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Musiktheater
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Simon Boccanegra

Oper in einem Prolog und drei Akten
Libretto von Francesco Maria Piave, Giuseppe Montanelli und Arrigo Boito
nach dem gleichnamigen Drama von Antonio García Gutiérrez
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Seitentiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 10. Oktober 2015

 

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Theater Osnabrück
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Macht wider Willen          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg folgen

Das Theater Osnabrück eröffnet die Spielzeit 2015/16 mit einer nachdenklich stimmenden Inszenierung von Verdis düsterem Meisterwerk Simon Boccanegra.

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Simon Boccanegra (Rhys Jenkins) im Prolog vor seiner Wahl zum Dogen

Schon im Prolog verbinden sich Privates und Politisches zu einem tragischen, unheilvollen Drama: Als der Seeräuber Simon Boccanegra – von Veronika Lindner zunächst wie eine melancholisch clowneske Spielfigur kostümiert - erfährt, dass das Volk ihn zum Dogen von Genua wählen will, freundet er sich schließlich mit dem Gedanken an. Er will die neue politische Position nutzen, um sich mit seinem adligen Gegenspieler Fiesco auszusöhnen und hofft, auf diese Weise die Tochter Fiescos, Boccanegras Geliebte und Mutter seiner Tochter Maria standesgemäß ehelichen zu können. Doch dann die grausame Ernüchterung. Während das Volk ihn als neu gewählten Dogen feiern will, findet Boccanegra die Leiche seiner Geliebten im Palast. Das nächste Schicksalsschlag kommt 25 Jahre später. Boccanegra, glücklich seine verloren geglaubte Tochter Maria, die als Amelia Grimaldi lebt, wiedergefunden zu haben, macht sich seinen ehemaligen Günstling Paolo zum Feind und Mörder, weil er ihm die Heirat mit seiner Tochter verweigert. Schließlich muss er erfahren, dass der Geliebte seiner Tochter der Verschwörer Gabriele Adorno ist. Die Verstrickungen nehmen ihren Lauf. Zwar wird Boccanegras von Aufständischen bedrohte Macht wieder hergestellt, Intrigant Paolo seiner gerechten Strafe zugeführt und das Amt des Dogen dem geläuterten Schwiegersohn Gabriele Adorno übergeben. Zwar schafft er es, sich mit seinem Patrizier-Erzfeind Fiesco auszusöhnen, aber sein Tod steht unmittelbar bevor.

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Amelia Grimaldi (Lina Liu) und Gabriele Adorno (Michael Wade Lee) beim nächtlichen Stelldichein im ersten Akt

Regisseur Jochen Biganzoli erzählt in seiner Osnabrücker Inszenierung die tragischen Ereignisse aus einer endzeitlichen Perspektive, wobei die privaten Schicksalsschläge auf Kosten der parallel stattfindenden historisch-politischen Ereignisse in den Vordergrund gerückt sind. Es ist die erlittene Gewalt, die Gewissheit zu sterben und eine damit verbundene Entfremdung und Vereinsamung, wie Ingeborg Bachmann sie in ihren Gedichten thematisiert, die dem Opernabend seine besondere Tiefe geben. Gleich zu Beginn rezitiert Marie Bauer eindrucksvoll (die Stimme erklingt aus dem Off) „Es könnte viel bedeuten“. Später kommen noch drei weitere Gedichte an ausgewählten Schlüsselstellen hinzu. Und wie sehr die poetischen Strömungen des Unterbewussten ihre eigene szenische Evidenz entfalten, wird deutlich, wenn bspw. vor Beginn des kleinen, gespenstisch flirrenden Orchestervorspiels zum ersten Akt das Ingeborg Bachmanns Gedicht „Fall ab, Herz“ erklingt. Das nächtliche Stelldichein von Amelia Grimaldi und ihrem Geliebten Gabriele Adorno erscheint plötzlich als assoziationsreiches Netz bzw. Nebeneinander von Wirklichkeit und Erinnerung, gefolgt von der toten Maria, die bis zum Schluss immer wieder als Projektion erscheint.

Tilo Steffens ansprechende Bühnenarchitektur stellt einen von grauen, stilisierten Häuserfassaden mit quadratischen Fenstern und rechteckigen Türöffnungen gerahmten, nüchternen Spieltort dar, der sich mit kleinen Requisiten wie Sonnenschirm und Decke und Beleuchtung schnell in die vorgesehenen Tageszeiten und so unterschiedliche Handlungsorte wie Platz in Genua, Zimmer des Dogen, Ratssaal, Garten mit Blick aufs Meer verwandeln lässt.

Für den kontinuierlichen Spannungsbogen des Abends sorgt neben der genauen, mit zahlreichen Spannungspausen durchsetzten Erzähltechnik Biganzolis vor allem auch die meisterlich einstudierte, kontrastreiche, verschiedene Tempi, melancholische, lyrische und dramatische Phasen berücksichtigende musikalische Darbietung des Extra- und Opernchores des Theater Osnabrück, des Osnabrücker Symphonieorchesters und Gesangsolistenensembles unter der umsichtigen Leitung Andreas Hotz. Auch Hotz lässt Raum für Ruhe, zum Innehalten und Verarbeiten, als wenn die Musik die Wahrnehmung der handelnden Personen widerspiegele. Neu im Gesangssolistenensemble ist der walisische Bariton Rhys Jenkins. Klang- und kraftvoll interpretiert er den mächtigen und melancholischen Simon Boccanegra. José Gallisa verkörpert mit sonorer Tiefe und dramatischem Brustregister den Rache lüsternen Fiesco. Mit gleichmäßig strömender, mühelos wirkender Klangrede stellt Lina Liu seine Enkeltochter Maria alias Amelia Grimaldi dar. Bezaubernd ist das Duett im zweiten Akt mit dem strahlenden Tenorklang Michael Wade Lees als Liebhaber Gabriele Adorno.

FAZIT

Mit guten Solisten, einer nachdenklich stimmenden, anrührenden musikalischen und szenischen Interpretation des Verdi-Musikdramas gelingt dem kleinen Theater Osnabrück ein fulminanter, ganz eigener Einstieg in die Spielzeit.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Jochen Biganzoli

Bühne
Tilo Steffens

Kostüme
Veronika Lindner

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Ulrike Schumann

 

Opernchor des Theater Osnabrück

Extrachor des Theater Osnabrück

Osnabrücker Symphonieorchester


Solisten

Simon Boccanegra
Rhys Jenkins

Maria Boccanegra alias Amelia Grimaldi
Lina Liu

Jacopo Fiesco alias Andrea
José Gallisa

Paolo Albiani
Jan Friedrich Eggers

Pietro
Genadijus Bergorulko

Gabriele Adorno
Michael Wade Lee




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





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