseinandersetzung hochschaukeln, die vom Officer Krupke und dem zwielichtig dargestellten Shrank zunächst im Zaum gehalten werden. Dietmar Nieder macht mit herrlich unsympathischem Spiel deutlich, dass er bei aller Ablehnung gegen die Straßenkinder die einheimischen Jugendlichen dennoch den Ausländern vorzieht. Da muss das Regieteam zur Aktualisierung des Themas kaum noch einen Beitrag leisten. Claus Renzelmann wirkt als Officer Krupke leicht tumb, so dass klar wird, dass diese Art von Gesetzeshütern den öffentlichen Frieden nicht sichern kann. So ist es kein Wunder, dass die orientierungslosen Jugendlichen in den Erwachsenen keine Vorbilder sehen und ihren eigenen Weg gehen. Auch Stefan Gossler findet als sympathischer, aber charakterlich schwacher Doc keinen Zugang zu den Jugendlichen.

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Zwischen Riff (Christopher Brose, links vorne) und Bernardo (Vladimir Korneev, rechts vorne) wird es ernst (im Hintergrund: Jets (links) und Sharks (rechts)).

Cary Gayler hat ein Einheitsbühnenbild unter einer grauen Betonbrücke entworfen. Auf der linken Seite befindet sich eine mit Graffiti besprühte Garage, die mit zahlreichen Bierkästen Docs Laden darstellt. Hier arbeitet Tony (Gero Wendorff), der gemeinsam mit Riff (Christopher Brose) die Jets gegründet, sich nun aber von ihnen distanziert hat, um seinem Leben eine neue Perspektive zu geben. Die findet er dann auch zunächst in Maria (Martina Lechner), der Schwester des Sharks-Anführers Bernardo. Das Haus in dem Maria wohnt wird in der Mitte der Bühne im Hintergrund mit einem ebenfalls grauen Gebäude und einem großen Fenster angedeutet. Auf der rechten Seite befindet sich eine weitere Garage, die für Auf- und Abgänge genutzt wird und in der sich, so suggeriert Anita (Sarah Bowden) im ersten Akt, die Autos der Puertoricaner befinden. Während Heike Seidler bei den Kostümen für die puertoricanischen Mädchen mit kurzen Röcken und aufreizenden Tops noch relativ klassisch arbeitet, wirken die Jets optisch wie Jugendliche, auf die man heute so auch in zahlreichen nicht ganz so vornehmen deutschen Vierteln treffen könnte. Die Mädchen der Jets tragen keine Röcke, sondern eng anliegende knallige Leggings. Auch die Tanzsprache ist bei den Jets in modernen Bewegungen gehalten.

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"A Boy Like That": Anita (Sarah Bowden, links) und Maria (Martina Lechner, rechts)

Dass es der Inszenierung in diesem Bild gelingt, auch ganz andere Orte wie beispielsweise den Tanzclub zu zeichnen, ist dem großartigen Lichtdesign von Pia Virolainen zu verdanken. So erzeugt sie beim Mambo eine bunte Atmosphäre, die wunderbar mit den lateinamerikanischen Klängen korrespondiert. Wenn Maria und Tony in diesem Club erstmals aufeinander treffen, friert die Szene komplett ein. Nicht nur das Lichtspiel scheint den Lauf der Zeit um die beiden herum anzuhalten, auch die anderen Darsteller bewegen sich nicht mehr, so dass Tony und Maria eine bewegende erste Begegnung im Club haben. Für die Kampfszenen schafft Virolainen eine düstere, neblige Atmosphäre, die den grenzenlosen Hass noch unterstützt. Aus den Bodenöffnungen steigt kalter Rauch auf, der die Darsteller gespenstisch einhüllt. Auch die Zigaretten und das Rauchen spielen zum Ausdruck eines coolen Auftretens eine entscheidende Rolle. Wenn Tony am Ende tot in Marias Armen liegt, wird die ganze Kulisse in eine Hochhausprojektion mit zahlreichen erleuchteten Fenstern getaucht. Das Geschehene scheint also plötzlich von 1000 Augen beobachtet zu werden.

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Maria (Martina Lechner, Mitte vorne) trauert um Tony (Gero Wendorff, Mitte vorne) (rechts und links: Sharks und Jets).

Ein wenig abstrakt wirkt die Szene in dem Laden, in dem Maria als Näherin arbeitet. Katja Wolff verzichtet in ihrer Inszenierung vollständig auf irgendwelche Ankleidepuppen, die dann in Marias und Tonys Spiel ihre Eltern andeuten und ihren Traum einer glücklichen Zukunft zumindest für einen kurzen Moment Wirklichkeit werden lassen. Doch gerade weil in dieser Szene keinerlei Requisiten vorhanden sind, wird die Illusionslosigkeit der Beziehung zwischen Tony und Maria unterstrichen. Auch der nach der Versöhnung zwischen den beiden auf offener Bühne angedeutete Sex wirkt kalt und emotionslos. Interessant ist Wolffs Ansatz bei Marias berühmtem Song "I Feel Pretty". Erinnert man sich im Film an eine durch wunderschöne Kleider tänzelnde Natalie Wood, lässt Wolff Martina Lechner stark alkoholisiert auftreten. Gemeinsam mit den anderen Mädchen nimmt sie damit diesem lieblichen Lied den Kitschfaktor und gibt der Deutung dieses Songs einen ganz neuen Aspekt. Großartig choreographiert ist dann der Klassiker "Somewhere". Hier treten Jets und Sharks nach dem tragischen Tod von Riff und Bernardo wie in Trance auf und bilden vor Tony und Maria eine Reihe, die von einer nicht erreichbaren Einheit träumt. Auch musikalisch gehört diese Nummer zu den ganz großen Momenten des Abends.

Neben Martina Lechner, die als Maria mit mädchenhaftem Spiel und sauber angesetzten Höhen überzeugt, und Gero Wendorff, der als Tony in den Höhen über ein kräftiges Volumen verfügt, nur bei den Übergängen bisweilen ein bisschen schwächelt, begeistert vor allem Sarah Bowden als Anita. Darstellerisch zeichnet sie Bernardos Freundin mit viel Sex-Appeal und einem herrlich frechen Mundwerk, das von einer gewissen Überlegenheit zeugt, die sie auch in der großartig angelegten Nummer "America" den anderen Sängerinnen gegenüber ausspielt. Regelrecht verträumt wirkt sie im großen Ensemble "Tonight", wenn sich Sharks und Jets auf den Kampf vorbereiten und sie von ihrem Zusammentreffen mit Bernardo nach dem Kampf träumt. Einsam steht sie da im Hintergrund der Bühne und weiß sich stimmlich gegen den Rest wunderbar zu behaupten. Großartig gelingt ihr auch das eindringliche Duett mit Maria, "A Boy Like That", in dem sie Maria zunächst für ihre Gefühle für Tony verurteilt und dann am Ende doch einbricht und sich bereit erklärt, Tony vor Chino zu warnen. Wie sie dann durch die schonungslos auf der Bühne inszenierte Gewalt der Jets doch von diesem Vorhaben abweicht und Tony die fatale Nachricht zukommen lässt, Maria sei tot, zeigt Bowdens großartige Wandlungsfähigkeit, da die Jets es nun doch geschafft haben, ihren Stolz zu brechen.

Vladimir Korneev macht als Bernardo genauso eine gute Figur wie Christopher Brose als sein Gegenspieler Riff und die kompletten Jets, von denen an dieser Stelle Sabrina Reischl als Anybodys erwähnt werden soll, die mit eindringlichem Spiel ihren Kampf um einen Platz in der Gang deutlich macht, oder Andres Esteban als Action, der mit unbändigem Bewegungsdrang versucht,  seinen Aggressionen freien Lauf zu lassen. Benjamin A. Merkl wird seinem Namen Baby John als Angsthase wunderbar gerecht. Den Song "Officer Krupke" im Gegensatz zu den anderen Songs auf Deutsch zu präsentieren, ist eine kluge Entscheidung, da bei der deutschen Übersetzung der Zynismus des Textes erhalten bleibt und man somit mehr versteht, als wenn man an dieser Stelle die Übertitel hätte verfolgen müssen. So kann man sich bei dieser Nummer vollkommen auf die großartige Choreographie der Jets mit den leeren Bierkästen einlassen. Christoph Wohlleben zaubert aus dem Orchestergraben mit dem Sinfonieorchester Wuppertal einen in jedem Moment packenden Musical-Sound, so dass es am Ende für alle Beteiligten stehende Ovationen gibt.

FAZIT

Die Wuppertaler Bühnen haben mit dieser Musical-Produktion einen richtigen Renner im Programm, der hoffentlich bei allen angesetzten 22 Vorstellungen für ein ausverkauftes Haus sorgt. Dem Haus würde es sehr gut tun, und die Produktion hat es wirklich verdient.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Wohlleben

Regie
Katja Wolff

Choreographie
Christopher Tölle

Bühne
Cary Gayler

Kostüme
Heike Seidler

Lichtdesign
Pia Virolainen

 

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Maria
Martina Lechner

Tony
Gero Wendorff

Anita
Sarah Bowden

Riff
Christopher Brose

Bernardo
Vladimir Korneev

Shrank
Dietmar Nieder

Doc
Stefan Gossler

Krupke
Claus Renzelmann

Jets

Graziella
Fanny Hoffmann

Velma
Veronika Enders

Clarice
Sanne Buskermolen

Pauline
Vicki Douglas

Minnie
Julia Waldmayer

Anybodys
Sabrina Reischl

Action
Andres Esteban

A-Rab
Martin Ruppel

Big Deal
Benny Tyas

Baby John
Benjamin A. Merkl

Diesel
Alex Hyne

Snowboy
Patrick Stauf

Sharks

Rosalia
Andrea Sanchez del Solar

Consuelo
Joana Henrique

Teresita
Theano Makariou

Estella
Ahou Nikazar

Marguerita
Lara de Toscano

Chino
Kevin Reichmann

Indio
Oriol Sanchez i Tula

Louis
János Harót

Anxious
Michael Sattler

Pepe
Tim McFarland

Weitere Rollen

Male Swing / Dance Captain
Vanni Viscusi

Female Swing
Jane Reynolds


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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