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Musiktheater
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Água

Ein Stück von Pina Bausch

In Koproduktion mit Brasilien, dem Goethe Institut Sao Paulo und Emilio Kalil
Musik: Brasilianische Unterhaltungsmusik mit Baden Powell, Caetano Veloso, David Byrne, Gilberto Gil, Bebel Gilberto, Nana Vasconcelos, Antonio Carlos Jobim, Luiz Bonfa, Bob Brookmeyer, Tom Ze, Grupo Batuque, Carlinhos Brown und Rosanna & ZeIia, Unterhaltungsmusik mit Susana Barca, Amon Tobin, Bugge Wesseltoft, Sidsel Endresen, Julien Jacob, Mickey Hart, Tom Waits, Lura, The Tiger Lillies, St Germain, Leftfield, Troublemakers, PJ Harvey, Kenny Burrell und Ike Quebee

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Wiederaufnahme im Opernhaus Wuppertal am 21. April 2016
(Uraufführung am 12. Mai 2001 im Opernhaus Wuppertal)


Logo: Tanztheater Pina Bausch

Tanztheater Wuppertal
(Homepage)
Die unzähmbare Natur lauert

Von Stefan Schmöe

Man wird einer gewaltigen Bilderflut ausgesetzt in diesem Brasilien-Stück. Bühnenbildner Peter Pabst hat die Bühne mit einer halbkreisförmigen weißen Wand abgeschlossen, den Mittelteil etwas nach hinten versetzt, sodass die Tänzerinnen und Tänzer dort zwei Öffnungen für Auf- und Abtritte haben, und auf diese weiße Fläche und den gesamten Bühnenboden werden fast durchgehend Videosequenzen eingespielt. Überwiegend sind das Landschafts-, vereinzelt Tieraufnahmen, teilweise überlebensgroß -und meist in Bewegung, wodurch das Auge kaum zur Ruhe kommt. Man wird wie aufgesogen durch diese Bilder, und es ist nicht immer leicht, mit dem Blick den Tänzern zu folgen. Die wenigen Momente, in denen die Projektionen wegfallen und die Bühne in einem magisch warmen Weiß erstrahlt, sind Ruhe- und Höhepunkte.

Szenenfoto Regina Advento (Foto: © Ursula Kaufmann)

In der langen Eingangssequenz sieht man Palmen, die sich im Wind biegen, und das ist beinahe körperlich spürbar. Água ist 2001 in Brasilien entstanden, und die Eindrücke, auf denen die Choreographie aufbaut, kreisen um Strand und Wasser einerseits, später gewinnt der Regenwald zunehmend an Bedeutung, um ein von Leichtigkeit, aber auch stark von Erotik geprägten Lebensgefühls andererseits. In einer Szene posiert das Ensemble mit Handtüchern, auf denen nackte Körper (mit üppigen Formen) abgebildet sind, ein ironisches Zur-Schau-Stellen eines absurden Körperkults. Es gibt ein Pärchen, das sich intensiv küsst, ein anderes zieht sich unter eine (durchsichtige) Plane zurück - das ist von einer direkten Körperlichkeit, die nicht mehr die ritualisierten Mechanismen der frühen Bausch-Stücke besitzt.

Szenenfoto

Ensemble (Foto: © Ursula Kaufmann)

Dann arrangiert sich das Ensemble zur Cocktail-Party, und dafür fährt die weiße Rückwand ein Stück weit hoch - und gibt den Blick wird frei auf den Urwald dahinter. Kurz vor Schluss wachsen die Pflanzen in die Bühne hinein, überwuchern alles. In einer Szene liegt eine Tänzerin schlafend auf der Bühne, zunächst ganz ruhig, dann wird die Geräuschkulisse aus dem Urwald immer bedrohlicher - und die Angst nimmt sichtbar zu. Água spielt mit dieser latenten Bedrohung, mit der unzähmbaren Natur als allgegenwärtiger Macht im Rücken. Die vielen großartigen Soli kann man als Manifestation eines (Über-)Lebenswillens auffassen, ein Sich-frei-Tanzen für einen Moment.

Szenenfoto Ensemble (Foto: © Oliver Look)

Es wird viel getanzt, ein paar dazwischen Sprechszenen haben episodischen Charakter. Die mit Abstand längste und schönste gehört Julie Shanahan, die in einem Mix aus Englisch und Deutsch darüber sinniert, was sie jetzt gerne zeigen und vorführen wollte, aber gerade nicht kann und natürlich trotzdem, soweit das möglich ist, tut. Das ist ein Spiel mit der Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Stimmungen, aber auch von Theater und Realität. Was ist echt, was ist gespielt - aber auch: Was ist Biographie, was ist Rolle? In dieser Szene ist viel vom Wesen des Tanztheaters von Pina Bausch komprimiert. Ein Bravourstück.

Szenenfoto

Ensemble (Foto: © Oliver Look)

Água hat genaues Timing, die brasilianische Musik schwankt zwischen Melancholie und hämmernden, aufpeitschenden Rhythmen (und ist nie folkloristisch), getanzt wird auf hohem Niveau mit ein paar schönen Ensemble-Szenen, die Dramaturgie ist schlüssig. Nicht jede Szene allerdings hält das hohe Niveau. Da gibt es etwa eine Szene, in der die Frauen den Männern auf die Schulter steigen und sich von dort in deren Arme fallen lassen - ähnliche Bilder hat man in anderen Bausch-Stücken mit größerer Perfektion gesehen. Oder die übermütige Wasserschlacht am Ende des zweiten Teils: Die ergibt zwar vor den Bildern der Iguazú-Wasserfälle dramaturgischen Sinn, kann aber nicht mit den viel bildmächtigeren Wasserspielen aus Vollmond mithalten.


FAZIT

Água ist immer noch ein gutes und berührendes, aber im Bausch-Kanon kein herausragendes Stück.



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Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Pina Bausch

Bühne und Video
Peter Pabst

Kostüme
Marion Cito

Musikalische Mitarbeit
Matthias Burkert
Andreas Eisenschneider

Mitarbeit
Marion Cito
Irene Martinez-Rios
Robert Sturm

Dramaturgie
Raimund Hoghe

Probenleitung
Barbara Kaufmann
Dominique Mercy
Robert Sturm


Solisten

Tänzerinnen und Tänzer
Regina Advento
Pablo Aran Gimeno
Rainer Behr
Andrey Berezin
Damiano Ottavio Bigi
Michael Carter
Çağdaş Ermis
Silvia Farias Heredia
Jonathan Fredrickson
Ditta Miranda Jasjfi
Nayoung Kim
Christiana Morganti
Blanca Noguerol Ramírez
Helena Pikon
Jorge Puerta Armenta
Julie Shanahan
Julie Anne Stanzak
Julian Stierle
Michael Strecker
Fernando Suels Mendoza
Anna Wehsarg
Ophelia Young



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Tanztheater Wuppertal
(Homepage)




Da capo al Fine

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